Corporate Governance Inside Legislation & Jurisdiction

ARUG II

Vergütungsbericht – Was kommt?

Die zweite Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II), die im Dezember 2019 in deutsches Recht umgesetzt wurde, zielt auf eine stärkere Einbeziehung und ein größeres Mitspracherecht der Aktionäre bei der Vergütung der Mitglieder der Unternehmensleitung ab. Dementsprechend enthält die Richtlinie vor allem zwei Komponenten: Neben einem verpflichtend durchzuführenden Votum der Hauptversammlung über das vorgelegte Vergütungssystem ist künftig vorgesehen, dass die Hauptversammlung über den von der Gesellschaft zu publizierenden Vergütungsbericht abstimmt. Bei kleinen und mittelgroßen Gesellschaften reicht die Vorlage des Vergütungsberichts zur Erörterung als eigener Tagesordnungspunkt in der Hauptversammlung.

Der Vergütungsbericht nach den Regelungen des ARUG II ist erstmals für das ab dem 31.12.2020 beginnende Geschäftsjahr gemeinsam von Vorstand und Aufsichts-rat aufzustellen. Entgegen der bisherigen Rechtslage ist der Vergütungsbericht künftig nicht mehr Bestandteil des Abschlusses oder des Lageberichts, sondern ein eigenständiger Bericht, dessen Inhalte ausschließlich im Aktiengesetz geregelt sind. Auch die bislang ergänzend zu beachtenden Soll-Vorgaben des Deutschen Corpora-te Governance Kodex zum Inhalt des Vergütungsberichts („Mustertabellen“) entfallen daher im neuen Kodex 2020.

Ziel des Vergütungsberichts ist es, einen klaren und verständlichen Bericht über die im letzten Geschäftsjahr gewährte und geschuldete Vergütung zu geben. Dabei ist die Vergütung namentlich für jedes einzelne gegenwärtige oder frühere Mitglied des Vorstands und des Aufsichtsrats offenzulegen. § 162 AktG legt die Mindestbe-standteile der Berichterstattung im Einzelnen fest, wobei sich in einigen Bereichen Auslegungsspielräume ergeben, deren Ausfüllung der Gesetzgeber zum Teil bewusst der Praxis überlassen hat.

Die von der EU-Kommission zu erarbeitenden Leitlinien zur Erstellung des Vergütungsberichts liegen derzeit erst als Entwurf vor und gehen in der vorliegenden Fassung deutlich über die gesetzlichen Anforderungen in Deutschland hinaus. Ihre Anwendung ist jedoch nicht verpflichtend.

Im Vergütungsbericht ist grundlegend der Bezug der gewährten und geschuldeten Vergütung zum Vergütungssystem der Gesellschaft herzustellen. Hierzu sind alle festen und variablen Vergütungsbestandteile offenzulegen, deren jeweiliger relativer Anteil sowie eine Erläuterung, wie sie dem maßgeblichen Vergütungssystem entsprechen, wie die Vergütung die langfristige Entwicklung der Gesellschaft fördert und wie die Leistungskriterien angewendet wurden. Diskretionäre Spielräume zur Festlegung der Vorstandsvergütung durch den Aufsichtsrat werden durch das ARUG II damit deutlich verringert.

Im Vergütungsbericht ist weiterhin zu erläutern, wie die im Vergütungssystem fest-zulegende Maximalvergütung der Vorstandsmitglieder eingehalten wurde. Einzel-fragen ergeben sich hierbei insbesondere in Bezug auf die betriebliche Altersver-sorgung und variable Nebenleistungen (bspw. die Nutzung von Firmenwagen). Es steht zu erwarten, dass die Forderung nach einer umfassenden Maximalvergütung den Trend zur Ersetzung von leistungsorientierten Pensionszusagen durch die Ge-währung von festen Beträgen zur individuellen Finanzierung der Altersversorgung künftig verstärken wird. Dadurch würden sich die festen Grundgehälter erhöhen. Vorübergehende Abweichungen vom Vergütungssystem des Vorstands sind nach § 87a Abs. 2 Satz 2 AktG zulässig, wenn dies „im Interesse des langfristigen Wohler-gehens der Gesellschaft notwendig ist und das Vergütungssystem das Verfahren des Abweichens sowie die Bestandteile des Vergütungssystems, von denen abgewi-chen werden kann, benennt“. Wird von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, ist dies im Vergütungsbericht des Vorstands anzugeben, einschließlich einer Erläute-rung der Notwendigkeit der Abweichungen und der Angabe der konkreten Bestandteile des Vergütungssystems, von denen abgewichen wurde. Es bleibt abzuwarten, inwieweit Aufsichtsräte entsprechende Abweichungen aufgrund der aktuellen Corona-Krise beschließen werden und diese entsprechend offenzulegen und zu erläutern sind.

Weiterhin ist ein Bezug der Vergütung zur Ertragsentwicklung der Gesellschaft sowie der Vergütung der Belegschaft herzustellen. Gefordert ist eine vergleichende Darstellung der jährlichen Veränderungen der Vergütung, der Ertragsentwicklung der Gesellschaft sowie der über die letzten fünf Geschäftsjahre betrachteten durchschnittlichen Vergütung von Arbeitnehmern auf Vollzeitäquivalent-Basis einschließ-lich einer Erläuterung, welcher Kreis von Arbeitnehmern einbezogen wurde. Bei der Umsetzung dieser Anforderungen bleiben den Unternehmen deutliche Interpretationsspielräume, insbesondere hinsichtlich der Konkretisierung des Begriffs „Ertragsentwicklung“ und der Ermittlung der Vergleichsvergütung der Belegschaft. Von besonderer Bedeutung ist daher die Erläuterung der gewählten Darstellung. Weiterhin werden Angaben zu einzelnen Bestandteilen der Vergütung gefordert, insbesondere zu aktienbasierter Vergütung, Abfindungs- und Pensionsregelungen und der Inanspruchnahme der Möglichkeit, variable Vergütungsbestandteile zurückzufordern („Claw-back“).

Schließlich ist ein Bezug des vorgelegten Vergütungsberichts zur Beschlussfassung bzw. zur Erörterung der Hauptversammlung zum im Vorjahr vorgelegten Vergütungsbericht herzustellen. Es ist zu erläutern, wie der Beschluss der Hauptver-sammlung nach § 120a Abs. 4 AktG (bzw. die Erörterung nach § 120a Abs. 5 AktG) berücksichtigt wurde. Der Bericht unterliegt einer formalen Prüfungspflicht durch den Abschluss-prüfer, das heißt, es ist zu prüfen, ob ein Vergütungsbericht erstellt wurde und ob die nach § 162 Abs. 1 und 2 AktG geforderten Angaben enthalten sind. Eine Prüfung der Richtigkeit der gemachten Angaben ist hingegen nicht vorgeschrieben, kann aber freiwillig beauftragt werden, was angesichts der gemeinsamen Erstellung von Aufsichtsrat und Vorstand sowie der Sensibilität der Informationen sinnvoll er-scheint. Offenzulegen ist der (geprüfte) Vergütungsbericht sowohl im Rahmen der Be-kanntmachung der Einberufungsunterlagen zur Hauptversammlung als auch für mindestens zehn Jahre auf der Internetseite der Gesellschaft. Erstmals wird dabei der Schutz der persönlichen Daten der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder im Gesetz direkt adressiert: Der Vergütungsbericht darf insbesondere keine Daten enthalten, die sich auf die Familiensituation einzelner Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats beziehen. Außerdem sind personenbezogene Angaben zu früheren Mitgliedern des Vorstands oder des Aufsichtsrats nach bestimmten Fristen zu unterlassen bzw. aus bereits veröffentlichten Berichten zu entfernen. Hinsichtlich der Details der Erstellung des Vergütungsberichtes wird sich sicher bald eine geübte Praxis einstellen. Hier gilt es, im engen Kontakt mit der Financial Community die aktuellen Entwicklungen weiter zu verfolgen, um als Aufsichtsrat die eigenen Berichtspflichten kompetent erfüllen zu können. Eine inhaltliche Prü-fung durch den Abschlussprüfer kann zusätzliche Sicherheit bringen.

Silke Splinter Director | Capital Market, Deloitte Deutschland

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