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Die Digitalisierung des neuen Sustainability- Reportings nach CSRD
Nach langen und intensiven Diskussionen zwischen Europäischer Kommission, Europäischem Parlament und Europäischem Rat wurde die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) am 14. Dezember 2022 im Europäischen Amtsblatt veröffentlicht und ist am 5. Januar 2023 schließlich in Kraft getreten.¹ Die CSRD ist ein zentraler Bestandteil des umfassenden EU-Aktion-Plans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums,² mit dessen Hilfe Kapitalflüsse in nachhaltige Investitionen umgelenkt und Markttransparenz sichergestellt werden sollen. Darüber hinaus ist es Ziel der CSRD, die bestehenden Anforderungen der Non-Financial Reporting Directive (NFRD)³ an die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu erweitern, um das Potenzial der Europäischen Union beim Übergang zu einem vollständig nachhaltigen und integrativen Wirtschafts- und Finanzsystem im Einklang mit dem Europäischen Green Deal und den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung besser nutzen zu können.
Im Zuge des bereits erfolgten Inkrafttretens und des für Richtlinien üblichen 18-monatigen Zeitraums bleibt den EU-Mitgliedsstaaten bis Juli 2024 Zeit, um die CSRD in nationales Recht umzusetzen.⁴ Zu den weitestreichendsten Änderungen der CSRD zählt neben der Ausweitung der Berichtsinhalte auch der Kreis der betroffenen Unternehmen, die über Nachhaltigkeitsinformationen berichten müssen. Während gegenwärtig grundsätzlich nur alle im Sinne der Bilanzrichtlinie großen Unternehmen von öffentlichem Interesse (sog. Public Interest Entities, PIEs) mit mehr als 500 Mitarbeitern verpflichtet sind, eine nichtfinanzielle Erklärung offenzulegen, müssen zukünftig grundsätzlich alle
- großen Unternehmen⁵ (Definition gilt unabhängig von der Kapitalmarktorientierung),
- kapitalmarktorientierten kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU),⁶
- bestimmte außerhalb der EU niedergelassene Unternehmen („third-country undertakings“)⁷ und
- bestimmte kleine, mittelgroße und große Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen
über Nachhaltigkeitsinformationen berichten.⁸ Ersten Schätzungen zufolge wird sich für die Nachhaltigkeitsberichterstattung der Anwenderkreis in Deutschland von 500 auf mindestens 15.000 Unternehmen erhöhen.⁹ Damit ist Deutschland disproportional stärker betroffen als andere EU-Mitgliedsstaaten.
Zur Konkretisierung der geforderten Berichtsinhalte ist die Entwicklung eigener europäischer Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (European Sustainability Reporting Standards (ESRS)) bereits in der Richtlinie angelegt (siehe zu den Inhalten der Standards den nachfolgenden Beitrag).10 Um den enormen Herausforderungen für erstmals im Anwendungsbereich befindliche Unternehmen Rechnung zu tragen, sind innerhalb der CSRD gestaffelte Erstanwendungszeitpunkte implementiert. So gelten die Anforderungen für bereits im Anwendungsbereich der NFRD liegende Unternehmen für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2024 beginnen, während sie für große Unternehmen, die bislang nicht im Anwendungsbereich der NFRD liegen, für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2025 beginnen, einschlägig werden. Betroffene kapitalmarktorientierte KMUs müssen die neuen Anforderungen erstmals für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2026 beginnen, anwenden.¹¹
Weitere Neuerungen umfassen die verpflichtende Berichterstattung als gesonderten Abschnitt im Lagebericht sowie eine externe Prüfungspflicht der Nachhaltigkeitsinformationen, zunächst mit begrenzter Prüfungssicherheit („limited assurance“). Eine Ausweitung der Prüfungstiefe hin zu „hinreichender Sicherheit“ („reasonable assurance“) ist innerhalb der CSRD bereits geplant.
Ein Aspekt, dem bislang von den betroffenen Unternehmen wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird und der auch den Aufsichtsrat beschäftigen sollte, ist die in der CSRD verankerte digitale Berichterstattung der Nachhaltigkeitsinformationen unter Anwendung des europäischen einheitlichen elektronischen Berichtsformats (ESEF, European Single Electronic Format).12 Seit 2020 ist ESEF bereits von Inlandsemittenten i.S.d. § 2 Abs. 14 WpHG für die (IFRS-)Finanzberichterstattung anzuwenden. Dabei hat zum einen die Offenlegung der Jahres-, Einzel- und Konzernabschlüsse, Lage- und Konzernlageberichte sowie Bilanz- und Lageberichtseide gemäß § 328 HGB im XHTML-Format („ESEF-Unterlagen“) zu erfolgen und zum anderen sind die primären Bestandteile der IFRS-Konzernabschlüsse (Bilanz, Gesamtergebnisrechnung, Eigenkapitalveränderungsrechnung und Kapitalflussrechnung) detailliert und seit dem Geschäftsjahr 2022 auch die Bestandteile des Anhangs mittels sog. Blocktagging13 unter Anwendung der iXBRL-Technologie auszuzeichnen. Alle Unternehmen im Anwendungsbereich der CSRD müssen künftig ihren Lagebericht einschließlich des Nachhaltigkeitsberichts ebenfalls im XHTML-Format aufstellen und Nachhaltigkeitsinformationen innerhalb des Konzernlageberichts (bzw. des zusammengefassten Lageberichts) mit einer noch im Entwicklungsstadium befindlichen XBRL-Taxonomie auszeichnen (sog. Tagging).14 Die Offenlegung unter Anwendung von ESEF soll insbesondere die (automatisierte) Analyse und Vergleichbarkeit der Nachhaltigkeitsinformationen ermöglichen.
Durch den erheblich größeren Anwenderkreis der CSRD wird sich eine Vielzahl von Unternehmen aus dem deutschen Mittelstand neben der erstmaligen Nachhaltigkeitsberichterstattung an sich auch erstmals mit ESEF beschäftigen müssen. Für diese Unternehmen wird die digitale Berichterstattung nicht nur bezüglich der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Anforderungen der CSRD eine nicht zu unterschätzende Herausforderung darstellen.
Die Auszeichnung von IFRS-Finanzinformationen mittels einer XBRL-Taxonomie hat die betroffenen Unternehmen vor große technische, inhaltliche und zeitliche Herausforderungen gestellt, die ex ante so nicht absehbar waren. Dies gilt auch für die zunächst trivial erscheinende Auszeichnung von Informationen des Anhangs. Auch wenn sich die Taxonomie zur Auszeichnung von Nachhaltigkeitsinformationen derzeit noch in der Entwicklung befindet, ist davon auszugehen, dass Unternehmen sich hier mit den gleichen technischen Herausforderungen konfrontiert sehen werden. Zudem besteht die Erwartungshaltung, dass die Anforderungen an die Auszeichnung der Informationen deutlich granularer ausfallen könnten, als dies derzeit beim IFRS-Konzernanhang der Fall ist, welcher aktuell mit sog. Blocktags ausgezeichnet wird. Daher müssen Unternehmen, die erstmals den ESEF-Anforderungen unterliegen, frühzeitig den Soll-Prozess der ESEF-Berichterstattung, unter Berücksichtigung intern verfügbarer Ressourcen, definieren.
Ein verhältnismäßig einfach zu implementierender Ansatz, da er ohne signifikante Anpassung der bestehenden Berichtserstellungsprozesse einhergeht, ist der sog. Bolt-on Approach. Hier wird der Lagebericht am Ende des Abschlusserstellungsprozesses nachträglich mit einer separaten ESEF-Software konvertiert und ausgezeichnet. Aufgrund mangelnder XBRL-Kenntnisse der jeweiligen Anwender innerhalb eines Unternehmens und hohen manuellen Aufwands ist mit diesem Ansatz allerdings ein sehr großes Fehlerrisiko verbunden, vor allem zu Beginn. Daher und aufgrund zumeist begrenzt verfügbarer interner Kapazitäten stellt die vollständige Auslagerung der ESEF-Berichtserstellung an einen externen Dienstleister (Outsourcing) voraussichtlich für viele Unternehmen15 auf den ersten Blick eine attraktive Option dar. Allerdings gehen mit diesem Ansatz aufgrund des notwendigen unternehmensspezifischen Know-hows sowie geringer Datenkontinuität ebenfalls ein erhöhter zeitlicher Aufwand und ein hohes Fehlerrisiko einher. Die vollständige Integration des Taggings in den Abschlusserstellungsprozess (sog. Built-in Approach) stellt die nachhaltigste Option dar, ist aber mit zunächst hohem Implementierungsaufwand verbunden. Durch die Verringerung jährlich wiederkehrender manueller Tätigkeiten, eine optimierte Datenkontinuität und positive Synergien bei der eigentlichen Berichtserstellung amortisiert sich dieser Aufwand aber in wenigen Berichtsperioden. Einige Built-in-Lösungen bieten auch die Möglichkeit der Einbeziehung externer Dienstleister, sodass man auch mit dieser Option fehlende interne Kapazitäten und XBRL-Kenntnisse kompensieren kann.
Folglich sollten Aufsichtsräte darauf achten, dass sich betroffene Unternehmen frühzeitig mit der Umsetzung der Nachhaltigkeitsberichterstattung und den künftigen Anforderungen an die digitale Berichterstattung unter sorgfältiger Abwägung der Vor- und Nachteile der jeweiligen Implementierungsansätze und -prozesse zur Auszeichnung von Informationen auseinandersetzen.
1 Siehe dazu Richtlinie 2022/2464/EU Abl. EU Nr. L 322/15. Vgl. auch Schmotz/Lanfermann, WPg 2022, S. 1216.
2 Siehe dazu EU-Kommission, Mitteilung an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums vom 8.3.2018 (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX%3A52018DC0097; Abruf: 3.5.2023).
3 In Deutschland umgesetzt durch das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz.
4 Siehe dazu Richtlinie 2022/2464/EU, Abl. EU Nr. L 322/15, Art. 5 Abs. 1.
5 Gemäß Bilanzrichtlinie 2013/34/EU, Abl. EU Nr. L 182/19, Art. 3 sind große Unternehmen definiert als Unternehmen, die mindestens zwei der nachfolgenden drei Kriterien an mindestens zwei Bilanzstichtagen nacheinander überschreiten: Bilanzsumme > 20 Mio. €, Umsatz > 40 Mio. € und > 250 Mitarbeitende.
6 Mit Ausnahme von Kleinstunternehmen; siehe dazu Richtlinie 2022/2464/EU, Abl. EU Nr. L 322/15, Art. 1 Abs. 1.
7 Diese umfassen Unternehmen außerhalb der EU, deren Wertpapiere an einem organisierten Markt in der EU gehandelt werden oder mit einem Nettoumsatz in der EU von mindestens 150 Mio. € in den letzten beiden Geschäftsjahren und mindestens einem großen oder kapitalmarktorientierten Tochterunternehmen oder einer Zweigniederlassung („branch“) mit einem Nettoumsatz von mindestens 40 Mio. € in der EU. Siehe dazu Richtlinie 2022/2464/EU, Abl. EU Nr. L 322/15, Art. 1 Abs. 14.
8 Gleichwohl sind Befreiungsmöglichkeiten im Konzernverbund unter gewissen Voraussetzungen vorgesehen. Siehe dazu Richtlinie 2022/2464/EU, Abl. EU Nr. L 322/15, Art. 1 Abs. 4 und 7.
9 Siehe dazu Stellungnahme des DRSC vom 06.08.2022 zu den ESRS Exposure Drafts (220806_CL_ASCG_EFRAG_ESRS.pdf (drsc.de).
10 Siehe zu detaillierten Darstellungen der beiden übergreifenden Standards der im November 2022 von EFRAG an die Kommission übergebenen Entwürfe Berger/Kiy/Worret, WPg 2023, S. 282-293. Zu den themenspezifischen Social-Standards siehe Sopp/Sopp, WPg 2023, S. 436-449 und zu dem Governance-Standard Sopp/Rogler, WPg 2023, S. 511-521.
11 Zu detaillierten Informationen hinsichtlich der Erstanwendungszeitpunkte, auch für außerhalb der EU niedergelassene Unternehmen, und der Ausnahmeregelungen siehe Richtlinie 2022/2464/EU, Art. 5.
12 Siehe dazu (Delegierte Verordnung (EU) 2019/815), ABl. L 143.
13 Dies umfasst die Auszeichnung von größeren Mengen an Informationen, wie beispielsweise Beschreibungen von Rechnungslegungsmethoden, Tabellen oder sonstiger Anhanginformationen.
14 Siehe dazu Richtlinie 2022/2464/EU, Abl. EU Nr. L 322/15, Art. 29d Abs. 1 und 2.
15 Insbesondere für nicht-kapitalmarktnotierte große Unternehmen und kapitalmarktorientierte KMUs.
Director Accounting & Reporting Advisory Services | Deloitte Deutschland
Dr. Florian Kiy
Senior Manager IFRS & Corporate Reporting Centre of Excellence| Deloitte Deutschland
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