Corporate Governance Inside
Digitale Transformation
Abschlussprüfung in der Ära der digitalen Transformation – Qualitätsfaktoren für Aufsichtsräte
Ein wichtiges Fundament guter Corporate Governance sind qualitativ hochwertige und effiziente Abschlussprüfungen, die den Aufsichtsrat bei seiner Überwachungsaufgabe unterstützen. Die „digitale Transformation“ rückt mehr und mehr in den Fokus der Überwachung als Kern der Aufsichtsratstätigkeit, da immer neue Ausprägungen zu einem permanenten Wandel von Geschäftsmodellen und -prozessen führen.
Die Digitalisierung hat dabei zu einem exponentiellen Wachstum digital verfügbarer Daten über sämtliche Unternehmensaktivitäten geführt. Dieser Datenschatz wird durch den Einsatz innovativer Analysetechniken in Informationen umgewandelt, die in die Steuerungs- und Entscheidungsprozesse im Unternehmen einfließen. Er dient auch dazu, künstliche Intelligenz zu nutzen, deren Aufgabe es ist, diese Steuerungs- und Entscheidungsprozesse zu unterstützen, zu ändern oder sogar ganz zu ersetzen. Die daraus resultierenden Chancen wollen realisiert und Risiken müssen gesteuert werden – Kern der Unternehmensüberwachung in der voranschreitenden digitalen Transformation.
Darum benötigen Aufsichtsräte einen Abschlussprüfer an ihrer Seite, der den Einfluss der digitalen Transformation in der Jahresabschlussprüfung berücksichtigt und damit den Aufsichtsrat bei seiner Unternehmensüberwachung unterstützt.
Innovative Abschlussprüfer verstehen zum einen die Wirkung dieser Transformation im Unternehmen. Sie beurteilen die Verlässlichkeit des im Zuge der Digitalisierung erzeugten Datenschatzes und seine Nutzung in den rechnungslegungsbezogenen Steuerungs- und Entscheidungsprozessen. Werden beispielsweise bewertungsrelevante Zahlungsströme durch KI-gestützte Prognosemodelle ermittelt oder Buchungsentscheidungen aufgrund von Natural-Language-Processing-unterstützter Belegtextanalyse getroffen, werden die dahinterstehenden KI-Systeme und Trainingsdaten selbstverständlich in die Abschlussprüfung einbezogen.
Zum anderen wissen sie darüber hinaus die Digitalisierung zu nutzen, um Prüfungsqualität, -effizienz und letztlich Relevanz für den Aufsichtsrat sicherzustellen – dazu drei Beispiele:
Nutzung digitaler Unternehmensdaten im Dienst der Abschlussprüfung
Mithilfe von Process Mining werden in der Abschlussprüfung Informations- und Werteflüsse ganzheitlich analysiert: Ausgehend von den erfassten Buchungen auf ausgewählten Konten nutzt Deloitte die digitalen Spuren der zugrundeliegenden Transaktionen. Wir rekonstruieren den Pfad der Geschäftsvorfälle durch die IT-Systeme und werten aus, wie die Prozesse durchgeführt wurden, wer involviert war und in welchem Umfang sich Korrekturen oder Abweichungen ergaben. Die Prozessdatenanalyse schafft durch die Komplettbetrachtung aller Transaktionen vollständige Transparenz über die Ist-Prozesse. Durch Abgleich mit vordefinierten Soll-Zuständen erkennen wir den Grad der Konsistenz von Prozessabläufen. Diese Erkenntnisse nutzen wir, spezifische Risiken innerhalb von Prozessabläufen zu identifizieren, uns auf wesentliche Prozessbereiche zu fokussieren und individuelle Prüfungshandlungen zu entwickeln.
Einbindung externer Informationsquellen in die Abschlussprüfung
Neben vollständig digital verfügbaren unternehmensinternen Transaktionsdaten entstehen auch außerhalb des Unternehmens durch die digitale Transformation zunehmend Informationsquellen, die für die Abschlussprüfung herangezogen werden.
Deren Verfügbarkeit in kürzester Zeit, die steigende Granularität der Daten sowie komplexere für die Prüfung nutzbare externe Daten werden vom Abschlussprüfer genutzt, um für die Prüfung von Wertansätzen eigene Erwartungswerte zu formulieren. Zum Beispiel setzt Deloitte für Prüfungen im Investmentmanagement auf weltweit einheitliche, qualitätsgesicherte, dynamische Bewertungsbandbreiten, die für die zu bewertenden Investment-Assets herangezogen werden. Dazu werden Markt- und Stammdaten der weltweit größten Informationsanbieter zur Bewertung von über 5 Millionen Finanzinstrumenten an jedem Bewertungstag durchgeführt und in den Jahresabschlussprüfungen genutzt.

Einsatz künstlicher Intelligenz zur Unterstützung der Abschlussprüfung
Manuelle Erhebung, Strukturierung und Analyse prüfungsrelevanter Daten gehören seit jeher zum Handwerk des Abschlussprüfers. Mithilfe künstlicher Intelligenz vereinfachen und beschleunigen wir diese Arbeiten erheblich, indem wir unseren KI-Lösungen die schnelle Zusammenstellung und Transformation von Daten aus unterschiedlichen Dokumenten überlassen und damit den Abgleich von Informationen effizient vorbereiten. So können wir große, aber unstrukturierte Datenmengen in ihrer Gesamtheit analysieren, Besonderheiten und Auffälligkeiten können gezielt eingegrenzt und in ihrer Bedeutung beurteilt werden. Ein genereller Anwendungsbereich ist dabei das automatisierte Auslesen, Aufbereiten und Vergleichen von Informationen aus Vertragsdokumenten, z.B. Adressen, Handelsbedingungen, Rechnungsbeträgen, Lieferdaten oder Kundennummern. Eine künstliche Intelligenz lernt dabei selbstständig, welche Daten bzw. Passagen in den Dokumenten die gleiche Bedeutung haben, liest sie entsprechend aus und bereitet sie für weitergehende Analysen auf. Auf diese Weise können komplette Absätze mit Vertragsbedingungen aus Verträgen ausgelesen werden, um effizient eine beliebig große Anzahl ähnlich aufgebauter Vertragsdokumente nach definierten Kriterien zu analysieren.
Die digitale Transformation bedeutet somit für die Jahresabschlussprüfung einen tiefgreifenden Wandel mit neuen Möglichkeiten. Mit den verfügbaren digitalen Datenschätzen und dem Einsatz KI-unterstützter Prüfungssoftware lassen sich die zunehmenden Datenmengen mittels Algorithmen durchdringen und Risikoquellen umfassend erkennen. KI-unterstützte Prüfungssoftware wird nicht nur Analysen liefern, sondern auch Schlüsse aus den Daten ziehen. Rohdaten werden automatisiert verarbeitet und ausgewertet.
„Für Deloitte ist diese Technologie mehr als ein Zukunftsthema. Wir setzen sie schon heute ein und investieren umfassend in weitere zukünftige Lösungen“, sagt Christoph Schenk, Managing Partner, Audit & Assurance.
Auch der Prüfungsprozess selbst verändert sich. Über Softwareschnittstellen greifen die Prüfer auf die Daten des Rechnungs- und Finanzwesens zu und unterziehen Geschäftsvorfälle und Buchungen einer kontinuierlichen Überprüfung. Der Einfluss der Digitalisierung auf Steuerungs- und Entscheidungsprozesse im Unternehmen wird dabei umfassend berücksichtigt. Der Prüfungsprozess wird entzerrt, Routineaufgaben fallen weg und der Prüfer hat damit mehr Freiraum für komplexe Bilanzierungs-, Risiko- und Strategiefragen. Mit diesen Erkenntnissen unterstützt der Abschlussprüfer den Aufsichtsrat bei seiner umfassenden Überwachung der digitalen Transformation im Unternehmen.
Auch wenn die Automatisierung weiter voranschreitet, wird die Komplexität der Daten und IT-Landschaften auch künftig nur mit menschlichem Intellekt zu durchdringen sein. Die Kompetenz und die Erfahrung hochqualifizierter Wirtschaftsprüfer werden entscheidend sein, ihr Arbeitsfeld unterliegt aber einem radikalen Wandel. Neue Qualifikationen sind gefragt. Gebraucht werden nicht nur Expertise in den Bereichen Rechnungslegung, Compliance und Risikomanagement, sondern auch die analytischen Fähigkeiten des Data Scientist. Dabei geht es nicht ausschließlich um das Sammeln, Verarbeiten und Analysieren der Daten. Immer wichtiger werden die Interpretation und das Ableiten von Schlussfolgerungen. Das Berufsbild des Wirtschaftsprüfers wird damit noch vielfältiger, komplexer, anspruchsvoller. In diesem Zug gewinnen interdisziplinäre Weiterbildung und Teamarbeit weiter an Bedeutung.
Qualitätsfaktoren der Abschlussprüfung in der Ära der digitalen Transformation
Eine moderne Abschlussprüfung zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass sie die Wirkung der Digitalisierung im Unternehmen erkennt und im Prüfungsvorgehen reflektiert. Dies ist Voraussetzung, um den Aufsichtsrat in seinen Überwachungsaufgaben zu unterstützen.
Darüber hinaus nutzt sie die Möglichkeiten digitaler Technologien, um Qualität und Effizienz sicherzustellen. Dies umfasst insbesondere einen Prüfungsprozess, der risikoorientiert ist und zur Organisation des Unternehmens und seiner Corporate-Governance-Systeme passt. Durch eine vorausschauende Prüfungsplanung, einen passenden Prüfungsansatz und professionelles Projektmanagement wird der Prüfungsfortschritt laufend überwacht, kritische Punkte werden frühzeitig identifiziert, kommuniziert und gelöst.
Die systemische und laufende Übermittlung prüfungsrelevanter Daten dient der intelligenten Entzerrung der Prüfung. Analyseergebnisse können so früh im Prüfungsprozess genutzt werden und der zeitliche Druck zum Geschäftsjahresende wird reduziert.
Der innovative Einsatz moderner Technologie wird aber auch zukünftig nicht die Menschen, ihre Erfahrungen und Ermessensentscheidungen ersetzen, die unsere Prüfungsteams ausmachen. Vielmehr ist die moderne Abschlussprüfung ein koordiniertes Zusammenspiel diverser Fachrichtungen und Experten. Sie verbindet digitale Kompetenz aus verschiedenen Perspektiven, Erfahrung und innovative Technologie zu einer Dienstleistung, die die hohen Qualitätsansprüche der Mandanten und der Öffentlichkeit erfüllt.
Andreas Wermelt Partner & Leiter Audit Transformation | Deloitte Deutschland
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