Corporate Governance Inside

Herausforderung Unternehmensüber­wachung heute


ESG Governance

Wie die Transformation von der Berichterstattung zur Steuerung gelingen kann

Was ursprünglich als regulatorisch-technische Pflichtübung im Rahmen der CSRD begann, entwickelt sich zunehmend zu einem strategischen Analyseinstrument.

In Zeiten von „Entbürokratisierung“ und agilem Manage­ment wirft der vorliegende Artikel ein Licht auf die verknüpfende Perspektive der ESG Governance. Dieser Begriff reflektiert dabei eine Unter­menge der Corporate Governance und fokussiert neben klassi­schen finanziellen Einflussgrößen insbesondere Risiko- und Erfolgsfaktoren von Umwelt- (E), Sozial- (S) und Goverance- (G) Aspekten. Über eine Betrachtung der aktuellen regulatorischen Spannungsfelder und eine formale Einordnung des Governance-Begriffs werden insbesondere die strategische Bedeutung und die operative Umsetzungskraft für nicht-finanzielle Entscheidungs­felder hervorgehoben. Im Fokus steht der Grund­gedanke, dass ESG Governance sowohl eine effektive Fokussierung auf strategische Handlungsfelder unterstützt als auch eine robuste Prozess­imple­men­tierung als Grund­pfeiler für eine effektive Steuerung vorantreibt. 1. ESG im geopolitischen und regulatorischen Spannungsfeld Die ESG-Berichterstattung steht im Spannungsfeld zwischen ambitionierten regulatorischen Vorgaben und geopolitischen Unsicherheiten. Während die EU mit der CSRD und den ESRS initial einen umfassenden Rahmen für Nachhaltigkeitsinformationen geschaffen hat, zeigen sich seit Beginn des Jahres 2025 sowohl auf europäischer Ebene wie auch international unterschiedliche Tendenzen:

- Auf europäischer Ebene forcierte die EU-Kommission als Reaktion auf den sogenannten Draghi-Report zur Wettbewerbsfähigkeit der EU umfangreiche Simplifizierungspakete (sogenannte Omnibus-Initiativen).

- Unter der neuen US-amerikanischen Administration wurden verschiedene Maßnahmen der Vorgängerregierung zurück­genommen bzw. gegenläufige Entscheidungen getroffen. Dies umfasst beispielsweise den Austritt aus dem Pariser Klimaschutz­­­abkommen. Im Rahmen laufender Zollverhandlungen wurden in Richtung der EU-Kommission zudem entsprechen­de Forderungen zur Entlastung US-amerikanischer Unternehmen beispielsweise in Bezug auf die EU-Entwaldungsverordung (EUDR) oder der euro­pä­ischen Sorgfalts­pflichten­verordnung (CSDDD) gestellt.

- Auch Länder wie China, Australien und Japan verfolgen eigene ESG-Strategien, die teils mit internationalen Standards harmo­nisiert werden, aber nicht die Tiefe der EU-Vorgaben erreichen.1 In diesem Umfeld wird eine geopolitisch resiliente ESG-Governance zur Schlüssel­kompetenz. Unternehmen müssen ihre Strategien und somit auch ihre Nachhaltigkeits­strategien flexibel an dynamische Rahmen­bedingungen anpassen. In Deutschland ist die Umsetzung der CSRD noch nicht abgeschlossen. Gleichwohl haben 2024 viele kapitalmarkt­orientierte Unternehmen freiwillig im Einklang mit den neuen CSRD-Berichtsanforderungen oder in Anlehnung an diese berichtet. Erste Erfahrungen aus dieser Umsetzung wurden in der gemeinsamen Studie von Deloitte und dem DRSC erhoben. Demnach zeigen sich Weiter­entwicklungspotenziale in der strate­gischen Fokussierung und in der prozessualen Effizienz der Berichtsprozesse. Die aufgezeigten Heraus­forderungen erinnern an die Einführung komplexer Accounting-Standards und gehen darüber noch hinaus, da ESG-Themen eine breitere inhaltliche Abdeckung und tiefere Integration in die Unternehmenssteuerung erfordern.2 Die im Rahmen der Studie aufgezeigten Dimensionen aus strategischer Fokussierung und prozessualer Weiterentwicklung entsprechen daher auch den Erfahrungen aus Prüfungs- und Implementierungsprojekten:

- Die Mechanismen der doppelten Wesentlich­keitsanalyse wurden weitestgehend verstanden, in ihrer Anwendung aber teilweise als techno­kratisch erlebt. Eine besondere Herausforderung bildete dabei die Skalierung der Bewertungs­dimensionen. Insbesondere auf der „Impact“-Dimension war eine harmonisierte Bewertung über alle Impacts, Risks and Opportunities (IRO) herausfordernd. Auf der Dimension des „Financial Impact“ fehlten Hilfestellungen zur quantitativen Schwellenfestlegung zur Beantwortung der Frage, ab wann ein IRO auch aus Unternehmensperspektive als wesentlich zu bezeichnen ist.

- In der prozessualen Umsetzung hatten erstimplementierende Unternehmen zunächst fokussiert die Einheitlichkeit von Begriffs­definitionen sicherzustellen bzw. Rechenmodelle zu harmonisieren. Dabei war das Geschäftsjahr 2024 auf Ebene des verantwort­lichen Manage­ments geprägt durch die Sicherstellung einer ersten Datenbasis. Vor dem Hintergrund dieser beschriebenen Dynamik stellt sich die Frage, wie Unternehmen ihre internen Strukturen in den beiden Dimensionen der strategischen Fokussierung und der prozessualen Umsetzung so weiterentwickeln können, dass ESG-Berichts­anforderungen nicht nur erfüllt werden, sondern Unternehmen angemessen strategische Handlungsfelder fokussieren und in eine aktive Steuerung überführen. Zur Adressierung dieser Frage­stellungen rücken die Instrumente der Corporate Governance in den Mittelpunkt. 2. Corporate Governance: Begriffe und Anforderungen Als wesentlicher Orientierungsmaßstab für die Begriffseinordnung wirkt der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK). Zugrunde liegend wirkt dabei das Verständnis von Corporate Governance: „Unter Corporate Governance wird der rechtliche und faktische Ordnungsrahmen für die Leitung und Über­wachung eines Unternehmens verstanden.“3 Ausgehend von diesem Begriffsverständnis artikuliert der DCGK inhaltlich verschiedenste Grundsätze und Empfehlungen im Zusammen­spiel zwischen Unternehmens­management und den Aufsichtsorganen. Dabei wird das im ersten Kapitel gespiegelte Spannungsfeld aus Unternehmens­strategie und operativer Über­wachung betont, wobei die Rollenverteilung zwischen bzw. das Zusammenspiel von Vorstand und Aufsichtsrat beachtet wird. Formal verankert finden sich die im DCGK definierten Grundsätze und Empfehlungen in der geforderten Entsprechungs­erklärung gemäß § 161 AktG. Diese ist in den Lagebericht aufzunehmen, wobei auch Abweichungen gemäß dem Grundsatz „comply or explain“ grundsätzlich zulässig sind. Mit Fokussierung auf ESG-Governance-Anforderungen verlangt der DCGK bereits in seiner ersten Empfehlung A.1 die Auseinander­setzung mit Risiken und Chancen aus den Umwelt- und Sozial­faktoren, um daraus in der Unternehmensstrategie auch entsprechende nachhaltigkeits­bezogene Ziele miteinzubeziehen. Gleichwohl der DCGK dies als Empfehlung ausspricht, entspricht dies dem Grund­verständnis einer integrierten Gesamt­unter­nehmensstrategie, die insbesondere dann nachhaltigkeits­­bezogene Ziele integrieren muss, wenn entsprechende Einflussfaktoren identi­fiziert und als wesentlich bewertet werden. Darauf aufbauend beschreibt der DCGK in seinen Empfehlungen A.3 und A.5, dass auch das Risiko­manage­mentsystem und insbesondere das interne Kontrollsystem ganzheitlich und unter Einbeziehung nachhaltigkeits­bezogener Daten aufzubauen sind bzw. in einer Erklärung im Lagebericht die wesentlichen Merkmale dieser Managementsysteme aufzunehmen sind. Den ausgesprochenen Anforderungen des DCGK entsprechend sind auch die Über­wachungs­pflichten des Aufsichtsrats gemäß § 171 AktG definiert. Demnach obliegt es dem Aufsichtsrat, den gesonderten nicht-finanziellen Bericht gemäß § 289b HGB zu prüfen. Als Zwischenfazit ergibt sich eine klare Verankerung der ESG Governance im Gesamt­kontext der Corporate Governance mit wesentlichen Anforderungen für Vorstand und Aufsichtsrat sowie der Verknüpfung von strategischer Ausrichtung mit operativer und verlässlicher Umsetzung zur Steuerungs­fähigkeit. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob komplexe Governance-Strukturen der Effizienz entgegenstehen. Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass gute Governance nicht nur Risiken reduziert, sondern auch die strategische Handlungs­­fähigkeit stärkt – insbesondere in dynamischen, internationalen Kontexten.4 Dabei wird eine risikoorientierte Fokussierung im Zentrum einer ausgewogenen Effektivitäts- und Effizienzausrichtung stehen. 3. ESG Governance und Strategie: die Transformation der Analyse der doppelten Wesentlichkeit Bezugnehmend auf die Empfehlung A.1 des DCGK beginnt eine erfolgreiche Entwicklung von ESG Governance mit der Identifikation von ESG-Einflussfaktoren und darauf aufbauend deren Bewertung. Hierzu bieten sich die im Rahmen der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) definierten Vorgehens­modelle unter dem Oberbegriff der Analyse der doppelten Wesentlichkeit an. Die im übergreifenden ESRS 1 definierten Anforderungen für eine CSRD-Berichterstattung erfordern eine systema­tische Identifikation von Auswirkungen, Risiken und Chancen entlang der Wert­schöpf­ungs­kette eines Unternehmens und unter Einbeziehung von dessen Stakeholdern. Diese sind in zwei Dimensionen durch das Unternehmen zu bewerten. Gefordert ist einerseits eine Bewertung der Auswirkungen der Unter­nehmens­tätigkeiten auf das Umfeld des Unternehmens (Dimension der Wesentlichkeit der Auswirkungen) sowie andererseits die Bewertung auf das Unter­nehmen (Dimension der finanziellen Auswirkungen). Im Rahmen der CSRD-Erstberichterstattung 2024 wurden Schwächen des Verfahrens wie auch im Rahmen der Anwendung des Verfahrens deutlich. Die beschriebenen Grundsätze gemäß ESRS 1 erweisen sich als technisch komplex und suggerieren ein gefordertes „Bottom-up“-Verfahren. Dies hat in der Praxis häufig zu einer zwar richtigen Identifikation von Auswirkungen, Risiken und Chancen geführt; in deren Bewertung fanden sich Vorstand und Aufsichts­rat aber oftmals unzureichend eingebunden. Dies führte zu folgenden Negativbeobachtungen:

- Die Bewertung einzelner Auswirkungen, Risiken und Chancen erfolgte teilweise rein technisch. Insbesondere bei eher qualitativen Ein­schätzungs­erfordernissen wurden Geschäfts­perspektiven nicht oder nur unzureichend reflektiert.

- Die mangelnde Einbeziehung von Vorstand und Aufsichtsrat führte zu einer rein technischen Bewertung, ohne dass notwen­diger­weise Quervergleiche und Interdependenzen zwischen einzelnen Auswirkungen, Risiken und Chancen angemessen erkannt und einbewertet wurden.

- Sie führte darüber hinaus oftmals zu fehlender Akzeptanz der Ergebnisse der Wesentlich­keitsanalyse. Eine Überführung in Strategie und operative Umsetzung erfolgte somit aus reiner Compliance-Motivation und damit verbunden mit einem Fokus auf die Minimierung der Compliance-Kosten. Was ursprünglich als regulatorisch-technische Pflichtübung im Rahmen der CSRD begann, entwickelt sich zunehmend zu einem strategischen Analyseinstrument. Unter­nehmen nutzen die doppelte Wesent­lichkeitsanalyse heute, um ihre Wert­schöpfungs­modelle ganzheitlich zu betrachten und daraus resiliente Manage­mentansätze und Strategien abzuleiten.5 Die Berück­sichtigung ökologischer und sozialer Wechselwirkungen entlang der gesamten Lieferkette schafft nicht nur Transparenz, sondern bildet die Grundlage für eine fundierte Bewertung.6 Dabei rückt auch das Stakeholder-Bewusstsein stärker in den Fokus: Erwartungen von Investoren, Kunden und Mitarbeitenden fließen direkt in die strate­gische Ausrichtung ein. Eine derartige Neuorientierung von einer ESG-Berichts-Compliance zur aktiven Identifikation strategischer Handlungsfelder und Ableitung zukunftsfähiger Unternehmens­strategien7 erfordert dabei die Bereitschaft zur unter­nehmensinternen Reflexion unter Steuerung durch den Gesamtvorstand.

­4. Verankerung der ESG-Governance in Prozessmanagement, internem Kontrollsystem und Digitalisierung Im Sinne eines strategischen Manage­mentansatzes ist neben der Entwicklung strategischer Ziele insbesondere auch die organisa­torische Umsetzung maßgeblich für deren Erreichung. Sie umfasst dabei zwingend die aufbau- und ablauforganisatorischen Maß­nah­men (Definition von Verantwort­lichkeiten, Prozesse und digitale Strukturen). Die Verankerung von Governance in Prozess­management und internem Kontroll­system stellt eine konsistente Steuerung sicher und eröffnet neue Potenziale durch Digitalisierung und Automatisierung. Governance wird dabei zunehmend als systemische Disziplin verstanden, die Richtlinien mit nachvollziehbaren Abläufen verknüpft. Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) – insbesondere die Prinzipien der Nachvollziehbarkeit und Ordnung – bieten hier eine wertvolle Orientierung: Sie schaffen Klarheit, Transparenz und Prüfbarkeit.8 Waren ESG-Prozesse vormals primär zur Unterstützung einer regulatorisch geforderten Pflichtberichterstattung auf einen jährlichen Zyklus ausgerichtet und damit oftmals von den zugrunde liegenden operativen Prozessen entkoppelt, werden diese zur Unterstützung einer regelmäßigen und zeitnahen Steuerung derzeit stärker mit den operativen Prozessen integriert. Die so entstehenden Regelprozesse werden aus Governance-Gesichtspunkten gestützt durch Maßnahmen des internen Kontrollsystems (IKS). Stabilisiert durch diese Governance-Systeme führt die Sicherstellung von Compliance und Datenqualität zu einer erhöhten und digital unterstützten Steuerungsfähigkeit. Dies entspricht insofern auch den gesetzlichen Pflichten des Vorstands, ESG-Risiken und -Chancen im Rahmen seiner gesetzlichen Sorgfaltspflicht zu berücksichtigen. Diese „Due Care“-Verpflichtung wird durch europäische Regelwerke wie die CSRD weiter konkretisiert und verlangt eine strategische Einbindung von Nachhaltigkeitsaspekten in die Unternehmens­führung.9 Mit dieser Fokussierung auf unternehmens­interne Managementsysteme wird im zweiten Schritt die Grundlage für eine konsistente ESG-Berichterstattung geschaffen. Externe Entscheider profitieren von einer erhöhten Fokussierung auf steuerungsrelevante Einflussgrößen und die damit einhergehende Sicherstellung einer erhöhten Verlässlichkeit der publizierten Informationen. Eine besondere Rolle fällt dabei, wie auch für die Finanzbericht­erstattung, dem Aufsichtsrat zu. Im Einklang mit den bereits existierenden Aufsichtspflichten gemäß § 171 (1) AktG umfasst die Prüfpflicht des Aufsichtsrates auch die nicht-finanzielle Berichterstattung. Unterstützung in der Wahrnehmung dieser Prüfpflicht findet der Aufsichtsrat derzeit in der Regel im Rahmen einer Beauftragung für eine freiwillige Prüfung der nicht-finanziellen Berichterstattung. Mit Umsetzung der CSRD in nationales Recht wird eine solche Prüfung zur gesetzlichen Pflicht. Dabei ist das gesetzlich geforderte Mindest­prüfungs­niveau zunächst auf eine einge­schränkte Prüfungssicherheit (bzw. „Limited Assurance“) festgesetzt, wohingegen die Prüfungspflicht des Aufsichtsrates nicht eingeschränkt ist. Die so entstehende Prüfungslücke hat der Aufsichtsrat durch angemessene ergänzende Handlungen zu adressieren, was zu praktischen Heraus­forderungen insbesondere in Bezug auf die Ausgestaltung und Wirksamkeit interner Kontrollsysteme10 führen kann. Das interne Kontrollsystem ist somit für Steuerung und Überwachung ein zentrales Instrument, das sich selbst in der Digitali­sierungs­transformation befindet.11 Letztere eröffnet dabei neue Möglichkeiten: Automatisierte Wesentlich­keitsanalysen, Monitoring, KI-gestützte Risikoanalysen und integrierte Governance-Plattformen schaffen eine neue Qualität der Steuerung. Die OECD sieht in der Digitalisierung nicht nur Effizienzgewinne, sondern auch Potenzial für bessere Transparenz und Beteiligung – etwa durch hybride Aufsichts­ratsformate oder digitale Prüfpfade. Eine idealtypische digitale Governance-Welt wäre geprägt von Echtzeit­daten, automatisierten Prüfmechanismen und einer nahtlosen Integration von ESG- und Finanzinformationen – ein Ziel, das viele Unternehmen heute aktiv verfolgen. Eine mögliche ideale digitale ESG-Governance-Welt ist integriert in bestehende ERP-Systeme, prüfbar sowie strategisch nutzbar durch Echtzeitdaten und Benchmarks.12 5. Herausforderungen und Fazit Mit einer zunehmenden Fokussierung auf wesentliche entscheidungsrelevante Aspekte tritt die regulatorische Konformität in den Hintergrund. In den Vordergrund hingegen rücken die strategisch ganzheitliche Integration von ESG-Risiken und Chancen sowie die Einführung oder Weiterentwicklung flächiger ESG-Steuerungsmodelle. Nicht zu verschweigen sind dabei die Herausforderungen, denen sich Unternehmen stellen müssen: 1. Weiterentwicklung von ESG-Kompetenz in Vorstand und Aufsichtsgremien: Effiziente und effektive ESG-Strategien bedingen ein ausreichendes Grundverständnis möglichen Chancen, Risiken und Auswirkungen von ESG-Faktoren auf Entscheiderebene und wie diese sinnvoll bewertet werden können. ESG-Faktoren weisen insbesondere langfristigere Planungshorizonte auf und lassen sich oftmals nicht direkt in monetären Werten beziffern. 2. Harmonisierte Steuerungssysteme und Datenmodelle: ESG-Daten müssen unterschiedlichen Ansprüchen genügen. Während einerseits lokale Gesetzgebungen insbesondere für Umwelt- und Sozialaspekte spezifische Definitionen mit sich bringen, erfordert eine globale konsolidierte Steuerungsfähigkeit auch eine einheitliche Begriffsdefinition und deren Umsetzung. Dabei sind Definitionskonflikte vorbestimmt und müssen gelöst werden. 3. Prozesse, IKS und Digitalisierung: Die Reifegrade von insbesondere dezentralen Prozessen entsprechen noch nicht denen der klassischen Finanzberichterstattung. Vielfach werden Informationen lokal in wenig formalisierten Formaten erfasst: Kladden, handschriftliche Notizen, telefonische Abstimmungen ohne weitere Dokumentation finden sich ebenso häufig wie Excel-Spreadsheets auf lokalen Computern. Systeme bleiben oftmals ohne automatische Schnittstellen und Integration in ein globales Datenmodell und werden außerhalb professioneller IT-Infra­strukturen lokal betrieben. Für eine Steuerung mit hoher Entscheidungsqualität stehen Unternehmen vor der Aufgabe, diese oftmals dezentralen Prozesse zu harmonisieren und zu digitalisieren. Damit wiederholen sich Transformationsschritte, welche die Finanzberichterstattung vor Jahrzehnten bereits vollzogen hat. Im Umgang mit den aufgezeigten Heraus­forderungen empfiehlt sich eine Fokussierung im Sinne der Unternehmens­strategie, um zunächst solche Handlungsfelder zu beschleunigen, die jenseits eines lokal individuellen Management­ansatzes, ggf. unter Setzung von Rahmen­bedingungen durch Konzernrichtlinien, für die hohe Bedeutung und zeitliche Kritikalität für die Gesamtunter­nehmensstrategie stehen. Zusammengefasst verlangt ESG-Governance klare Verantwortlich­keiten, strategische Einbindung und digitale Prozesse. Wer ESG ganzheitlich denkt – vom Materiality Assessment über die Governance-Strukturen bis hin zur operativen Umsetzung – schafft nicht nur Transparenz, sondern auch Zukunftsfähigkeit. Die Verbindung von guter Governance und effizienter Steuerung ist dabei kein Widerspruch, sondern ein Erfolgsfaktor in einer zunehmend komplexen Unternehmenswelt.

[1] Deloitte (2024): Anforderungen der CSRD umsetzen, https://www.deloitte.com/de/de/services/consulting-risk/perspectives/anforderungen-der-csrd-umsetzen.html, abgerufen am 05.10.2025; O’Reilly, C. (4.9.2025): A journalist’s guide to reporting on ESG and the geopolitics of sustainability, International Journalists’ Network (IJNet), abgerufen am 05.10.2025; Dinneen, J. (21.1.2025): The US is leaving the Paris Agreement – what happens next? New Scientist, abgerufen am 05.10.2025. [2] Deloitte (2024): CSRD und IFRS: Gemeinsamkeiten und Unterschiede, abgerufen am 05.10.2025; Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee e.V. (DRSC) und Deloitte (2025): Studie zur Nachhaltigkeits­berichterstattung 2024, abgerufen am 23.9.2025. [3] Präambel des Deutschen Corporate Governance Kodex, 220627_Deutscher_Corporate_­Governance_Kodex_2022.pdf, abgerufen am 5.10.2025. [4] Schweikert, C.; Jantz, M. (2012): Corporate Governance in Abhängigkeit von Unternehmensstruktur und Unternehmensgröße: Eine betriebswirtschaftlich-juristische Analyse (KICG-Forschungspapier Nr. 3). Konstanz Institut für Corporate Governance, Hochschule Konstanz, abgerufen am 23.9.2025. [5] Deloitte (2024): ESG Strategy & Transformation, abgerufen am 23.9.2025. [6] Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee e.V. (DRSC) (2024): Branchenbezogene ESRS-Wesentlichkeitsanalyse, abgerufen am 23.09.2025. [7] Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee e.V. (DRSC) und Deloitte (2025): Studie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung 2024, abgerufen am 23.09.2025. [8] Lexware (2024): Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB), abgerufen am 23.09.2025. [9] CMS Legal Services EEIG (2024): CMS Expert Guide for Directors of Companies – Germany, abgerufen am 23.9.2025. [10] Committee of European Auditing Oversight Bodies (CEAOB) (2024): Guidelines on limited assurance on sustainability reporting, European Commission, abgerufen am 23.09.2025. [11] Deloitte (2023): The Future of Internal Control Systems 2023, abgerufen am 23.09.2025. [12] OECD (2023): Digitalisation and corporate governance, abgerufen am 23.09.2025.

Mit einer zunehmenden Fokussierung auf wesentliche entscheidungsrelevante Aspekte tritt die regulatorische Konformität in den Hintergrund.

Sebastian Dingel Partner | Sustainability Assurance | Deloitte Deutschland

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Helene Zacher Senior Manager | Sustainability Assurance | Deloitte Deutschland

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