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Künstliche Intelligenz (KI) in der Wirtschaftsprüfung
Künstliche Intelligenz verändert Prozesse und Rollen in der Wirtschaftsprüfung. Sie analysiert große Datenmengen in kürzester Zeit, erkennt Anomalien und unterstützt risikoorientierte Entscheidungen. Anwendungsfelder reichen von automatisierter Dokumentation über Datenanalysen bis zur Prozessautomatisierung. Gleichzeitig stellen Modelltransparenz, Datenqualität, regulatorische Vorgaben und ethische Fragen hohe Anforderungen an die Governance und Qualitätssicherung. Dabei sind auch Aufsichtsrat und Prüfungsausschuss gefordert, sich zukünftig über die vom Abschlussprüfer eingesetzten KI-Systeme und Tools zu informieren. Dieser Beitrag beleuchtet Chancen und Risiken, ordnet regulatorische Entwicklungen ein und zeigt strategische Handlungsfelder auf.
Warum KI in der Wirtschaftsprüfung relevant ist
Künstliche Intelligenz bezeichnet Systeme, die Aufgaben übernehmen, die bislang menschliche Intelligenz erforderten – etwa Mustererkennung, Sprachverarbeitung oder Entscheidungsunterstützung. In der Wirtschaftsprüfung eröffnet KI neue Möglichkeiten: Sie analysiert große Datenmengen nahezu in Echtzeit, identifiziert Auffälligkeiten und unterstützt die Risikobeurteilung. Damit verschiebt sich der Fokus von manuellen Routinetätigkeiten hin zu mehr Automatisierung. Künstliche Intelligenz erschließt unstrukturierte Datenquellen (z.B. Dokumente) für die automatische Analyse und ermöglicht Datenanalysen, die bislang auf strukturierte Daten beschränkt waren. Besonders gut funktioniert KI in der Wirtschaftsprüfung beispielsweise bei der automatischen Vorbefüllung von Checklisten, wie sie in der Anhangs- und Lageberichtsprüfung vorkommen.
Nutzungsmöglichkeiten von KI in der Wirtschaftsprüfung
Künstliche Intelligenz wird in der Wirtschaftsprüfung zunehmend als praxisnahes Werkzeug eingesetzt, das Prüfer in verschiedenen Phasen des Prüfungsprozesses unterstützt. Der Fokus liegt dabei nicht nur auf der Automatisierung einzelner Arbeitsschritte, sondern auf der intelligenten Verarbeitung und Auswertung von Informationen. Die folgenden Beispiele zeigen, wie KI in der täglichen Prüfungspraxis konkret eingesetzt werden kann – von der Risikobeurteilung über die Dokumentation bis zur Verarbeitung von Prüfungsnachweisen.
Datenanalyse und Risikobeurteilung
KI-gestützte Analytik ermöglicht breitere und tiefere Risikoeinschätzungen: Aus großen Mengen strukturierter und unstrukturierter Daten werden Anomalien, Ausreißer und Muster identifiziert, die für die Risikobeurteilung relevant sind. Einsatzfelder reichen von Journal-Entry-Analysen über Prozess- und Varianz‑Analysen bis zu automatisierten Branchen- und Marktanalysen. Grundsätzlich ist das Vorgehen so, dass die bereits implementierten Analysen durch KI angereichert werden, um ggf. zusätzliche Auffälligkeiten zu erkennen und die bestehenden Risikoeinschätzungen gezielt zu ergänzen.
Dokumentation und Entscheidungsunterstützung
KI-Systeme unterstützen die Erstellung und Strukturierung der Prüfungsdokumentation: Aus Prüfungsdaten werden konsistente Textbausteine für Berichte, Memos und Stellungnahmen generiert. Ergänzend können KI-basierte Assistenzsysteme fachliche Entwürfe (z.B. zu Bilanzierungsfragen) erstellen, die anschließend einer qualitätssichernden Prüfung durch die Prüfer unterzogen werden. Wesentlich sind hier die Nachvollziehbarkeit (z.B. Prompt- und Quellenmanagement), die Versionierung und die Dokumentation, wann und wie KI eingesetzt wurde. KI dient als Assistenz, nicht als Ersatz für die Wirtschaftsprüfer:innen.
Automatisierte Prüfungsnachweise und Dokumentenverarbeitung
KI kann digitale Nachweise wie Rechnungen, Verträge oder Anhänge erkennen und verifizieren. Dies erleichtert die Prüfung von Kontrollsystemen und die Vollständigkeitsprüfung.
Ein besonders innovativer Einsatzbereich ist die automatisierte Anhangs- und Lageberichtsprüfung. Hierbei werden Anhänge/Lageberichte genutzt, um Checklisten für die Prüfung effizient und automatisch vorauszufüllen. Zusätzlich vergleichen sie die aktuelle Checkliste mit der des Vorjahres, identifizieren Abweichungen und markieren fehlende Angaben. Dies spart Arbeitszeit, erhöht die Konsistenz und steigert die Effizienz der Prüfungshandlung.
Solche Tools sind flexibel einsetzbar und können unterschiedliche Checklisten automatisiert verarbeiten. Damit wird die manuelle Übertragung von Informationen weitgehend überflüssig und die Effizienz der Prüfung wird deutlich verbessert. Auf Basis dieser Tools und der automatischen Verarbeitung können dann auch automatisch Reports generiert werden, die die Prüfer strukturiert über die Ergebnisse informieren und relevante Abweichungen und Auffälligkeiten hervorheben.
Herausforderungen beim Einsatz von KI in der Prüfungspraxis
So vielversprechend der Einsatz von KI auch ist – er bringt auch Herausforderungen mit sich. Diese betreffen nicht nur technische Aspekte wie Modelltransparenz oder Datenqualität, sondern auch regulatorische Fragestellungen. Für Wirtschaftsprüfer bedeutet dies, dass sie sich nicht nur mit den Chancen, sondern auch mit den Grenzen und Risiken der Technologie intensiv auseinandersetzen müssen. Um den verantwortungsvollen Umgang mit KI sicherzustellen, sind daher kontinuierliche Weiterbildung und regelmäßige Schulungen für alle Beteiligten unerlässlich.
Nachvollziehbarkeit und Qualitätssicherung
Viele KI-Modelle (insb. generative Modelle) sind komplex und in Teilen intransparent. Halluzinationen – sachlich falsche, aber plausibel klingende Ergebnisse – sind möglich. Notwendig sind daher Kontrollen entlang des gesamten Workflows: Eingaben (Prompts, Daten), Modelle (Versionen, Parameter, Trainingsstand), Ausgaben (Quellen-/Zitationspflicht, Faktencheck), menschliche Gegenprüfung und Dokumentation. Eine häufig genutzte Qualitätssicherungsmaßnahme gegen Halluzinationen ist die Überprüfung der Textstellen, die zur Erstellung einer KI-generierten Antwort herangezogen wurden. Das KI-Tool markiert hierbei diese Quellen automatisch, sodass die Prüfer die Herleitung und Nachvollziehbarkeit der Antwort gezielt überprüfen können. Auch Schutzmechanismen wie eine Mindestlänge der herangezogenen Textpassage führen zu einer signifikanten Reduktion von Halluzinationen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn im Text gar keine Informationen zu einem gewissen Sachverhalt vorhanden sind.
Regulatorische und ethische Anforderungen
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Wirtschaftsprüfung ist mit einer Vielzahl von regulatorischen und ethischen Anforderungen verbunden, die sicherstellen sollen, dass die Technologie verantwortungsvoll und im Einklang mit geltenden Normen genutzt wird.
Zunächst ist es wichtig, dass die Verantwortlichkeiten im Umgang mit KI-Systemen klar festgelegt werden. Dies betrifft insbesondere die Zuweisung von Aufgaben innerhalb des Prüfungsteams, die Überwachung der KI-Anwendungen sowie die Dokumentation der eingesetzten Algorithmen und derer Ergebnisse. Wie auch bei allen anderen Schritten in der Prüfung sollte auch bei der Nutzung von KI festgelegt werden: Wer bereitet z.B. Checklisten/Dokumente mithilfe von KI vor und wer reviewt die Ergebnisse? Im Idealfall wird dies direkt durch die KI-Anwendung unterstützt.
Ein zentrales Thema ist der Datenschutz. Die Wirtschaftsprüfung arbeitet mit hochsensiblen Mandantendaten, deren Schutz oberste Priorität hat. Beim Einsatz von KI müssen daher alle relevanten Datenschutzgesetze und -richtlinien beachtet werden. Dazu gehören unter anderem die sichere Speicherung und Verarbeitung von Daten, die Implementierung von Zugriffsrechten sowie die regelmäßige Überprüfung der Datensicherheit. Auch die Vertraulichkeit der Informationen muss jederzeit gewährleistet sein. Neben den regulatorischen Vorgaben spielen ethische Standards eine wichtige Rolle. KI-Systeme sollten so gestaltet und eingesetzt werden, dass sie fair und transparent agieren. Beispielsweise ist es bei der automatisierten Bewertung von Risiken wichtig, dass die Algorithmen keine diskriminierenden oder voreingenommenen Entscheidungen treffen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Einsatz von KI in der Wirtschaftsprüfung eine sorgfältige Berücksichtigung regulatorischer und ethischer Anforderungen voraussetzt. Zudem ist es wichtig, die Ergebnisse kritisch zu hinterfragen und mit fachlicher Expertise zu interpretieren, um eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu schaffen.

Strategische Implikationen für die Prüfungsbranche
Der Einsatz von KI verändert Prozesse, Rollenbilder und Geschäftsmodelle in der Wirtschaftsprüfung. Fünf Handlungsfelder sind besonders relevant:
Kompetenzentwicklung und Rollenprofil
Prüfungsteams benötigen ein grundlegendes Verständnis von KI, ihrer Funktionsweise und ihren Grenzen. Dazu gehören Kenntnisse in Datenqualität, Governance und Datenschutz sowie die Fähigkeit, KI-Ergebnisse kritisch zu hinterfragen. Interdisziplinäre Zusammenarbeit von Prüfungs- und KI-Teams wird zur Schlüsselkompetenz. Auch beim Mitarbeiterprofil ergeben sich neue Herausforderungen, da einfache Tätigkeiten zunehmend von KI übernommen werden. Dadurch gewinnt die Rolle erfahrener Prüfer in der Qualitätssicherung weiter an Bedeutung, da sie komplexe Sachverhalte beurteilen und die Ergebnisse der KI kritisch überprüfen müssen.
Governance und Qualitätssicherung
KI muss in bestehende Qualitätsmanagementsysteme integriert werden – mit klaren Richtlinien, Kontrollen und Freigabeprozessen. Ebenso sollten alle Änderungen und Updates der KI-Software im Rahmen eines klar definierten Entwicklungsprozesses durchgeführt werden, um die Einhaltung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards sicherzustellen. Darüber hinaus sollten regelmäßige Schulungen und Weiterbildungen für alle Beteiligten stattfinden, um den sicheren und verantwortungsvollen Umgang mit KI-Anwendungen zu gewährleisten. Der Aufsichtsrat und insbesondere der Prüfungsausschuss sind dabei in besonderem Maße gefordert, die Einhaltung der Qualitäts- und Sicherheitsstandards sowie die Wirksamkeit der eingesetzten KI-Anwendungen im Rahmen der Abschlussprüfung kontinuierlich zu überwachen und sicherzustellen. Dazu gehört auch, sich ein genaues Bild davon zu machen, wie der Abschlussprüfer technisch ausgestattet ist und welche Tools, vor allem KI-Anwendungen, für die jeweiligen Prüfungshandlungen eingesetzt werden. Der Prüfungsausschuss sollte dabei insbesondere die mit dem Einsatz von KI verbundenen Aspekte wie Datensicherheit, Cybersecurity, den verantwortungsvollen Umgang mit KI-Technologien sowie die Qualifikation und Schulung des Prüfungsteams regelmäßig mit dem Abschlussprüfer erörtern.
Operating Model und Tool-Landschaft
Prüfungsgesellschaften sollten definieren, welche Anwendungsfälle zulässig sind, welche Datenquellen genutzt werden und ob eigene oder externe Modelle zum Einsatz kommen. Wichtig sind klare Regeln für Anbietermanagement, Sicherheits- und Datenschutzkontrollen sowie eine lückenlose Protokollierung. Zudem ist zu berücksichtigen, dass beispielsweise Cloudanbieter ihre KI-Tools häufig innerhalb von zwölf Monaten durch neue Versionen ersetzen, sodass eine kontinuierliche Anpassung und Bewertung der eingesetzten Lösungen notwendig sind.
Wirtschaftlichkeit
KI kann Prüfungsprozesse beschleunigen und Skalierbarkeit erhöhen, insbesondere bei Routineprüfungen oder großen Datenmengen. Gleichzeitig entstehen Investitions- und Betriebskosten für Modelle, Infrastruktur und Monitoring, die in die Kalkulation einfließen müssen. Darüber hinaus sollten auch die Kosten für die Qualifikation, Weiterbildung und den laufenden Einsatz der KI-Teams berücksichtigt werden, da diese einen wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen Implementierung und zum Betrieb der KI-Lösungen leisten.
Berufsethik und Verantwortung
Die Rolle der Wirtschaftsprüfer als unabhängige Instanz bleibt zentral. Entscheidungen dürfen nicht allein auf KI-Ergebnissen beruhen. Transparenz, Erklärbarkeit und eine durchgängige kritische Würdigung sind unverzichtbar, um das Vertrauen in den Prüfungsprozess zu sichern.
Fazit: KI als Werkzeug für die Zukunft der Wirtschaftsprüfung
Künstliche Intelligenz wird die Wirtschaftsprüfung nicht ersetzen, aber sie nachhaltig prägen. Ihr Potenzial liegt in Effizienzgewinnen und neuen Analysemöglichkeiten. Gleichzeitig verbleibt die Verantwortung für Urteilsbildung und Compliance bei den Wirtschaftsprüfer. Erfolgreiche Integration erfordert klare Governance, technische Kompetenz und ein Bewusstsein für Risiken wie Halluzinationen oder Bias. Wer KI strategisch und sicher einsetzt, schafft nicht nur Wettbewerbsvorteile, sondern stärkt auch das Vertrauen in die Abschlussprüfung. Die Zukunft der Wirtschaftsprüfung liegt in einem ausgewogenen Zusammenspiel von moderner Technologie und fachlicher Expertise, bei dem digitale Lösungen durch kritisches Urteilsvermögen und ethische Standards ergänzt werden.