Corporate Governance Inside Legislation & Jurisdiction

„Zweites Führungspositionen-Gesetz“ – FüPoG II

Überblick zu den zentralen Inhalten aus Sicht von Aufsichtsräten börsennotierter und/oder mitbestimmter Unternehmen

Am 12. August 2021 ist das Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst in Kraft getreten. Es sieht nicht nur erstmals eine gesetzliche Mindestbeteiligung von Frauen und Männern in großen Vorstandsgremien vor, sondern führt auch eine Begründungspflicht für die Festlegung der Zielgröße Null ein. Nachstehend sollen die zentralen Eckpunkte des Gesetzes aus Sicht betroffener Überwachungsorgane kompakt und verständlich zusammengefasst werden.

Zielsetzung des Gesetzgebers

Bereits das am 1. Mai 2015 in Kraft getretene „Erste Führungspositionen-Gesetz“ (FüPoG) hatte das Ziel, den Anteil von Frauen an Führungspositionen u.a. in der Privatwirtschaft signifikant zu erhöhen. Dazu wurde die fixe Quote für Aufsichtsräte börsennotierter und zugleich paritätisch mitbestimmter Unternehmen eingeführt. Die Evaluation des FüPoG zeigt, dass sich der Frauenanteil (insbesondere im Vorstand) weniger positiv entwickelt hat als erhofft. Das „Zweite Führungspositionen-Gesetz“ (FüPoG II) soll daher die Wirksamkeit des FüPoG erhöhen und die bestehenden Regelungen weiterentwickeln.

Änderungen für den Aufsichtsrat börsennotierter und/oder mitbestimmter Aktiengesellschaften

Der Aufsichtsrat einer AG, die börsennotiert ist oder der Mitbestimmung unterliegt, legt für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und im Vorstand Zielgrößen fest (§ 111 Abs. 5 Satz 1 AktG). Diese Regelung wurde durch das FüPoG II wie folgt konkretisiert und verschärft:

Angabe der angestrebten Anzahl der Frauen und des angestrebten Frauenanteils im Aufsichtsrat und im Vorstand

Künftig müssen die Zielgrößen die für den Aufsichtsrat und den Vorstand jeweils angestrebte Anzahl der Frauen und den angestrebten Frauenanteil am jeweiligen Gesamtgremium beschreiben und bei Angaben in Prozent vollen Personenzahlen entsprechen (§ 111 Abs. 5 Satz 2 AktG).

Begründungspflicht bei Zielgröße Null

Legt der Aufsichtsrat für den Aufsichtsrat oder den Vorstand die Zielgröße Null fest, so hat er diesen

Beschluss klar und verständlich zu begründen (§ 111 Abs. 5 Satz 3 AktG). Die Begründung muss ausführlich die Erwägungen darlegen, die der Entscheidung zugrunde liegen (§ 111 Abs. 5 Satz 4 AktG).

Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Gleichzeitig sind Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein. Wenn für den Aufsichtsrat bereits das Mindestanteilsgebot nach § 96 Absatz 2 oder 3 gilt, sind die Festlegungen nur für den Vorstand vorzunehmen. Gilt für den Vorstand das Beteiligungsgebot nach § 76 Absatz 3a AktG, entfällt auch die Pflicht zur Zielgrößensetzung für den Vorstand (§ 111 Abs. 5 Satz 5 bis 9 AktG).

§ 111 Absatz 5 Satz 3 AktG führt für den Aufsichtsrat die Pflicht ein, eine Begründung festzulegen, falls er Null als Zielgröße für den Frauenanteil im Aufsichtsrat oder im Vorstand festlegt, also für den folgenden Festlegungszeitraum keine Frau für den Aufsichtsrat oder den Vorstand einplant. Die Anforderungen an die Begründung sind die gleichen wie in § 76 Absatz 4 Satz 3 und 4 AktG (s.o., Regierungsbegründung, S. 84). Das bedeutet: Die Begründung muss

  • erkennen lassen, welche Umstände der Aufsichtsrat gewürdigt und wie er sie gewichtet hat,
  • so ausführlich sein, dass sie eine gewissenhafte Entscheidung für die Öffentlichkeit plausibel macht (eine Begründung von 100 bis 150 Wörtern soll im Regelfall diesen Vorgaben genügen), und
  • wiedergabefähig zu protokollieren sein, da sie Gegenstand der Berichtspflichten nach § 289f Abs. 2 Nr. 4 sowie Abs. 4 HGB werden soll.

Änderungen für den Aufsichtsrat mitbestimmter GmbHs

Ist nach dem Drittelbeteiligungsgesetz ein Aufsichtsrat zu bestellen, so legt die Gesellschafterversammlung für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und unter den Geschäftsführern Zielgrößen fest, es sei denn, sie hat dem Aufsichtsrat diese Aufgabe übertragen (§ 52 Abs. 2 Satz 1 GmbHG). Ist nach dem Mitbestimmungsgesetz, dem Montan-Mitbestimmungsgesetz oder dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz ein Aufsichtsrat zu bestellen, so legt der Aufsichtsrat für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und unter den Geschäftsführern Zielgrößen fest (§ 52 Abs. 2 Satz 2 GmbHG). Die vorgenannten Regelungen sind im Zuge des FüPoG II wie folgt konkretisiert und verschärft worden:

Beschreibung des Frauenanteils und volle Personenzahlen bei Prozentangaben

Die Zielgrößen müssen den angestrebten Frauenanteil am jeweiligen Gesamtgremium beschreiben und bei Angaben in Prozent vollen Personenzahlen entsprechen (§ 52 Abs. 2 Satz 3 GmbHG).

Begründungspflicht bei Zielgröße Null

Wird für den Aufsichtsrat oder unter den Geschäftsführern die Zielgröße Null festgelegt, so ist dieser Beschluss klar und verständlich zu begründen. Die Begründung muss ausführlich die Erwägungen darlegen, die der Entscheidung zugrunde liegen (§ 52 Abs. 2 Satz 4 und 5 GmbHG).

Hinsichtlich der Anforderungen an die Begründung gilt das oben zu § 76 Absatz 4 Satz 3 und 4 AktG Gesagte entsprechend.

Änderungen bei der Erklärung zur Unternehmensführung (§ 289f HGB)

Die Erklärung zur Unternehmensführung nach § 289f HGB ist Bestandteil des Lageberichts und eine zusätzliche Berichtspflicht für bestimmte, vor allem kapitalmarktorientierte Unternehmen. Sie vermittelt Informationen zur Corporate Governance der erklärungspflichtigen Gesellschaften, indem sie verschiedene Informationen zu nach gesetzgeberischer Wertung relevanten Aspekten der

Unternehmensführung offenlegt. Bereits das FüPoG erweiterte die Inhalte der Erklärung zur Unternehmensführung um Angaben zu Zielgrößen für den Frauenanteil in Führungspositionen (§ 289f Abs. 2 Nr. 4 HGB) und um Angaben zur Einhaltung der fixen Geschlechterquote im Aufsichtsrat (§ 289f Abs. 2 Nr. 5 HGB).

Mit dem FüPoG II wird die Berichtspflicht erneut erweitert:

Die Erweiterung umfasst zunächst die in § 76 Absatz 4 AktG und § 111 Absatz 5 AktG vorgeschriebenen Begründungen bei Festlegung der Zielgröße Null zur Beteiligung von Frauen in Aufsichtsrat, Vorstand und den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands (s.o.). Die Angabe der Begründungen zusammen mit den Zielgrößen soll gewährleisten, dass die Entwicklung des Frauenanteils an Führungspositionen in den einzelnen Gesellschaften durch eine breite Öffentlichkeit wahrgenommen werden kann (Regierungsbegründung, S. 80).

Darüber hinaus wird die kohärente Anwendung dieser Vorgaben auf andere Kapitalgesellschaften als die (börsennotierte) AG sichergestellt. Erfasst werden insbesondere nicht börsennotierte und nicht kapitalmarktorientierte Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Europäische Gesellschaften (SE) sowie Gesellschaften mit beschränkter Haftung, sofern und soweit die einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften über Zielgrößen (s.o.) auf sie anwendbar sind.

Zur besseren Übersichtlichkeit wurde § 289f Abs. 2 Nr. 4 HGB durch das FüPoG II insgesamt neu gefasst, wobei die neue Fassung ausweislich der Änderung des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch erstmals auf Lage- und Konzernlageberichte sowie Erklärungen zur Unternehmensführung für das nach dem 31. Dezember 2020 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden ist.

Dr. Nima Ghassemi-Tabar Rechtsanwalt | Audit & Assurance, Deloitte Deutschland

Anna Marina Prehn Senior | Audit & Assurance, Deloitte Deutschland

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