Corporate Governance Inside
Audit & Assurance
Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Zukunft
Rekapitulation der bisherigen Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung
Die derzeitigen Entwicklungen der Bedeutung der Nachhaltigkeitsberichterstattung und der damit verbundenen regulatorischen Vorgaben lassen sich als Folgeschritt zum Pariser Klimaschutzabkommen einordnen. Insofern trägt die zunächst von der EU im Wege der Richtlinie 2014/95/EU geschaffene Verpflichtung zur Angabe nicht-finanzieller Informationen (CSR-Richtlinie oder Non-financial Reporting Directive, „NFRD“) wesentlich zur Erhöhung der Transparenz betroffener Unternehmen hinsichtlich derer nicht-finanzieller Performance bei. Mit Umsetzung in nationales Recht durch den deutschen Gesetzgeber am 19. April 2017 als CSR-Richtlinienumsetzungsgesetz sind große kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern i.d.R. seit dem Geschäftsjahr 2017 gefordert, ihre Lageberichte um eine nicht-finanzielle Erklärung zu erweitern oder alternativ ihren Berichtspflichten mit einem eigenständigen nicht-finanziellen Bericht nachzukommen. Inhaltlich müssen betroffene Unternehmen ihr Geschäftsmodell sowie Informationen zu den Aspekten Umweltbelange, Arbeitnehmerbelange, Sozialbelange, Achtung der Menschenrechte sowie Bekämpfung von Korruption und Bestechung berichten. Dabei sind für jeden Aspekt ein Gesamtbild der verfolgten Konzepte und deren Ergebnisse darzustellen. Weiter sind die wesentlichen Risiken für das Unternehmen und ausgehend vom Unternehmen bezüglich dieser Aspekte zu berichten. Wesentlich ist hier ein Risiko, wenn es sehr wahrscheinlich schwerwiegende negative Auswirkungen haben wird. Hier liegt nach geltendem Recht eine in zweifacher Hinsicht sehr hohe Hürde vor, nämlich bezüglich Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß. Zur Erfüllung dieser Pflichten bemühen Unternehmen in aller Regel Rahmenwerke wie z.B. die GRI-Standards der Global Reporting Initiative oder den Deutschen Nachhaltigkeitskodex DNK. Für Teile der Berichtspflichten können berichtspflichtige Unternehmen vom sog. Comply-or-Explain-Ansatz Gebrauch machen. Danach hat die Kapitalgesellschaft, wenn sie zu den oben genannten Aspekten kein Konzept verfolgt, dies anstelle der auf den jeweiligen Aspekt bezogenen Angaben nach Absatz 3 Nummer 1 und 2 in der nicht-finanziellen Erklärung klar und begründet zu erläutern.

Erweiterung der Berichterstattungsanforderungen im Rahmen der EU-Sustainable-Finance-Taxonomie
In Weiterentwicklung der NFRD hat die Kommission mit der EU-Sustainable-Finance-Taxonomie¹ (EU-Taxonomie) als Teil des European Green Deal im Jahr 2020 ein Klassifikationssystem geschaffen, mit dem ökologisch nachhaltige unternehmerische Tätigkeiten anhand von Evaluierungskriterien, Schwellenwerten und Parametern identifiziert werden können. Investoren soll auf diese Weise die Möglichkeit eröffnet werden, in „grüne“ bzw. ökologisch nachhaltige Projekte und Unternehmen investieren zu können bzw. andere zu meiden.
Die Taxonomie-Verordnung verpflichtet Unternehmen, die bereits im Einklang mit den national gefassten Regeln zur Umsetzung der CSR-Richtlinie berichten, zur Angabe des Umfangs ihrer ökologisch nachhaltigen Tätigkeiten. Insofern stellt die EU-Taxonomie eine wesentliche Weiterentwicklung der bestehenden Nachhaltigkeitsberichterstattung dar, indem sie einerseits eine klassische finanzielle Berichterstattung inhaltlich erweitert um eine Betrachtung wirtschaftlicher KPIs unter Nachhaltigkeitsaspekten und andererseits einen einheitlichen Orientierungsmaßstab mit hohem Vergleichbarkeitspotenzial schafft, der eine bewusste Nachhaltigkeitsinvestitionsstrategie fördert und fordert.
Um Wirtschaftstätigkeiten als ökologisch nachhaltig zu klassifizieren, sind folgende vier Voraussetzungen zu erfüllen:
- Ein wesentlicher Beitrag (Substantial Contribution) zu einem Umweltziel
- Keine erhebliche Beeinträchtigung eines anderen Umweltziels (Do no significant harm, „DNSH“)
- Einhaltung internationaler Mindeststandards (Minimum Safeguards) von sozialen und Governance-Aspekten, z.B. der OECD, der ILO oder der International Bill of Human Rights
Die Umweltziele der EU sind:
- Klimaschutz
- Anpassung an den Klimawandel
- Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
- Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
- Minimierung der Umweltverschmutzung
- Ökosysteme/Biodiversität
Die EU-Taxonomie-Verordnung trat am 12. Juli 2020 in Kraft und entfaltet als EU-Verordnung unmittelbare Wirksamkeit in allen Mitgliedsstaaten. Sie findet erstmalig teilweise Anwendung auf Nachhaltigkeitsberichterstattungen, die ab dem 1. Januar 2022 erfolgen. Durch ihre direkte Anknüp-fung an die CSR-Richtlinie in Artikel 8 löst sie weitergehende Berichtspflichten für deutsche Unter-nehmen aus, die nach den §§ 289 b ff. bzw. 315 b f. HGB zur nicht-finanziellen Berichterstattung verpflichtet sind. Der Anteil der ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten wird dabei nach Umsatzerlösen, Investitionsausgaben (Capital Expenditure – CapEx) und Betriebsausgaben (Ope-rating Expenditure – OpEx) bestimmt. Artikel 8 der Taxonomieverordnung knüpft wie gezeigt direkt an die Berichterstattungspflicht der CSR-Richtlinie an. Im Zuge der Überarbeitung dieser Richtlinie (Details siehe im nächsten Abschnitt) wird der Anwenderkreis erheblich ausgeweitet – damit einhergehend auch der Anwenderkreis der EU-Taxonomie.
Zukünftige Berichtsanforderungen gemäß Entwurf der EU Corporate Sustainability Reporting Directive
In ihrem Bestreben, die EU-Richtlinie über die nicht-finanzielle Berichterstattung zu überarbeiten, hat die Europäische Kommission am 21. April 2021 einen Entwurf für eine Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) veröffentlicht.²
Die Zielsetzung der vorgeschlagenen CSRD ist die Verbesserung der Nachhaltigkeitsberichterstattung, um das Potenzial des europäischen Binnenmarktes besser zu nutzen und zum Übergang zu einem vollständig nachhaltigen und inklusiven Wirtschafts- und Finanzsystem im Einklang mit dem europäischen Green Deal und den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung beizutragen. In dem Vorschlag wird auch darauf hingewiesen, dass die Coronavirus-Pandemie den Informationsbedarf der Adressaten beschleunigt hat, insbesondere da sie die Verwundbarkeit der Arbeitnehmerschaft und der Wertschöpfungsketten der Unternehmen gezeigt hat. Die wichtigsten Vorschläge beinhalten eine massive Ausweitung des Anwendungsbereichs der Richtlinie über die nicht-finanzielle Berichterstattung von 11.600 auf ca. 49.000 Unternehmen in der EU, einschließlich ausländischer Tochtergesellschaften.
Nach der CSRD wären folgende Unternehmen berichtspflichtig: alle Unternehmen, die auf einem regulierten EU-Markt notiert sind (mit der Ausnahme von Kleinstunternehmen), und große Unternehmen, die nicht an einem regulierten EU-Markt notiert sind; große Unternehmen sind definiert als solche, die am Bilanzstichtag mindestens zwei der drei folgenden Größenmerkmale überschreiten:
- Bilanzsumme: 20.000.000 EUR
- Nettoumsatzerlöse: 40.000.000 EUR
- Durchschnittliche Zahl der während des Geschäftsjahres Beschäftigten: 250
Um den begrenzten Kapazitäten und Ressourcen der betroffenen KMU Rechnung zu tragen und ihnen ausreichend Zeit für die Vorbereitung auf die erstmalige Anwendung der Anforderungen einzuräumen, sieht der Vorschlag vor, dass diese zum einen gesonderte Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards für KMU nutzen können und zum anderen erst drei Jahre nach Inkrafttreten (also zum 1. Januar 2026) mit der Berichterstattung beginnen müssen.
Unternehmen im Anwendungsbereich der CSRD hätten über Folgendes zu berichten:
- Ihre Geschäftsstrategie
- Die gesetzten Nachhaltigkeitsziele und die Fortschritte auf dem Weg zu deren Erreichung
- Die Rolle der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane in Bezug auf Nachhaltigkeitsfaktoren
- Die Richtlinien und Maßnahmen in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte
- Die bedeutendsten negativen Auswirkungen des Unternehmens auf Nachhaltigkeitsfaktoren
- Die wichtigsten Risiken in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte, einschließlich ihrer wichtigsten Abhängigkeiten von solchen Aspekten
- Wie diese Risiken gesteuert werden und die Art und Weise wie die Informationen, über die berichtet wird, ermittelt wurden
Die CSRD würde Unternehmen dazu verpflichten, qualitative und quantitative, zukunftsgerichtete und rückblickende Informationen sowie solche, die kurz-, mittel- und langfristige Zeithorizonte abdecken, zur Verfügung zu stellen. Sofern angemessen, sollen die Berichtsinhalte auch Informationen über die Wertschöpfungskette des Unternehmens einschließlich der eigenen Geschäftstätigkeit, der Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens, seiner Geschäftsbeziehungen und seiner Lieferkette beinhalten.

Die Informationen müssten verpflichtend als Teil des Lageberichts zur Verfügung gestellt werden, und die Unternehmen müssten unter Verwendung der europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung berichten (die noch entwickelt werden, wobei ein erster Satz von Standards bis Oktober 2022 erwartet wird, ein zweiter ein Jahr später). Die vorgeschlagene CSRD beinhaltet eine verpflichtende Prüfung der bereitgestellten Informationen (begrenzte Sicherheit) und eine verpflichtende digitale Berichterstattung im ESEF-Format mit entsprechender Kennzeichnung der Nachhaltigkeitsinformationen unter Verwendung einer noch zu entwickelnden Taxonomie.
Vorgesehene Inhaltsbereiche der europäischen Nachhaltigkeitsberichtsstandards sind:
- Umweltaspekte: Verlangsamung des Klimawandels; Anpassung an den Klimawandel; Wasser- und Meeresressourcen; Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft; Verschmutzung; Biodiversität und Ökosysteme
- Soziale Aspekte: Chancengleichheit einschließlich: Ausbildung und Qualifikationsentwicklung, Gleichstellung der Geschlechter und gleiches Entgelt für gleiche Arbeit sowie Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen; Arbeitsbedingungen einschließlich: sicherer und anpassungsfähiger Arbeitsplätze, Löhne, sozialer Dialog und Beteiligung der Arbeitnehmer, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie ein gesundes, sicheres und gut angepasstes Arbeitsumfeld; Menschenrechte, Grundfreiheiten, demokratische Grundsätze und Standards
- Unternehmensführungsaspekte: Rolle der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane des Unternehmens, auch im Hinblick auf Nachhaltigkeitsfaktoren, und deren Zusammensetzung; Geschäftsethik und Unternehmenskultur einschließlich Korruptions- und Bestechungsbekämpfung; politisches Engagement des Unternehmens einschließlich seiner Lobbying-Aktivitäten; Steuerung und Qualität der Beziehungen zu Geschäftspartnern einschließlich der Zahlungsbedingungen; interne Kontroll- und Risikomanagementsysteme des Unternehmens in Bezug auf den Berichtsaufstellungsprozess Die Kommission schlägt eine Umsetzung der CSRD in nationales Recht durch die Mitgliedsstaaten bis zum 1. Dezember 2022 vor, sodass die Berichtsanforderungen erstmals für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2023 beginnen, anzuwenden wären.
Der Richtlinientext geht auch auf den Kontext des Vorschlags ein und weist in der einleitenden Begründung insbesondere auf den Vorschlag der IFRS-Stiftung hin, einen neues internationales Sustainability Standards Board einzurichten.
Es gibt bereits eine Reihe von wichtigen internationalen Initiativen. Sie sollen dazu beitragen, die weltweite Konvergenz und Harmonisierung von Nachhaltigkeitsberichtsstandards zu erreichen. [...] EU-Unternehmen und Investoren, die global agieren, werden von dieser Konvergenz und Harmonisierung profitieren. [...] Die Vorschläge der International Financial Reporting Standards Foundation zur Schaffung eines neuen Sustainability Standards Board sind in diesem Zusammenhang besonders relevant, ebenso wie die bereits von etablierten Initiativen geleistete Arbeit [...]. Dieser Vorschlag zielt darauf ab, auf internationalen Initiativen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung aufzubauen und zu ihnen beizutragen.
Das DRSC hat auf die Veröffentlichung des Richtlinienentwurfs, dessen vorgeschlagener Anwendungsbereich gemäß den Ergebnissen der im Februar 2021 veröffentlichten DRSC-Studie bereits in der Anfangsphase die Anzahl berichtspflichtiger Unternehmen in Deutschland um das 30-fache ansteigen lassen würde, mit einer ausführlichen Presseerklärung und einem Briefing Paper reagiert.
Aus den Erfahrungen kapitalmarktorientierter Unternehmen mit der nicht-finanziellen Berichterstattung sowie mit der EU-Taxonomie lässt sich generalisierend ableiten, dass auch nachhaltigkeitsberichtserfahrene Unternehmen erhebliche Anpassungen ihrer Berichtsprozesse vornehmen mussten und noch weitere Anpassungen planen, v.a. um frühzeitige und verlässliche Berichtsinformationen zur Verfügung zu stellen. Extrapoliert man diese Erfahrungen auf den erweiterten Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen nach der CSRD, ist eine baldige intensive Auseinandersetzung mit den Themenkreisen dringend anzuraten.
¹ Vgl. Dingel, S.: EU-Sustainable-Finance-Taxonomie, in: Sustainable Value, Heft 2/2021, S. 3 ff.
² Sustainable finance package | European Commission (europa.eu)
Sebastian Dingel Partner, Audit & Assurance, Deloitte Deutschland
Daniel Oehlmann Senior Manager, Audit & Assurance, Deloitte Deutschland
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