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Auswirkungen des aktuellen makroökonomischen Umfelds auf den Wertminderungstest nicht-finanzieller Vermögenswerte nach IFRS
Seit über einem Jahr beobachten wir steigende Inflationsraten. Nachdem zunächst die durch die Corona-Pandemie ausgelösten Lieferengpässe ein wesentlicher Kostentreiber waren, hat der Ukrainekrieg seit Februar 2022 und die damit einhergehende Energiekrise diesen Trend nochmal wesentlich verstärkt. Als Reaktion auf diese Entwicklungen hat die Europäische Zentralbank (EZB) seit dem Sommer 2022 den Leitzins nach über einem Jahrzehnt der Nullzinspolitik bereits zwei Mal angehoben. Insbesondere als Folge aus dem Ukrainekonflikt haben sich auch die Renditen für Staatsanleihen im Euroraum deutlich erhöht, was zu einem deutlichen Anstieg des risikolosen Basiszinssatzes in Deutschland geführt hat. Steigende Eigenkapitalkosten und damit einhergehend steigende Gesamtkapitalkosten sind die Konsequenz. Diese Entwicklungen sind unmittelbar bewertungsrelevant und stellen viele Konzerne vor Herausforderungen. Zudem hat die ESMA die Auswirkungen makroökonomischer Rahmenbedingungen auf die Wertminderung nicht-finanzieller Vermögenswerte als einen ihrer Prüfungsschwerpunkte für die Jahresabschlüsse 2022 definiert. Welche Auswirkungen sich konkret auf den Wertminderungstest nach IAS 36 ergeben können und welche Fragen Aufsichtsräte zu den Konzernabschlüssen 2022 stellen sollten, beleuchten wir in dem folgenden Beitrag.
Der Goodwill, alle anderen nicht planmäßig abgeschriebenen immateriellen Vermögenswerte und solche, die noch nicht nutzungsbereit sind, sind gemäß IAS 36.9 und .10 mindestens einmal jährlich und zu jedem Abschlussstichtag auf eine Wertminderung zu prüfen, wenn ein Indikator (so genanntes Triggering Event) darauf hindeutet, dass eine Wertminderung vorliegen könnte. Zusätzlich sind auch Vermögenswerte, die einer planmäßigen Abschreibung unterliegen, gemäß IAS 36.9 zu jedem Abschlussstichtag auf eine Wertminderung zu prüfen, wenn Indikatoren darauf hindeuten, dass eine solche vorliegen könnte.
Der Standard führt in IAS 36.12 eine Vielzahl nicht abschließender interner und externer Faktoren auf, die als Indikatoren für eine Wertminderung dienen können. So sind beispielsweise während der Periode eingetretene „[…] signifikante Veränderungen mit nachteiligen Folgen für das Unternehmen im technischen, marktbezogenen, ökonomischen oder gesetzlichen Umfeld, in dem das Unternehmen tätig ist […]“ oder eine Erhöhung der Marktzinssätze mit Auswirkung auf den Abzinsungssatz Indikatoren, die auf eine Wertminderung von Vermögenswerten hindeuten können.
Im aktuellen Marktumfeld sind die gestiegenen Energiepreise und die steigenden Zinsen eindeutige Indikatoren dafür, dass Unternehmen ihre Vermögenswerte auf Werthaltigkeit überprüfen müssen.
Eine Wertminderung ist dann vorzunehmen, wenn der Buchwert des zu testenden Vermögenswerts oder der Buchwert der so genannten zahlungsmittelgenerierenden Einheit, der ein auf Wertminderung zu testender Vermögenswert oder der Goodwill zugeordnet ist, unter dem höheren Wert aus dem Nutzungswert (der eine weitere Eigennutzung des Vermögenswertes annimmt) und dem beizulegenden Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten (der eine Veräußerung an einen Dritten unterstellt) liegt. Konzeptionell folgt IAS 36 bei der Ermittlung des Nutzungswerts dem Vorgehen bei einer Unternehmensbewertung. In der Praxis wird jedoch auch der beizulegende Zeitwert regelmäßig mit Hilfe eines Discounted-Cashflow-Verfahrens unter Zugrundelegung der auf den Bewertungsstichtag abgezinsten künftigen Zahlungsströme bestimmt. Als Basis für diese Berechnung werden die Planungsrechnungen des Unternehmens herangezogen (und ggf. in Abhängigkeit von dem verwendeten Wertkonzept modifiziert). Diese Planungsrechnungen werden in der Regel unterjährig – meist in der Mitte des Jahres – unter Berücksichtigung der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Marktdaten und darauf basierender Annahmen erstellt. In einem Marktumfeld stetig steigender Preise und Zinsen, stellt dies zum Geschäftsjahresende ein Problem dar, sofern keine Anpassung dieser wesentlichen Parameter vorgenommen wird. Einerseits wirken die steigenden Erzeugerpreise aufgrund der hohen Energiekosten und Lieferkettenunterbrechungen direkt auf die Produktionskosten. Anderseits führen die hohen Inflationsraten zu Forderungen nach Erhöhungen der Vergütung und insofern zu steigenden Personalkosten. Die prozentuale Höhe beider Komponenten ist im derzeitigen Marktumfeld außergewöhnlich und es muss systematisch planerisch analysiert werden, inwieweit dies kurz-, mittel- oder langfristige Wirkungen entfaltet.. In gleicher Weise ist die Fähigkeit des Unternehmens zu analysieren, Preiserhöhungen auch weiterzugeben oder in welcher Weise langfristige Lieferverträge zu einer Margenerosion führen könnten. Bei der Durchführung des Wertminderungstests ist daher zu prüfen, ob die Planungsrechnung die erwarteten Preissteigerungen und die Zinsentwicklung angemessen berücksichtigt. Nachdem der wesentliche Wertbeitrag des Wertminderungstests aus der sogenannten „ewigen Rente“ resultiert (ca.70-80%), also dem Zeitraum nach dem detaillierten Planungszeitraum, ist hier die bislang gewählte Vorgehensweise zur Ableitung kritisch zu hinterfragen. Das nachhaltige Ergebnis, welches bei der Ermittlung der „ewigen Rente“ zugrunde gelegt wird, muss einen Zustand repräsentieren, der ein langfristiges Ergebnisniveau bei definierter Kapazität ausdrückt. Dabei sind die gerade auftretenden Effekte dahingehend zu würdigen, inwieweit diese langfristige Wirkung entfalten oder wieder eine Rückkehr zu Ergebnismargen darstellbar ist, wie sie vielleicht in der Vergangenheit erzielt worden sind. Ein einfaches Fortschreiben des letzten Planjahres, wie es in der Praxis teilweise anzutreffen ist, ist in der aktuellen Situation besonders kritisch zu hinterfragen. Als zweite wesentliche Einflussgröße im Rahmen des Wertminderungstests ist der Kapitalisierungszinssatz vor dem Hintergrund des gestiegenen risikolosen Zinssatzes und den Ergebnissen der Marktanalysen, die derzeit eine Marktrisikoprämie am oberen Ende der Bandbreite der Empfehlungen des IDW (6%-8% vor Steuern) indizieren. Die damit einhergehende Steigerung der Eigenkapitalkosten sowie der durch den Zinsanstieg zu erwartenden höheren Fremdkapitalkosten ist unbeachtlich der aktuellen Entwicklung nach den etablierten Methoden hergeleitet werden muss. Die Volatilitäten an den Kapitalmärkten sind derzeit teilweise erheblich, was auch zu deutlichen Änderungen aus diesen abgeleiteten Risikoparameter führen kann. Es ist zu erwarten, dass der Kapitalkostensatz im Vergleich zum Vorjahr (deutlich) höher ist. Damit sinken tendenziell die ermittelten Barwerte und folglich steigt auch das Risiko einer Wertminderung. Über erweiterte Szenario-Analysen für wesentliche Planannahmen (wie z.B. auch Rohstoff- und Energiepreise) sollten frühzeitig mögliche Effekte analysiert werden.
Aufsichtsräte sollten kritisch hinterfragen, ob diesen Entwicklungen in den Konzernabschlüssen 2022 ausreichend Rechnung getragen wurde. Mögliche Fragen sind hier:
- Wurden alle Indikatoren für eine mögliche Wertminderung von Vermögenswerten ausreichend gewürdigt und dokumentiert?
- Wurde ein erhöhtes Augenmerk auf Konsistenz der Annahmen zur Preisentwicklung in Planungsrechnung, nachhaltigem Ergebnis, nachhaltiger Wachstumsrate und Kapitalkosten gelegt?
- Bewegen sich die in den Szenario-Analysen verwendeten wesentlichen Annahmen in einer plausiblen Bandbreite und ist die Berichterstattung dazu im Anhang angemessen?
- Wurden die erwarteten Preissteigerungen und die steigenden Zinsen in der Planungsrechnung reflektiert und welche Auswirkungen ergeben sich mittel bis langfristig daraus?
- Wie wurde das nachhaltige Ergebnis ermittelt und welche Annahmen wurden dafür getroffen?
- Wurde der Kapitalisierungszinssatz korrekt ermittelt?
Head of Accounting & Reporting Advisory Services, Deloitte Deutschland
Valuation Partner| Financial Advisory, Deloitte Deutschland
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