Corporate Governance Inside
Accounting & Tax
Strom- und Energiesteuer als Lenkungssteuern?
Die Gas- und Energiekrise stellt Unternehmen und natürliche Personen (gleichermaßen) vor verschiedene Herausforderungen und Einschränkungen. Diese sind oft in erster Linie wirtschaftlicher, d.h. finanzieller Natur. Allerdings erhöht sich auch der gesellschaftliche Druck nach einem „gemeinsamen Energiesparen“ weiter. Energiesparen sollte dann nicht nur der Senkung der (unternehmens)eigenen Kosten dienen, sondern auch dazu beitragen, dass vorhandene Reserven für die gesamte Republik ausreichen. Hinter dem gleichen Ziel, weniger Energie zu verbrauchen, stecken also verschiedene Motivationen.
Auch das Steuerrecht unterscheidet zwischen Steuernormen, welche primär der Einnahmenerzielung des Staates dienen sollen (sogenannte Fiskalzwecknormen), und solchen, bei denen die Einnahmenerzielung nur Nebenzweck ist, da Förderungs- und Lenkungsziele im Vordergrund stehen (sogenannte Lenkungs- bzw. Sozialzwecknormen). Natürlich lassen sich viele Steuernormen nicht ausschließlich der einen oder anderen Normengruppe zuordnen, da sie oftmals gleichzeitig Fiskal- und Lenkungszwecken dienen.¹
Strom- und Energiesteuer dienen unstrittig bereits seit ihrer Einführung einem umweltpolitischen Lenkungsziel.² Im Laufe der Jahre haben sie zunehmend klimapolitische Bedeutung erhalten. Zielsetzungen waren zunächst klar die Einsparung des Energieverbrauchs sowie die Umstellung auf erneuerbare Energien, um der Klimakrise und globalen Erwärmung gegenzusteuern. Gemäß einer Studie des Umweltbundesamtes wurde dies auch erreicht, da die Mehrzahl der Bürger ihren Energieverbrauch verringerte.
Die aktuellen Entwicklungen stellen den Gesetzgeber nun vor eine neue Herausforderung und insbesondere vor einen Widerspruch: Während die Einsparung von Energie und verfügbaren Ressourcen nun an neuer Bedeutung gewonnen hat, fordern Steuerpflichtige verstärkt Steuererleichterungen, um die gestiegenen Energiepreise und die damit verbundene finanzielle Belastung zu kompensieren. Sofern die Energieeinsparung im Vordergrund stehen sollte, müsste eine Lenkungszwecknorm eine höhere Belastung für Steuerpflichtige vorsehen, welche mehr Energie verbrauchen. Eine Reduzierung der Kosten wiederum würde durch eine Absenkung der Steuerbelastung erreicht werden. Dies wurde kürzlich eingesetzt, zuletzt u.a. durch die temporäre Absenkung des Energiesteuersatzes, unter anderem auf Kraftöle und Strom.³
Kritik an der Eignung der Absenkung des Energiesteuersatzes als Lenkungsnorm wurde durch Literatur und Wirtschaft bereits geäußert. Zum einen wird thematisiert, dass der Spitzenausgleich eine sogenannte Fallbeil-Regelung praktiziere, die Unternehmen dazu incentiviere, ihren Energieverbrauch erkennbar über dem Schwellenwert für die Vergünstigung zu halten. Dies widerspricht dem Lenkungszweck der Energieeinsparung. Zum anderen wird kritisiert, dass der Spitzenausgleich im Allgemeinen zu wenig auf politische Klimaziele ausgerichtet sei.
Gleichzeitig verdeutlicht sich der Widerspruch weiter, wenn man Lenkungszwecknormen, bei denen qualitative Werte wie Nachhaltigkeit im Vordergrund stehen sollen, am für die Besteuerung fundamental bedeutenden Leistungsfähigkeitsprinzip misst.⁴ Während sich dies in der Regel an klar messbaren und abgrenzbaren Merkmalen wie der Höhe des Einkommens orientiert, sind Werte wie Nachhaltigkeit oder auch gemeinschaftliches Energiesparen deutlich schwieriger auf Ebene des einzelnen Steuerpflichtigen messbar. Zudem stellt sich die Frage, ob das Leistungsfähigkeitsprinzip solchen qualitativen Werten stets übergeordnet bleibt. Eine Durchbrechung des Prinzips der finanziellen Leistungsfähigkeit bedarf einer besonderen Rechtfertigung. Eine solche könnte in der Wahrung oder Verbesserung des Allgemeinwohls bestehen.

Problematisch kann dies in zwei Fällen werden. Erstens, wenn die Lenkungsfunktion sich auf steuerentlastende Maßnahmen konzentriert, zum Beispiel um die Belastung durch gestiegene Energiepreise abzumildern, obwohl der Steuerpflichtige aufgrund seiner persönlichen Leistungsfähigkeit die gestiegene finanzielle Belastung auch ohne Steuerentlastung tragen könnte. Zweitens, wenn die Lenkungsfunktion sich auf steuererhöhende Maßnahmen konzentriert, zum Beispiel um einen niedrigeren Verbrauch zu incentivieren, obwohl der Steuerpflichtige aufgrund seiner persönlichen Leistungsfähigkeit die finanzielle Mehrbelastung nicht tragen könnte.
Eine selektive Anwendung von entsprechenden Lenkungszwecknormen auf Steuerpflichtige ab oder bis zu einem bestimmten Einkommen müsste wiederum der Prüfung der gleichmäßigen Besteuerung, der Prüfung einer potenziellen Beihilfe oder der Prüfung einer potenziellen Übermaßbesteuerung standhalten.
Wichtiger Aspekt bei Steuerlenkungsnormen bleiben auch potenzielle Ausweich- oder Vermeidungseffekte, welche bei Steuererhöhungen zu beobachten sind. Klassisches Beispiel hierfür ist die in einigen Ländern eingeführte Zuckersteuer, welche in vielen Fällen dazu führte, dass Konsumenten lediglich auf günstigere zuckerhaltige Produkte zurückgegriffen, statt den Konsum einzuschränken.⁵ Hinsichtlich der Strom- und Energiesteuer ist allerdings grundsätzlich ein milderer Ausweich- oder Vermeidungseffekte zu erwarten, da eine Substitution durch den einzelnen Steuerpflichtigen nur durch erhöhten Aufwand möglich ist.
Zusammenfassend sind beim Einsatz der Strom- und Energiesteuer als Lenkungssteuer insbesondere die verfassungsrechtlichen Grenzen der Besteuerung zu beachten. Steuerpolitisch steht der Gesetzgeber vor der Herausforderung, dass qualitative Lenkungsziele wie Nachhaltigkeit gegenüber der finanziellen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen abgewogen werden müssen. Diese Abwägung hat durch die Gas- und Energiekrise und die damit verbundenen steigenden Preise um ein Vielfaches an Bedeutung gewonnen. Neuerdings kann auch in Erwägung gezogen werden, ob ein „kollektives Energiesparen zur Schonung der bundesweiten Energiereserven“ als Lenkungsziel für eine Steuernorm qualifiziert.
Derweil hat der Gesetzgeber nach langer Diskussion den EU-Energiekrisenbeitrag durch das Jahressteuergesetz 2022 eingeführt. Der EU-Energiekrisenbeitrag beträgt 33 Prozent der sog. Übergewinne und findet auf die Gewinne aus Tätigkeiten im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich der Jahre 2022 und 2023 Anwendung, welche 20% über dem durchschnittlichen Gewinn der letzten Jahre liegen. Die lenkungspolitische Begründung hierfür ist, dass die Energiekrise mit der Verknappung des Energieangebots und dem Anstieg der Energiepreise zu deutlich gestiegenen Gewinnen im Energiesektor geführt hat, ohne dass es hierzu wesentlicher Kostensteigerungen oder entsprechender Innovationen bei den energieerzeugenden Unternehmen bedurft hätte. Es sei aus Sicht des Gesetzgebers daher ein Gebot der Gerechtigkeit die so definierten Übergewinne abzuschöpfen, um mit diesen Mitteln die politisch durch den Staat beschlossenen, umfangreichen Unterstützungsleistungen für Haushalte und Industrie, um ihnen die Bezahlung ihrer Energiepreisrechnungen zu erleichtern, zu finanzieren.
¹ Sog. Mehrfachzwecknormen, vgl. Koenig/Koenig, § 3 AO Rn. 25; HHSp § 3 Rn. 102 f.
² Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform v. 24.3.1999 (BGBl. 1999 I 378).
³ Gesetz zur Änderung des Energiesteuergesetzes zur temporären Absenkung der Energiesteuer für Kraftstoffe.
⁴ Ausführliche Betrachtung durch Horstmann, IStR 2022, 349.
⁵ WD 5 – 3000 – 064/18.
Dr. Astrid Bregenhorn-Kuhs Partnerin Business Tax Advisory, Deloitte Deutschland
Anna-Katharina Schwandowski Managerin Business Tax Advisory, Deloitte Deutschland
Hier können Sie das ganze Magazin als PDF herunterladen:
Teilen Sie diesen Artikel: