Corporate Governance Inside
Accounting & Tax
Zwischen Sanktionen und Kursverlusten – Tax-Risiken im neuen Umfeld
Auch aus deutscher ertragsteuerlicher Sicht müssen sich Unternehmen verstärkt mit den Auswirkungen des andauernden Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine auseinandersetzen.
Erhebliche ertragsteuerliche Auswirkungen ergeben sich insbesondere für Unternehmen, die wirtschaftlich Geschäfte in Russland und/oder der Ukraine betreiben. Durch die Sanktionen der Europäischen Union gegenüber Russland ergeben sich Einschränkungen der Geschäftsbeziehungen nach Russland – sofern Unternehmen diese noch erwägen aufrechtzuerhalten. Die wirtschaftliche und politische Situation wirkt sich zunehmend auf Wechselkurse und Rohstoffpreise aus, die Inflation steigt und die Zinsen steigen zum ersten Mal seit Jahrzehnten. Dies betrifft auch Liefer- und Leistungsbeziehungen sowie Finanzierungsbeziehungen innerhalb eines Konzerns. In Bezug auf Forderungen gegenüber russischen oder ukrainischen (Konzern-)Unternehmen stellt sich die Frage, ob diese auf einen niedrigeren Teilwert abzuschreiben sind. Dies wäre dann der Fall, wenn es sich um eine „voraussichtlich dauernde Wertminderung“ handelt. Diese kann dann gegeben sein, wenn die Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit des Schuldners eingeschränkt sind. Im Zusammenhang mit der aktuellen Krise kann ebenfalls diskutiert werden, ob die Wertminderung aus einem besonderen Anlass eintritt und ob die allgemeine wirtschaftliche Lage allein dafür sorgen kann, dass russische oder ukrainische Unternehmen ihre Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen können, weshalb eine voraussichtlich dauernde Wertminderung vorliegt. Bei Darlehensforderungen gegenüber Konzernunternehmen (Beteiligung von mehr als 25% des Darlehensgebers am Darlehensnehmer) ist zu beachten, dass die Beschränkungen des § 8b Abs. 3 KStG unter Umständen greifen, d.h., dass vorgenommene Teilwertabschreibungen steuerlich nicht zu berücksichtigen sind und somit nicht zu einer Minderung des steuerlichen Gewinns führen.
Darüber hinaus können sich im Zusammenhang mit Forderungen gegenüber russischen oder ukrainischen (Konzern-)Unternehmen Verluste aus Kursminderungen des Rubels oder der Hrywnja ergeben. Hier ist aus ertragsteuerlicher Sicht grundsätzlich zu unterscheiden, ob die Fremdwährungsverluste aus einer in Fremdwährung gewährten Forderung oder Verbindlichkeit resultieren. Entstehen die Fremdwährungsverluste aus der Erhöhung einer Verbindlichkeit gegenüber dem ursprünglichen Rückzahlungsbetrag, darf dies steuerlich nur dann berücksichtigt werden, wenn es sich um eine voraussichtlich dauerhafte Teilwertminderung handelt. Bei Fremdwährungsverbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von rund zehn Jahren ist aus Sicht der deutschen Finanzverwaltung nicht jede Kursveränderung als dauerhafte Wertveränderung anzusehen; vielmehr sei davon auszugehen, dass sich Währungsschwankungen grundsätzlich ausgleichen.¹ Eine Ausnahme könne dann gelten, wenn sich die wirtschaftlichen und/oder finanzpolitischen Daten im Verhältnis des Euro zu einem anderen Währungsraum in fundamentaler Weise geändert haben.² Entstehen die Fremdwährungsverluste aus der Minderung einer Forderung, gilt auch hier, dass eine steuerlich wirksame Teilwertabschreibung nur dann vorgenommen werden kann, sofern eine voraussichtlich dauernde Minderung des Teilwerts vorliegt. Hier ist weiterhin zu beachten, dass nach Änderung des § 8b Abs. 3 S. 6 KStG im Rahmen des KöModG vom 25.6.2021 Währungskursverluste im Zusammenhang mit Darlehensforderungen gegenüber Konzernunternehmen nicht mehr als Gewinnminderungen i.S.d. § 8b Abs. 3 KStG gelten und somit nicht mehr per se steuerlich nicht abzugsfähig sind. Die obenstehenden Ausführungen hinsichtlich der dauerhaften Wertminderung bleiben hiervon allerdings unberührt.
Erhebliche ertragsteuerliche Auswirkungen ergeben sich insbesondere für Unternehmen, die wirtschaftlich Geschäfte in Russland und/oder der Ukraine betreiben.
Ertragssteuerliche Risiken könnten sich auch daraus ergeben, dass begonnene Projekte, welche der physischen Anwesenheit in Russland oder der Ukraine bedürfen, nicht beendet werden können

Für Unternehmen, welche Tochtergesellschaften in Russland oder der Ukraine halten, ist nach handelsrechtlichen Grundsätzen zu prüfen, ob der Wert der Beteiligung unter die Anschaffungskosten gesunken ist und damit eine Teilwertabschreibung auf die Beteiligung erforderlich ist. Ertragsteuerlich besteht hier grundsätzlich ein Wahlrecht, ob die Teilwertabschreibung auch nachvollzogen werden soll. Sofern der Gesellschafter eine Kapitalgesellschaft ist, greift der allgemeine Grundsatz, dass eine Teilwertabschreibung zu dem Ergebnis führen könnte, dass die Teilwertabschreibung selbst sich aufgrund des § 8b Abs. 3 S. 3 KStG steuerlich nicht auswirkt, während eine spätere Wertaufholung bzw. ein Gewinn aus der Veräußerung der Beteiligung zu 5 Prozent der Besteuerung mit Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer unterliegt. Ähnliches gilt für Aktien an börsennotierten Gesellschaften. Hier ist allerdings zu beachten, dass eine Abschreibung auf den niedrigen Teilwert nur dann möglich ist, wenn die Bagatellgrenze von 5 Prozent (Differenz zwischen Kurs am Bilanzstichtag und Kurs zum Zeitpunkt des Aktienerwerbs) überschritten wurde. Ertragssteuerliche Risiken könnten sich auch daraus ergeben, dass begonnene Projekte, welche der physischen Anwesenheit in Russland oder der Ukraine bedürfen, nicht beendet werden können. Aufgrund der „Pausierung“ solcher Projekte können sich unter bestimmten Umständen Betriebsstättenrisiken für inländische Unternehmen ergeben. Insbesondere betroffen sind hier Bau- und Montageprojekte, bei welchen die Begründung einer Betriebsstätte in der Regel mit der Überschreitung einer bestimmten Zeitdauer verknüpft ist (z.B. zwölf Monate gem. Art. 5 DBA Russland). Denkbar wären darüber hinaus allerdings auch Betriebsstättenrisiken, welche sich ergeben könnten, sofern einzelnen Arbeitnehmern die Ein- bzw. Ausreise nicht möglich ist und sich daher die Dauer der entsprechenden Tätigkeit auf über zwölf Monate erstreckt. Unternehmen, die aufgrund steigender Rohstoff- und Energiepreise Verluste erwarten, müssen zudem analysieren, ob Rückstellungen für solche Verluste steuerlich anzusetzen sind. Grundsätzlich sind Rückstellungen für Verluste aus schwebenden Geschäften gemäß § 5 Abs. 4a EStG steuerlich nicht zu berücksichtigen. Insoweit sind die Verluste erst im Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen, in dem sich die Verluste realisieren. Den steuerlichen Abzug von Spenden an Kriegsgeschädigte hat die Finanzverwaltung durch verschiedene BMF-Schreiben³ vereinfacht sowie die Auflagen für steuerbegünstigte Körperschaften gelockert, welche Kriegsgeschädigte unterstützen. Zu den Vereinfachungen beim steuerlichen Spendenabzug zählen insbesondere die verringerten Anforderungen an die Spendenbescheinigung, die Möglichkeit einer lohnsteuerbefreiten Spende vom Arbeitslohn oder von einer Aufsichtsratvergütung und der Abzug von Sachspenden bei einer öffentlich wirksamen Spendenaktion. In Fällen der Arbeitslohnspende ist folglich darauf zu achten, dass eine korrekte Berücksichtigung bei der Lohnabrechnung erfolgt.
Kein steuerliches Risiko resultiert zunächst aus der Zurverfügungstellung von Wohnraum an Kriegsflüchtlinge durch Wohnungsunternehmen, welche von der erweiterten Kürzung für die Gewerbesteuer nach § 9 Abs. 1 S. 2 ff GewStG profitieren. Gemäß gleich lautendem Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder vom 31.3.2022 erfolgt seitens der Finanzverwaltung bis zum 31.12.2022 keine Prüfung, ob dies zu einer Gewerblichkeit führt.
Im Ergebnis führen der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen insbesondere für international agierende Unternehmen auch zu deutschen ertragsteuerlichen Konsequenzen. Wichtiges Themenfeld sind hier insbesondere die steuerliche Behandlung von handelsrechtlich vorgenommenen Wertberichtigungen von Forderungen oder Verbindlichkeiten aus Liefer- und Leistungsbeziehungen sowie aus Finanzierungsbeziehungen mit verbundenen Unternehmen in den betroffenen Ländern.
¹ BFH, Urteil vom 23.4.2009 – IV R 62/06.
² BFH, Urteil vom 10.6.2021 – IV R 18/18.
³ BMF-Schreiben vom 17.3.2022 (IV C 4 – S 2223/19/10003 :013), BMF-Schreiben vom 31.3.2022 (IV C 2 – S 1900/22/10045 :001).
Dr. Astrid Bregenhorn-Kuhs Partnerin Business Tax Advisory, Deloitte Deutschland
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