Corporate Governance Inside
Legislation & Jurisdiction


Verbands­sanktionen­gesetz

Der Tatort der Straftat spielt zunächst keine Rolle, wenn dadurch im Inland eine bestehende Verbandspflicht verletzt wurde oder der Verband bereichert wurde oder werden sollte.

Im August 2019 wurde der Referentenentwurf für das neue Verbandssanktionengesetz (VerSanG, „Unternehmensstrafrecht“) vorgestellt. Basis für den Entwurf des Bundesjustizministeriums ist die Vereinbarung im Koalitionsvertrag der großen Koalition, dass Unternehmen, die vom Fehlverhalten von Mitarbeiterinnern und Mitarbeitern profitieren, stärker sanktioniert werden sollen.

I. Die Eckpunkte des neuen Gesetzes


1. Wechsel vom Opportunitätsprinzip zum Legalitätsprinzip

Die Sanktionierung von Unternehmen war bislang im § 30 OWiG als Ordnungswidrigkeit geregelt. Für Ordnungswidrigkeitenverfahren gilt das Opportunitätsprinzip. Das bedeutet, dass die Strafverfolgungsbehörden bislang nicht gezwungen waren, gegen Unternehmen vorzugehen. Dies führte aufgrund der unterschiedlichen Ausstattung der Staatsanwaltschaften zu großen regionalen Unterschieden bei der Verfolgung von Unternehmen. Durch die Einführung des Legalitätsprinzips im neuen Gesetzesentwurf sind die Strafverfolgungsbehörden gezwungen, auch gegen die Unternehmen vorzugehen. Es besteht jedoch weiterhin die Möglichkeit, dass Verfahren aus Opportunitätspunkten eingestellt werden können.


2. Sanktionierung auch bei Auslandstaten

Verbandsstraftaten im Sinne des Gesetzesentwurfs sind Straftaten, durch die Pflichten, die den Verband treffen, verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert worden ist oder werden sollte. Eine Beschränkung auf Vermögens- oder Steuerdelikte besteht nicht.

Der Tatort der Straftat spielt zunächst keine Rolle, wenn dadurch im Inland eine bestehende Verbandspflicht verletzt wurde oder der Verband bereichert wurde oder werden sollte. Voraussetzung ist, dass es sich bei der Tat um eine Verbandstraftat nach deutschem Recht handelt und die Tat im Ausland mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt.


3. Sanktionierungsmöglichkeiten

Vorgesehen sind die Verhängung von Verbandsgeldsanktionen sowie des Ausspruchs einer Verwarnung mit Verbandsgeldsanktionsvorbehalt und Verbandsauflösung als ultima ratio. Daneben kann gemäß § 15 bei einer großen Zahl von Geschädigten das Gericht neben der Verhängung einer Sanktion nach § 8 die öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung des Verbandes anordnen.


Bei Verhängung der Verbandsgeldsanktion wird der Umsatz des Unternehmens eine entscheidende Rolle spielen. So soll bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 100 Mio. Euro das Höchstmaß der Verbandsgeldsanktion bei vorsätzlichen Verbandsstraftaten 10 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes der letzten drei Geschäftsjahre betragen. Zu beachten ist dabei, dass bei der Berechnung der weltweite Jahresumsatz aller als wirtschaftliche Einheit operierenden Unternehmen zu berücksichtigen ist. Damit sollen auch umsatzstarke Unternehmen einer effektiven Sanktionierung zugeführt werden.


4. Compliance-Maßnahmen als Bemessungsfaktor bei der Geldsanktion

Bei der Bemessung der Geldsanktionen werden Compliance-Vorkehrungen zur Vermeidung und Aufdeckung von Straftaten, die vor der Verbandsstraftat getroffen wurden, berücksichtigt. Diese wirken sich ebenso strafmindernd aus wie das Bemühen des Verbandes, die Verbandsstraftat aufzudecken, den Schaden wieder gut zu machen, sowie nach der Verbandsstraftat getroffene Vorkehrungen zur Vermeidung und Aufdeckung von Straftaten. Es lohnt sich somit für Unternehmen jederzeit, ein wirksames Compliance-System zu installieren und zu pflegen.


5. Sanktionsmilderungen durch interne Untersuchungen

Bei verbandsinternen Untersuchungen kann das Gericht die Sanktion mildern, wenn die Untersuchung besondere Kriterien erfüllt. Insbesondere muss sie wesentlich dazu beigetragen haben, dass die Verbandsstraftat aufgeklärt wird. Ferner darf die Untersuchung von Dritten, jedoch nicht Verteidigern des Verbandes oder Individualbeschuldigten durchgeführt werden. Ferner müssen die Untersuchungsführer ununterbrochen und uneingeschränkt mit den Verfolgungsbehörden zusammenarbeiten.

Die Untersuchungen müssen unter Beachtung der Grundsätze eines fairen Verfahrens durchgeführt werden, insbesondere müssen Personen vor ihrer Befragung darauf hingewiesen werden, dass ihre Auskünfte einem Strafverfahren gegen sie verwendet werden können.


Befragten muss das Recht eingeräumt werden, einen anwaltlichen Beistand oder ein Mitglied des Betriebsrats zu Befragungen hinzuzuziehen, und sie müssen auf dieses Recht vor der Befragung hingewiesen werden. Außerdem muss ihnen das Recht eingeräumt werden, die Auskunft auf solche Fragen zu verweigern, deren Beantwortung sie selbst oder die in § 52 Absatz 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen gefährden würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, und auch auf dieses Recht muss vor der Befragung hingewiesen werden.


Das Spannungsverhältnis zwischen dem Auskunftsverweigerungsrecht der befragten Personen einerseits und dem Aufklärungserfolg der internen Untersuchung andererseits wird durch den Entwurf nicht aufgelöst. Hier dürften in der Praxis die größten Probleme lauern. Auch ist es aus diesen Gründen hilfreich, wenn Untersuchungsführer mit forensischer Erfahrung im Straf- und insb. Strafprozessrecht beteiligt sind, damit die Befragungen StPO-konform ablaufen und so die Milderungswirkung der internen Untersuchung auch greifen kann.


Das Gericht kann bei durchgeführten internen Untersuchungen, die den Anforderungen des Gesetzes entsprechen, die Verbandsgeldsanktion mindern. In diesen Fällen reduziert sich das vorgesehene Höchstmaß um die Hälfte und das vorgesehene Mindestmaß entfällt. Ferner sind die Anordnung der Verbandsauflösung sowie die Anordnung der öffentlichen Bekanntmachung der Verurteilung des Verbandes ausgeschlossen.

Darüber hinaus kann die Verfolgungsbehörde in den Fällen, in denen der Verband anzeigt, eine verbandsinterne Untersuchung durchzuführen, bis zum Abschluss der Untersuchung von der Verfolgung absehen. Ein Anspruch auf die vorläufige Einstellung besteht jedoch nicht.


6. Einführung eines Verbandssanktionenregisters

In einem beim Bundesamt für Justiz zu führenden Register sollen rechtskräftige Entscheidungen über die Verhängung von Verbandssanktionen oder Verbandsgeldbußen eingetragen werden. Uneingeschränkte Auskunft aus dem Register erhalten nach der jetzigen Entwurfsfassung jedoch nur Behörden und Gerichte.

Durch die Einführung des Legalitätsprinzips im neuen Gesetzesentwurf sind die Strafverfolgungsbehörden gezwungen, auch gegen die Unternehmen vorzugehen.

Ein auf die Vermeidung von Rechtsverstößen angelegtes Compliance-System ist bereits jetzt unverzichtbar.

Status quo


Auch wenn ein Unternehmensstrafrecht zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht existiert, kommt nach der heutigen Rechtslage bei strafrechtlichem oder ordnungswidrigkeitsrechtlichem Verhalten einer verantwortlich handelnden Person, z.B. des Vorstands oder eines Geschäftsführers, ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen die Leitungsperson oder die juristische Person in Betracht. Die Verbandsgeldbuße kann gemäß § 30 OwiG erhebliche finanzielle Ausmaße annehmen, da der Bußgeldrahmen bei einer vorsätzlichen Straftat bis zu 10 Millionen € beträgt.

Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 9. Mai 2017 (Az. 1 StR 265/16) ausdrücklich klargestellt, dass ein vorhandenes auf die Vermeidung von Rechtsverstößen angelegtes Compliance-System zu einer Reduzierung der Geldbuße führen kann. Das bedeutet, dass ein auf die Vermeidung von Rechtsverstößen angelegtes Compliance-System bereits jetzt unverzichtbar ist.



Alexander Schemmel

Partner Deloitte Legal

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