Corporate Governance Inside
Accounting & Tax
Steuern aus Sicht des Aufsichtsrates
Zunehmende Komplexität, ständiger Wandel und der Fokus einer breiteren Öffentlichkeit haben die Unternehmenssteuern zu einem priorisierten Überwachungsfeld des Aufsichtsrates gemacht. Dieser delegiert die angemessenen Überwachungshandlungen regelmäßig an den Prüfungsausschuss.
Neben der Einhaltung steuerlicher Vorschriften, der ordnungsgemäßen Würdigung steuerlicher Sachverhalte mit Auswirkung auf den Jahres- und Konzernabschluss sowie dem Management von Auswirkungen steuerlicher Entwicklungen hat der Prüfungsausschuss nunmehr regelmäßig auch die angemessene Ausgestaltung der innerbetrieblichen Kontrollsysteme für Steuern und die seit Inkrafttreten der EU-Abschlussprüferverordnung – die jüngst durch das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) verschärft wurde – vom Abschlussprüfer erbrachten Steuerberatungsleistungen zu überwachen.
Die zu überwachenden steuerlichen Themenfelder lassen sich wie folgt kategorisieren:
- Abbildung der tatsächlichen und latenten Steuerpositionen im Jahres- und Konzernabschluss einschließlich der steuerlichen Risiken (Tax Accounting)
- Steuerliche Planung des Unternehmens unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen auf europäischer Ebene (insbesondere der OECD)
- Steuerliche Tax-Compliance- und Prozess-Risiken
- Wahrung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers im Hinblick auf die von ihm an die Gesellschaft erbrachten Steuerberatungsleistungen
Bei multinational tätigen Unternehmen sind die steuerlichen Fragestellungen auch auf die ausländischen Tochterunternehmen zu übertragen, sodass sich der Prüfungsausschuss des Mutterunternehmens in diesen Fällen einem erweiterten Überwachungsfeld gegenübersieht.
Bezogen auf die genannten steuerlichen Überwachungsfelder sollte der Prüfungsausschuss die Ziele und Maßnahmen des Vorstands bei wesentlichen steuerlichen Themen, einschließlich der damit verbundenen Risiken und geplanten bzw. getroffenen Maßnahmen zur Verminderung dieser Risiken, kennen und verstehen. Der Einsatz standardisierter Prozesse, z.B. eines konzernweiten Tax-Compliance-Management- oder Risiko-Reporting-Systems, kann dem Prüfungsausschuss dienlich sein, steuerliche Risiken zu erkennen und zu überwachen. In der letzten Ausgabe von „Corporate Govern ance Inside“ wurde bereits dargestellt, wie der Aufsichtsrat die Dokumentation eines Tax-Compliance-Management-Systems (Tax-CMS) nutzen kann, um steuerliche Themen im Unternehmen zu überwachen.
Weitere Informationen kann der Prüfungsausschuss in erster Linie durch die Berichterstattung und die Befragung des Vorstands gewinnen. Als ergänzende Informationsquelle bietet sich auch der Abschlussprüfer der Gesellschaft an, insbesondere mit Blick auf Aspekte der Rechnungslegung. Es kann dabei sinnvoll sein, mit dem Abschlussprüfer steuerliche Fragestellungen wie z.B. die Bestimmung von Verrechnungspreisen als Prüfungsschwerpunkt zu vereinbaren. Außerdem können – in Anwesenheit des Vorstands – der Leiter der internen (Konzern-)Steuerabteilung befragt werden und ggf. zusätzlich ein Vertreter der externen Steuerkanzlei, die die Gesellschaft in steuerlichen Fragen allgemein oder bei speziellen steuerlichen Themenstellungen begleitet. Schließlich können Aspekte der Tax Compliance z.B. im Zusammenhang mit der angewandten Tax Technology auch auf den Prüfungsplan der Internen Revision gesetzt und hierdurch zusätzlicher Aufschluss über mögliche Risiken gewonnen werden. Verfügt eine ausländische Tochtergesellschaft über einen eigenen Prüfungsausschuss, kann von dessen Überwachungstätigkeit ebenfalls Gebrauch gemacht werden. Im Folgenden sollen die aufgezeigten steuerlichen Überwachungsfelder kurz skizziert werden.
Verlässliche Informationen sind notwendige Voraussetzung für die Überwachungstätigkeit des Prüfungsausschusses und gleichzeitig die wohl größte Herausforderung.
Zur Überwachung der steuerlichen Rechnungslegungsrisiken bietet es sich an, eine laufende Einbindung der Steuerfunktion in den Rechnungslegungs- und Abschlusserstellungsprozess zu fordern.

Überwachung der Rechnungslegungsrisiken
Steuerliche Rechnungslegungsrisiken können sowohl aus einer nicht ordnungsgemäßen Abbildung der tatsächlichen und latenten Steuerpositionen in Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung als auch nicht angemessenen Anhangangaben resultieren. Die erhöhte Aufmerksamkeit für steuerliche Anhangangaben ergibt sich nicht zuletzt aus den Verlautbarungen der ESMA von 2019 und 2020, in denen z.B. die Anforderungen an den Nachweis zur Werthaltigkeit aktiver latenter Steuern auf Verlustvorträge konkretisiert werden oder mehr Transparenz im Umgang mit Unsicherheiten bei Anwendung des Ertragsteuerrechts nach IFRIC 23 gefordert wird.
Um Rechnungslegungsrisiken in Bezug auf steuerliche Themen wirksam überwachen zu können, bedarf es eines tiefgreifenden Verständnisses der (globalen) Organisation der Steuerfunktion des Konzerns durch den Prüfungsausschuss. Die Organisation der Steuerfunktion unterliegt – auch befeuert durch die „new ways of working“ in der Corona-Pandemie – einem Wandel von einer traditionellen In-Haus-Steuerabteilung hin zu einem Co-Sourcing- oder Out-Sourcing-Modell unter Einbindung von in- oder externen Shared-Service-Centern sowie der Nutzung von AI-Tax-Tools und Managed-Services-IT-Support. Diese Transformation der Steuerfunktion geht mit neuen Anforderungen an das Personalmanagement der Steuerfunktion einerseits und an das Management der Drittanbieter andererseits einher. Der Prüfungsausschuss sollte eine regelmäßige, institutionalisierte Information zum organisatorischen Aufbau der Steuerfunktion von dieser anfordern und erhalten, idealerweise sowohl schriftlich als auch im persönlichen Gespräch mit der/dem/den Verantwortlichen der Steuerfunktion.
Zur Überwachung der steuerlichen Rechnungslegungsrisiken bietet es sich für den Prüfungsausschuss an, eine laufende Einbindung der Steuerfunktion in den Rechnungslegungs- und Abschlusserstellungsprozess zu fordern. Damit sollte sichergestellt werden können, dass die Steuerfunktion über Geschäftsprozesse mit potenziellen Implikationen für die Berechnung der laufenden und die Abgrenzung der latenten Steuern informiert ist und gleichzeitig die abschlussrelevanten steuerlichen Informationen vollständig und richtig Eingang in den Abschluss finden.
Überwachung der Steuerplanung und ihrer Implementierung
Durch Steuerplanungsmaßnahmen verfolgt die Unternehmensführung grundsätzlich das Ziel, die Steuerbelastung der Gesellschaft zu minimieren. Während Anfang des Jahrtausends noch auf aggressive und risikoreiche Steuerstrategien gesetzt wurde, gerät die Unternehmensführung nunmehr in Erklärungsnöte gegenüber Presse und Politik, wenn die Konzernsteuerquote – als Gradmesser für die Effizienz der Konzernsteuerplanung – „zu niedrig“ ist oder wirtschaftliche Aktivitäten in vermeintlichen Steueroasen ausgeübt werden. Diese Kehrtwende wurde im Wesentlichen durch den 2015 veröffentlichten OECD-Aktionsplan eingeläutet, der sich gegen die Erosion von Steuerbemessungsgrundlagen und die Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting – BEPS) richtet und dessen 15 Maßnahmen seither kontinuierlich konkretisiert und implementiert werden. Die Maßnahmen reichen von der Stärkung der Hinzurechnungsbesteuerung (Anti-Tax Avoidance Directive – ATAD) über die Meldepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen (DAC 6) bis hin zu standardisierten Dokumentationsanforderungen für Verrechnungspreise (Country-by-Country-Reporting).
Nicht zuletzt war es auch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, die jüngst dazu geführt hat, dass europäische Gesellschaften, die zur Veröffentlichung eines Nachhaltigkeitsberichts verpflichtet sind, unter bestimmten Voraussetzungen ihre nachhaltige Steuerstrategie im Rahmen ihrer Berichterstattung entsprechend dem Global Reporting Initiative (GRI) Standard 207 dokumentieren müssen.
Unabhängig von den erhöhten Dokumentations- und Veröffentlichungspflichten, die den Prüfungsausschuss bei seiner Überwachungstätigkeit dienlich sein können, sollte er sich einen möglichst unabhängigen Eindruck von der verfolgten Steuerstrategie und den damit verbundenen Risiken verschaffen. Hierzu gehören insbesondere mögliche Reputationsrisiken, denen bei ersten Anzeichen durch entsprechende Klarstellungen begegnet werden sollte. Ein regelmäßiger Austausch mit dem Konzernsteuerleiter – mindestens jährlich, besser vierteljährlich – sollte hierfür durch den Prüfungsausschuss angestrebt werden. Auch der Austausch mit wesentlichen externen Beratern und dem verantwortlichen Steuerpartner des Abschlussprüfers kann durch den Prüfungsausschuss in Betracht gezogen werden.
Überwachung der Tax-Compliance-Risiken
Der Prüfungsausschuss sollte sich damit beschäftigen, ob und wie die Unternehmensführung ein angemessenes internes Kontrollsystem eingerichtet hat, um Steuerrisiken zu vermeiden oder mit diesen verantwortungsvoll umzugehen. Die vom IDW im Praxishinweis 1/2016 erstmalig formulierten Anforderungen an die ordnungsgemäße Ausgestaltung eines Tax-CMS können für den Prüfungsausschuss hilfreiche Anhaltspunkte bieten, wenngleich sie gesellschaftsspezifisch anzupassen sind. Zur Bestätigung der angemessenen Ausgestaltung und/oder Wirksamkeit des Tax-CMS kann die Gesellschaft ihr Tax-CMS auch nach IDW PS 980 testieren lassen.
Durch das am 1. Juli 2021 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) wird die Bedeutung der Überwachung der internen Steuerungs- und Kontrollsysteme durch den Aufsichtsrat zusätzlich betont. Der Prüfungsausschuss sollte die durch das FISG angestoßene Weiterentwicklung von internen Kontrollsystemen nutzen, um die Governance-Funktion des Aufsichtsrates auch in Bezug auf Unternehmenssteuern noch dezidierter auszuüben. Die Vorlage eines ordnungsgemäßen Tax-CMS, das mit den weiteren unternehmensspezifischen internen Kontroll- und Risikomanagementsystemen verknüpft ist, wäre zu erwägen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich ein Tax-CMS und die darin verankerten Grundsätze neben ihrer Funktion als Präventionsinstrumente auch positiv auf das Gesamtbild der Organisation im Hinblick auf eine nachhaltige Unternehmenspolitik auswirken können, die wie oben dargestellt zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Überwachung der vom Abschlussprüfer erbrachten Steuerberatungsleistungen
Seit Inkrafttreten der EU-Abschlussprüferverordnung (EU-APrVO) werden hohe Ansprüche an die Unabhängigkeit von Abschlussprüfern von Unternehmen des öffentlichen Interesses i.S.d. § 319a HGB (Public Interest Entities – PIE) und ihre Überwachung gestellt. Zu den Maßnahmen zur Wahrung der Unabhängigkeit gehört unter anderem die Überwachung der vom Abschlussprüfer an das zu prüfende Unternehmen erbrachten Steuerberatungsleistungen. Diese gehören nach Art. 5 der EU-APrVO grundsätzlich zu den verbotenen Nichtprüfungsleistungen, können jedoch durch Ausübung des Mitgliedstaatenwahlrechts zugelassen werden. Der deutsche Gesetzgeber hat seine Mitgliedstaatenwahlrechte im Rahmen des Abschlussprüfungsreformgesetzes (AReG) und des Abschlussprüferaufsichtsreformgesetzes (APAReG) ausgeübt und ausgewählte Steuerberatungsleistungen unter bestimmten Voraussetzungen – etwa der Zustimmung durch den Prüfungsausschuss – zugelassen. Mit Inkrafttreten des FISG, welches das Ziel verfolgt, das Vertrauen in den deutschen Finanzmarkt (wieder) zu stärken, wird das bislang ausgeübte Mitgliedstaatenwahlrecht ab dem 1. Januar 2022 aufgehoben, sodass der von der EU vorgegebene Katalog an verbotenen Nichtprüfungsleistungen in Deutschland uneingeschränkt Anwendung findet. Da die Überwachung des Umfangs und der Art der Steuerberatungsleitungen sowie die Dokumentation dem Prüfungsausschuss obliegen, sollten die verbleibenden Wochen des Jahres genutzt werden, um sicherzustellen, dass die vom Abschlussprüfer erbrachten Steuerberatungsleistungen bis zum Ende des Jahres abgeschlossen sind. Um etwaigen Unabhängigkeitskonflikten in der Zukunft proaktiv entgegenzuwirken, bedarf es einer klaren, im besten Fall globalen konzerninternen Richtlinie sowie einer engen Abstimmung mit dem Abschlussprüfer, der gleichermaßen einen Monitoringprozess implementieren sollte.
Dr. Astrid Bregenhorn-Kuhs Partnerin Business Tax Advisory, Deloitte Deutschland
Elisabeth Meyer Director Business Tax Advisory, Deloitte Deutschland
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