Corporate Governance Inside
Makroökonomische Trends
Makroökonomische Trends: Beobachtungen aus der COVID-19-Krise und Ausblick für das Jahr 2021
Treiber für die schnelle Erholung des Welthandels war insbesondere die rasche wirtschaftliche Erholung Chinas.
Die Corona-Krise hat die Weltwirtschaft auch Ende des Jahres 2020 noch fest im Griff. Nach dem tiefen konjunkturellen Fall im zweiten Quartal folgte ein sehr gutes drittes Quartal, in dem sowohl die deutsche wie auch die europäische Wirtschaft basierend auf dem niedrigeren Level stark wachsen konnten. Allerdings lässt die zweite Welle von Infektionen und Lockdowns diese positive Tendenz nun erst einmal pausieren.
Seit dem Ausbruch der ersten Welle ist jedoch auch deutlich geworden, dass die ökonomischen Auswirkungen Länder und Branchen auf sehr unterschiedliche Weisen betreffen. So liegt das Zentrum der zweiten Welle der Infektionen seit dem Herbst wieder in Europa, während die asiatischen Länder davon kaum berührt sind. Ebenso zeigt sich, dass die Rezession sehr branchenspezifisch verläuft. Während manche Bereiche, wie der Hotel- und Freizeitsektor, durch neue Restriktionen stillgelegt sind, florieren andere. So wird beispielsweise der E-Commerce in Deutschland 2020 zweistellig wachsen und damit das Wachstum in verbundenen Branchen wie Post-Dienstleistungen antreiben.
Der ökonomische Ausblick für 2021 muss viele Unbekannte miteinbeziehen. In welcher Form der Brexit stattfinden wird, ist Ende November noch völlig unklar, ebenso die Frage, wie die Mehrheitsverhältnisse nach der US-Wahl im Kongress aussehen werden. Entscheidende Sitze im Senat werden im Januar noch durch Stichwahlen bestimmt, was unmittelbare Auswirkungen darauf haben wird, inwieweit der neue US-Präsident seine wirtschaftliche und klimapolitische Agenda umsetzen können wird. Wie sich der amerikanisch-chinesische Handelskonflikt entwickeln wird, ist ebenso wenig absehbar. Ein kontinuierliches und systematisches Monitoring der politischen und makroökonomischen Richtung wird 2021 noch wichtiger sein als in krisenärmeren Zeiten.
Dennoch lassen sich aus der aktuellen Lage einige makroökonomische Trends ableiten, die sowohl für die weltweite wie auch für die deutsche Konjunktur wichtig sein werden. Im Folgenden werden drei dieser Trends analysiert.
#1: Der Welthandel erholt sich überraschend schnell
Die Aussichten für den Welthandel waren im Frühjahr düster. Unterbrochene Lieferketten und fehlende medizinische Güter bestimmten die Schlagzeilen und die Welthandelsorganisation erwartete einen Einbruch des Handels um mindestens 13, jedoch bis zu 32 Prozent, in jedem Fall deutlich tiefer als während der Finanzkrise.
Es kam jedoch anders, der Welthandel hat sich erstaunlich schnell erholt. Während es nach der Finanzkrise fast zwei Jahre dauerte, bis das Volumen des Warenhandels zumindest wieder in die Nähe des Vorkrisenniveaus kam, brauchte es in der COVID-19-Krise vergleichsweise kurze acht bis neun Monate für dieselbe Entwicklung. Treiber dieser Entwicklung war insbesondere die rasche wirtschaftliche Erholung Chinas. China wird 2020 die einzige große Volkswirtschaft mit positivem Wachstum sein, was sich in Anbetracht von dessen Größe direkt auf den Welthandel auswirkt. Im September wuchsen laut Daten der United Nations Conference on Trade and Development die chinesischen Importe im Vergleich zum September 2019 um 13 Prozent, die Exporte um 10 Prozent. Davon konnte insbesondere die deutsche Exportwirtschaft profitieren. Der Wert der deutschen Ausfuhren nach China lag im September dieses Jahres bereits um 900 Millionen Euro über dem entsprechenden Exportniveau des Vorjahres.
Diese positive Entwicklung bedeutet nicht, dass der Welthandel die Corona-Krise schon gänzlich überwunden hat. Vor allem die grenzüberschreitende Tourismusindustrie und der Luftverkehr sind in einer tiefen Rezession und auf das gesamte Jahr gesehen wird der Welthandel immer noch um 7–9 Prozent schrumpfen. Dennoch ist die schnelle Stabilisierung des internationalen Güterverkehrs eine wichtige Trendwende, die positiv auf die Konjunktur wirkt.
#2: Arbeitsmarktpolitik stabilisiert den Konsum in der Krise
Als Antwort auf die Krise haben viele europäische Länder das Instrument der Kurzarbeit eingeführt. Diese Maßnahme war sehr erfolgreich, um einerseits die Beschäftigung trotz der tiefen Rezession zu stabilisieren und zum anderen um den Konsum so gut wie möglich aufrechtzuerhalten. In den großen Eurozone-Ländern Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien befanden sich zur Hochzeit der Krise im zweiten Quartal zwischen 20 und 40 Prozent der Beschäftigten in Kurzarbeit. Trotz des historischen Rückgangs der Wirtschaftsleistung in diesem Zeitraum fiel durch jenes Instrument die Beschäftigung in der Eurozone nur sehr leicht (-3 Prozent), dafür ging die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden stark zurück (-16 Prozent). In der Herbstausgabe des deutschen Deloitte CFO Survey wird deutlich, dass die Mehrheit der Unternehmen das Kurzarbeitergeld für die bei Weitem effektivste wirtschaftspolitische Maßnahme zur Bewältigung der Krise hält.
Gleichzeitig wurde dadurch das verfügbare Einkommen der Arbeitnehmer weitgehend auf dem Vorkrisen-Level gehalten, sodass sich das Konsumklima relativ schnell erholen konnte – zumindest bis zur zweiten Runde der Lockdowns in Europa und mit Ausnahme Spaniens. Allerdings hat sich auch gezeigt, dass der Konsum in Europa nach Lockdowns wieder relativ dynamisch zurückschnellen kann.
#3: Unternehmen investieren weiter, aber sehr fokussiert
Die tiefe Rezession hatte bei den Unternehmen weniger Auswirkungen auf das Investitionsverhalten als ursprünglich befürchtet, wie sich vor allem nach Einsetzen des Aufschwungs im Sommer zeigte. Im deutschen und im europäischen Deloitte CFO Survey vom Herbst zeigt sich, dass sich die Investitionsbereitschaft auch insgesamt wieder erholt hat. In Deutschland liegt sie schon wieder im leicht positiven Bereich. Ein gemeinsamer Trend in Europa ist allerdings, dass diese Ausgaben stark fokussiert werden.
Eine Mehrheit der Unternehmen plant auf Sicht von zwölf Monaten die Steigerung von Investitionen in den Bereichen Organisations- und Prozessoptimierung sowie Digitalisierung. Traditionelle Investitionsarten in Maschinen, Anlagen und Grundstücke fristen demgegenüber eher ein Schattendasein. Diese Investitionsstrategie ist ein Hinweis darauf, dass sich die Unternehmen weiter digitalisieren und ihre Strukturen hinterfragen. In diesem Sinne kann die Corona-Krise tatsächlich zu einer stärker digitalisierten Wirtschaft führen, gleichzeitig scheint die in Rezessionen allgegenwärtige Gefahr, dass ein alleiniger Fokus auf Kosten die langfristige Wettbewerbsfähigkeit gefährdet, nicht gegeben.
Zusammengenommen bedeutet das, dass es durchaus einige positive Zeichen und vor allem Indikatoren der Erholung von dem sehr schweren konjunkturellen Einbruch gibt. Diese höchst willkommenen Trends lassen auch erwarten, dass der konjunkturelle Einbruch 2020 insgesamt milder als erwartet und etwas weniger gravierend als in der Finanzkrise ausfällt – zumindest in Deutschland –, auch wenn das Ausmaß sicherlich historisch bleibt. In diesem Kontext bleibt es für Unternehmen wichtig, verschiedene Szenarien der weiteren Entwicklung der Pandemie und Konjunktur auf dem Radar zu behalten und den Einfluss auf das eigene Geschäft zu analysieren. Die neue Hoffnung auf einen Impfstoff lässt es zu, positivere Entwicklungen als angenommen in Betracht zu ziehen, auch wenn viele Risikofaktoren bestehen bleiben.
Dr. Alexander Börsch Chefökonom & Director Research, Deloitte Deutschland