Corporate Governance Inside
Die große Disruption
Gasversorgung in der Krise – Energierisiken managen und negative Auswirkungen begrenzen
Der Umgang mit einer angespannten Versorgungslage: Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine ist die hohe Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energieimporten in den Fokus gerückt. Die erheblichen Risiken für den Industriestandort Deutschland sowie die Auswirkungen auf die einzelnen Unternehmen und ihre Zulieferketten werden stärker bewusst und die wirtschaftlichen Folgen spürbar.
Von weiteren Engpässen in der Gasversorgung wird allgemein ausgegangen, wobei selbst die optimistischen Szenarien der Bundesnetzagentur erhebliche Preissteigerungen und eine Reduzierung der Gasversorgung bis hin zur Unterbrechung nicht ausschließen. Zunehmend wird diskutiert, ob sich ein Auffüllen der vorhandenen Gasspeicher und damit die Versorgungssicherheit im kommenden Winter gewährleisten lassen. Die Politik hat die zweite Stufe des Nationalen Notfallplan Gas aktiviert und weitere Maßnahmenpakete angekündigt, um unter anderem den Gasverbrauch in der Industrie nachhaltig zu senken. Sie appelliert zudem eindringlich an alle privaten Haushalte, Energie einzusparen.
Aufgrund der aktuellen Situation und der dynamischen Veränderung der Lage stehen kurzfristige Maßnahmen zur Sicherung der Energieversorgung wie z.B. der Weiterbetrieb der noch am Netz befindlichen AKW, die Einschränkung der Gasverstromung und die Reaktivierung von Kohlekraftwerken im Zentrum der politischen Diskussionen. Sollte es beispielsweise aufgrund von Gaseinsparungen oder Gasallokationen zu Produktionsausfällen in der energieintensiven Grundstoffindustrie kommen, hätte dies unmittelbare Auswirkungen auf die weiteren Wertschöpfungsnetzwerke und -ketten in so gut wie allen Branchen.
Wegen der Gaspreisentwicklung haben Unternehmen bereits begonnen, mit technisch schnell umsetzbaren Möglichkeiten ihre Energieverbräuche zu senken.
Intransparenz in der Supply Chain, insbesondere im Zusammenhang mit den möglichen oder realen Folgen einer reduzierten oder unterbrochenen Gasversorgung sowohl von Zulieferern als auch Abnehmern, verstärkt den Grad der Unsicherheit und Ungewissheit. Eine schnelle und strukturelle Durchdringung von Supply Chains sowie ihren Wechsel- und Rückwirkungen ist wesentlich, wenn nicht sogar kritisch, um Handlungsoptionen zu erarbeiten und über deren Realisierbarkeit entscheiden zu können. Insbesondere produzierende Unternehmen stellen sich vor diesem Hintergrund vermehrt die Frage, welche Alternativen für sie bestehen, um die Abhängigkeit von kritischen Zulieferern oder Abnehmern reduzieren zu können, aber auch um selbst mit eingeschränkter oder unterbrochener Gasversorgung umzugehen. Dies gilt insbesondere auch für Unternehmen, die nicht der kritischen Infrastruktur angehören.
Intransparenzen in der Supply Chain verstärken den Grad der Unsicherheit und Ungewissheit.
Zentrale Fragen in diesem Zusammenhang
Welche Auswirkungen hat der Notfallplan Gas für unser Unternehmen?
- Mit welchen direkten und/oder indirekten Auswirkungen muss unser Unternehmen bei einer Gaszuteilung möglicherweise rechnen?
- Wie verfahren wir als Unternehmen kurz- und mittelfristig bei einer Gasmangellage?
- Welche Lieferverträge kann unser Unternehmen kurz- bis mittelfristig nicht mehr erfüllen und welche konkreten Konsequenzen ergeben sich in diesen Fällen?
- Welche staatlichen Verfahren und Unterstützungsprogramme gibt es, die relevant für unser Unternehmen sind?
- Verfügt unser Unternehmen über entsprechende und vor allem realistische Notbetriebs-, Wiederherstellungs- und Wiederanlaufstrategien?
- Über welche konkrete Risikotoleranz und Risikotragfähigkeit verfügt unser Unternehmen?
- Wie sieht eine Kommunikationsstrategie in dieser Situation aus?
- Können Produktionsprozesse in andere, weniger stark betroffene Länder und Regionen verlegt werden?
- Welche Folgen ergeben sich für die mittel- und langfristige Wachstumsstrategie und das Kundenportfolio?
Welche Alternativen stellen sich für unser Unternehmen, um die Abhängigkeit von Gas in unserem Geschäftsmodell und in unseren Geschäftsprozessen kurz- bis mittelfristig weiter zu reduzieren oder vollends abzubauen?
- Kann unser Unternehmen Gas durch andere Energieträger ersetzen, z. B. Öl, Kohle oder Wasserstoff, und haben wir ausreichende Liefer- und Lagerkapazitäten hierfür?
- Welche kurz- und mittelfristigen Maßnahmen können zur Reduzierung der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern umgesetzt werden?
- Sind diese für unser Unternehmen technisch möglich?
- Welche Förderprogramme kommen für unser Unternehmen infrage und können eventuell genutzt werden?
- Welche Auswirkungen – je nach Energiemix – ergeben sich für die CO2-Bilanz unseres Unternehmens?
- Wie können Arbeitsprozesse gestaltet werden?
Kann sich unser Unternehmen alternative Lieferquellen erschließen?
- Welche Zulieferer sind besonders betroffen und wie kann die erforderliche Transparenz in der Supply Chain hergestellt werden?
- Gibt es alternative Lieferanten in weniger stark betroffenen Ländern und Regionen?
- Welche Folgen hat dies für Transportwege und Logistik?

Was ist zu tun?
- Bestimmung der spezifischen Auswirkungen einer Reduzierung oder Unterbrechung der Gasversorgung auf das Unternehmen
- Bestimmung der spezifischen finanziellen Schäden sowie der Schäden an Produktionsanlagen als Basis der Bedarfsanmeldung an die Bundesnetzagentur
- Transparenz in der Supply Chain über Folgen einer Reduzierung oder Unterbrechung der Gasversorgung – gestaffelt nach Ländern, Regionen und Zulieferern
- Produktionsunterbrechungs- und Wiederanlaufplanung
Erstellung eines konkreten Plans zum Managen der Energierisiken und zur Reduktion der Abhängigkeit vom Energieträger Erdgas sowie Bewertung der damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen
1. Evaluierung der Optionen
Systematische Bewertung der Auswirkungen einer Reduzierung bzw. Unterbrechung der Gasversorgung auf den Produktionsprozess und auf die Zuliefererkette
- Indikative Ermittlung der erwarteten finanziellen und nicht-finanziellen Auswirkungen
- Anpassung des Geschäftsmodells, z.B. Liquiditätsplanung, Remanenzkosten, CO2-Fußabdruck, ESG Impact
2. Entwicklung alternativer Energieversorgungsszenarien für die Aufrechterhaltung der Produktion
Bewertung der kurz-, mittel- und langfristigen Möglichkeiten, den Energieträger Erdgas teilweise oder vollständig zu kompensieren, und alternativer Produktionsmöglichkeiten in weniger stark betroffenen Ländern und Regionen
- Alternative Zuliefermodelle und Bezugsquellen
- Implikationen für die Logistikkette
- Bewertung des CO2-Fußabdrucks der verschiedenen Optionen (alternative Gasquellen, Kohle oder Ölnutzung) und Auswirkungen auf die Erreichung der gesetzten Klimaziele
- Exploration klimafreundlicher Alternativen
3. Begleitung bei der Umsetzung von Maßnahmen
- Zentrales Projektmanagement und Organisation von Workstreams
- Business-Impact-Analyse
- Umsetzung der Maßnahmen
- Kommunikationsstrategie für die interne und externe Kommunikation
Michael Müller Partner, Risk Advisory | Deloitte Deutschland
Jürgen Sandau Partner, Consulting| Deloitte Deutschland
Andreas Faulmann Partner & Sector Lead Power, Utilities & Renewables| Deloitte Deutschland
Markus Groth Director, Risk Advisory | Deloitte Deutschland
Frank Wehrle Director, Risk Advisory | Deloitte Deutschland
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