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Accounting & Tax


Der Ertrags­steuer­infor­ma­tions­bericht

Neue Prüfungspflicht für Aufsichtsräte und neue strategische Herausforderung an die externe Kommunikation zu Ertragsteuern für den Vorstand

Viele Großkonzerne erstellen bereits einen länder­bezogenen Bericht für die Steuer­verwaltung. Der neue Ertragsteuer­infor­mations­bericht erfordert für alle nach dem 21. Juni 2024 beginnenden Geschäfts­jahre nun auch mehr externe Transparenz zu Ertragsteuern. Spätestens ab dem Geschäfts­jahr 2025 sind viele Vorstände verpflichtet, dem Aufsichtsrat den Ertrag­steuer­informationsbericht zur inhaltlichen Prüfung vorzulegen, der damit (erneut) mit einer Ausweitung seiner Prüfungs­pflichten konfron­tiert wird. Dieser Beitrag gibt einen Kurzüberblick zum Ertragsteuer­informations­­bericht, fasst das EU-Formblatt zusammen, erläutert die Prüfungs­pflicht des Aufsichtsrats und gibt erste Praxiser­fahrungen weiter. EU-Richtlinie und deutsches Umsetzungs­gesetz Seit der lokalen Umsetzung der EU-Richtlinie 2021/2101 (EU Public Country-by-Country Reporting; nachfolgend EU Public CbCR)1 in den §§ 342 bis 342p HGB sind Großkonzerne mit Sitz in der EU (§ 342 Abs. 1 HBG) und vergleichbar große Drittstaatenkonzerne mit einer materiellen EU-Präsenz (§ 342 Abs. 2 HBG) verpflichtet, einen Ertragsteuerinformationsbericht (nachfolgend EIB) zu erstellen.2 Der EIB gilt in Deutschland nur für Kapitalgesellschaften und haftungs­beschränkte Personengesellschaften (§ 342 Abs. 1 HGB). Ausgenommen sind viele CRR-Kredit­institute und große Wertpapierinstitute (§ 342b Abs. 2 HGB). Die Anwendung erfolgt für alle nach dem 21. Juni 2024 beginnenden Geschäfts­jahre (Art. 90 Abs. 1 EGHGB). Ziel des EIB ist, eine informierte öffentliche Debatte darüber zu ermöglichen, ob umsatzstarke multinationale Konzerne ihre Ertragsteuern dort zahlen, wo sie tätig sind und ihre Gewinne erwirtschaften.3 Der EIB kann durch Wahlrechtsausübung (§ 342h Abs. 4 HGB) aus dem von den meisten betroffenen Konzernen bereits erstellten länder­bezogenen Bericht (§ 138a AO; nachfolgend OECD CbCR) abgeleitet werden. Möglich wäre auch eine Neuaufstellung aus dem Konzern­abschluss, was aber nur wenige Konzerne in Betracht ziehen werden. Der EIB ist als EU-Formblatt in deutscher Sprache binnen zwölf Monaten nach dem Ende des Geschäftsjahres im Unternehmensregister zu veröffentlichen (§ 342l HGB). In Deutschland muss im Internet nur ein Hinweis auf die Veröffentlichung des EU-Form­blatts im Unternehmensregister erfolgen (sog. website exemption; § 342n HGB). Eine umfassen­dere (freiwillige) Internetoffenlegung ist jedoch möglich. Bei Non-Compliance drohen (hohe) Buß- und Ordnungsgelder von bis zu 250.000 € pro Verstoß (§§ 342o, 342p HGB). Umfang der neuen externen Bericht­erstattung Die im EIB zu veröffentlichenden Finanzdaten und Informationen ergeben sich aus dem EU-Formblatt. Die Daten umfassen – für jede offenzulegende Jurisdiktion – u.a. die Brutto­wert­schöpfung, das Ergebnis vor Steuern, die zurückgestellten laufenden Ertragsteuern, die gezahlten laufenden Ertragsteuern, die Zahl der Mitarbeitenden und die Art der Geschäfts­tätigkeiten (§ 342h Abs. 2 HGB). Die zu veröffent­lichenden Angaben sind jurisdiktions­bezogen für alle EU-Staaten und EWR-Staaten (§ 342i Abs. 1 Nr. 1 HGB) sowie für alle nicht kooperativen Länder und Gebiete (§ 342i Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 HGB) zu veröffent­lichen (z.B. Russland, Türkei). Betroffene Konzerne sollten zudem prüfen, ob sie für ihre Geschäftsjahre ab dem 1. Juli 2024 nicht nur dem (neuen) EIB in der EU, sondern ggf. parallel auch noch dem (neuen) Australian Public CbCR unterliegen, das eine jurisdiktionsbezogene Offenlegung u.a. auch für die Schweiz erfordert. Prüfung des Ertragsteuer­informations­berichts Die handelsrechtliche Einzelabschlussprüfung umfasst nur die Prüfung, ob eine Gesellschaft zur Erstellung und Offenlegung des EIB verpflichtet war und – falls ja – ob die Offenlegung im Unternehmensregister erfolgt ist (§ 317 Abs. 3b HGB). Über das Ergebnis beider Prüfungen ist im Bestätigungsvermerk in einem neuen Abschnitt zu berichten (§ 322 Abs. 1 Satz 4 HGB). Für den Konzernabschlussprüfer ergeben sich keine neuen Prüfungs- oder Berichtspflichten. Der Aufsichtsrat einer AG oder KGaA oder das Aufsichts- oder Verwaltungsorgan einer SE muss den EIB-Datensatz und die ggf. erforderliche Erklärung über einen EIB-Datensatz inhaltlich prüfen (§ 171 Abs. 1 Satz 4 AktG, § 47 Abs. 4a SEAG). Entsprechendes gilt auch für GmbHs mit einem fakultativen Aufsichtsrat (§ 52 Abs. 1 GmbHG) oder einem mitbestimmungsrechtlich obligatorischen Aufsichtsrat (§ 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG). Ein vom Aufsichtsrat oder Verwaltungsrat bestellter Prüfungsausschuss kann zwar vorbereitende Prüfungshandlungen übernehmen, die abschließende Prüfung und Beschlussfassung zum EIB müssen jedoch beim Aufsichtsrat verbleiben (§ 107 Abs. 3 Satz 7 i.V.m. § 171 Abs. 1 AktG).4 Eine Prüfung des EIB durch den Aufsichtsrat setzt voraus, dass er mit dem Ist-Prozess zur Erstellung des OECD CbCR sowie dem EU-Formblatt vertraut ist und dessen Ableitung aus dem OECD CbCR fachlich, technisch und prozessual beurteilen kann. Viele Aufsichtsräte verfügen nicht über das notwendige Wissen oder angemessene zeitliche, sachliche und personelle Ressourcen zur EIB-Prüfung. Wegen der für den Aufsichtsrat bestehenden Haftungsrisiken (§ 93 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 1 AktG) kann es deshalb empfehlenswert sein, eine externe EIB-Prüfung durch einen fachkundigen Dritten zu beauftragen.5 Die Prüfung des EIB durch einen fachkundigen Dritten sollte mindestens die Vollständigkeit der Pflichtangaben und deren ordnungsgemäße Darstellung und Überleitung in das EU-Formblatt umfassen. Daneben könnte eine Prüfung des Prozesses zur Erstellung des EIB und ggf. auch der tedfgchnologischen Ausgestaltung beauftragt werden, etwa nach einem geltenden Prüfungs-standard (z.B. ISAE 3000 rev.). Im Jahr der Erstanwendung sollte eine Prüfung des Pro-zesses zum EIB in Erwägung gezogen werden.6

­Erste praktische Erfahrungen Rumänien hat den EIB bereits ab dem Geschäftsjahr 2023 – beschränkt auf rumänische EU-Konzerne und Drittstaatenkonzerne mit einer materiellen Präsenz in Rumänien – umgesetzt.7 Fast zwei Drittel (60%) der offengelegten 137 EIB entsprachen der EU-Richtlinie. Einige Konzerne veröffentlichten (freiwillig) sogar mehr länderbezogene Daten. Konzerne aus Japan und Großbritannien waren überdurchschnittlich (75%) sowie Konzerne aus der Schweiz (44%) und den USA (43%) unterdurchschnittlich transparent. Einige Sektoren zeigten eine auffallend unterdurchschnittliche Transparenz. Eine nicht veröffentlichte Analyse von 45 EIB durch Deloitte Rumänien im April 2025 zeigte, dass zwölf Konzerne (25%) sich für das (temporäre) Weglassen nachteiliger Angaben (§ 342k Abs. 1 HGB analog) entschieden und dieses begründeten (§ 342k Abs. 2 HGB analog); vier Konzerne gaben keine Begründung an, was gegen die EU-Richtlinie verstößt. Wichtig ist, dass die Erfahrungen aus Rumänien – wegen der kleinen Grundgesamtheit (137 EIB-Datensätze), der Erstanwendung und lokaler Besonderheiten – nicht direkt auf Deutschland übertragen werden können. In Deutschland unterliegen ca. 600 deutsche Konzerne ab dem Geschäftsjahr 2025 dem EIB. Hinzu kommen wohl auch noch ca. 1.000 Drittstaaten-Konzerne (z.B. Schweiz, Japan, USA) mit einer materiellen deutschen Präsenz, die ihr EU-Formblatt ebenfalls (freiwillig) im Unternehmensregister offenlegen werden. Es lassen sich aus Rumänien aber schon erste Erkenntnisse zu den Transparenzauswirkungen ableiten. Ausblick zur Transparenz Das EU-Formblatt erlaubt keine individuellen Erweiterungen und fast keine individuellen Erläuterungen von erklärungs­­bedürftigen EIB-Inhalten. Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn das bloße Zahlenwerk möglicherweise einen Raum für (negative) Interpretation bietet (z.B. Branchenspezifika, Präsenz in Russland) oder wenn mit einem kritischen externen Adressatenkreis zu rechnen ist (z.B. Aktivisten, Presse, Investoren). Um eine objektive datengestützte Entscheidungs-grundlage zu ggf. erläuterungsbedürftigen Inhalten und für die Planung der externen Strategie zu haben, sollten betroffene Konzerne zeitnah aus ihrem letzten länderbezogenen Bericht, der (noch) nicht als EIB extern veröffentlicht werden muss (z.B. OECD CbCR 2023, spätestens OECD CbCR 2024), ein Test-EU-Formblatt selbst erstellen oder extern erstellen lassen. Um möglichen Fehlinterpretationen der Inhalte ihres EU-Formblatts Einhalt zu gebieten, beabsichtigen viele betroffene Konzerne, ihre EIB-Inhalte zu kontextualisieren. Dies kann durch eine (freiwillige) erweiterte Internetoffenlegung (§ 342n HGB) entweder in einem eigenständigen (neuen) Bericht oder durch die Integration der Inhalte des EU-Formblatts in eine bestehende oder neue externe Berichterstattung (z.B. allgemeines Investorreporting, Nachhaltig-keitsberichterstattung, Tax-Transparency-Report o.Ä.) erfolgen. Es bleibt abzuwarten, welche Form der Veröffentlichung zum EIB sich in welcher Branche durchsetzt und welche Transparenz die Konzerne im Falle freiwilliger Erläuterungen an den Tag legen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die betroffenen Konzerne im Vorhinein nicht abschätzen können, wie transparent oder intransparent andere lokale oder globale Mitbewerber ihrer eigenen Branche oder aus ähnlichen Branchen berichten werden. Außerdem können betroffene Konzerne immer erst im folgenden Geschäftsjahr auf mehr oder weniger Transparenz ihrer direkten Mitbewerber reagieren. Dies sollte bei der Planung der externen Kommunikationsstrategie berück-sichtigt und durch Peer Reviews adressiert werden. Fazit Die Herausforderungen aus dem neuen EIB reichen von Compliance-Risiken über Reputationsschäden bis hin zu persön­lichen Haftungsrisiken für den Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat sollte sicherstellen, dass die gesetzlichen Vertreter frühzeitig einen stabilen Prozess zum EIB aufbauen, um prozessuale Schwachstellen sowie erklärungsbedürftige Inhalte zu identifizieren und die externe EIB-Kommunikationsstrategie festzulegen. In vielen Fällen wird die inhaltliche Prüfung des EIB durch einen fachkundigen Dritten für den Aufsichtsrat empfehlenswert sein.

[1] Vgl. Richtlinie (EU) 2021/2101 vom 24.11.2021 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Offenlegung von Ertragsteuerinformationen durch bestimmte Unternehmen und Zweigniederlassungen, ABl. EU Nr. L 429/1 vom 01.12.2021.

[2] Vgl. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/2101 im Hinblick auf die Offenlegung von Ertragsteuerinformationen durch bestimmte Unternehmen und Zweigniederlassungen sowie zur Änderung des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes und des Pflichtversicherungsgesetzes, BGBl. 2023 I Nr. 154 vom 21.6.2023.

[3] Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/2101 im Hinblick auf die Offenlegung von Ertragsteuerinformationen durch bestimmte Unternehmen und Zweigniederlassungen, BT-Drucks. 20/5653 S. 28.

[4] Vgl. Bregenhorn-Kuhs/Tedesco, Steuern – Ertragsteuerinformationsbericht, in: Buhleier/Probst/Schenk, Der Prüfungsausschuss des Aufsichtsrates, 5. Aufl., Kap. V (erscheint 2026) m.W.N.

[5] Vgl. Hennrichs/Pöschke, in: Münchener Kommentar zum AktG, 6. Aufl. 2024, § 171 Rz. 103.

[6] Vgl. Buhleier/Kowallik/Tedesco, BOARD 2025, S. 135 (137 f.) m.w.N.

[7] Vgl. Fair Tax Foundation, Latest analysis of corporate compliance with EU pCbCR Directive (July 1, 2025), abgerufen am 16.10.2025.

StB Dr. Andreas Kowallik Partner | Tax Technology Consulting | Deloitte Deutschland

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WP/StB Elisabeth Tedesco Director | Tax & Legal | Deloitte Deutschland

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