Corporate Governance Inside

Herausforderung Unternehmensüber­wachung heute


Treasury im Wandel

Aktuelle Trends und deren Auswirkungen für den Aufsichtsrat

Technologischer Fortschritt, geopolitische Unsicherheiten, steigende regulatorische Anforderungen und veränderte Markt­beding­ungen bestimmen die Entwicklung in den letzten Jahren und haben den Druck zur weiteren Auto­matisierung, Flexibilisierung und Professio­nalisierung der Treasury-Funktion massiv erhöht. Aber auch intern ist sie als Herzkammer der Unternehmens­finanzen mit veränderten und erweiterten Anfor­derungen konfrontiert. Dabei stehen Erwartungen des CFO, ein deutlich ausgeweitetes Anforde­rungs­spektrum bedienen zu können, einem erhöhten Kostendruck gegenüber. In diesem Artikel geben wir einen Überblick über zentrale Trends und Entwick­lungen im Treasury-Bereich und deren mögliche Auswirkungen auch auf den Aufsichtsrat. Neue digitale Technologien einschließlich künstlicher Intelligenz (KI), der Überfall Russlands auf die Ukraine, die globale Corona-Pandemie, verschärfte und erweiterte regulatorische Anforde­rungen im Finanzbereich, ein signifikant verändertes Zinsniveau, noch nie dagewesene Preisvolatilitäten an den Rohstoff- und Energie­märkten, steigender Kosten- und Effizienzdruck sowie gestiegene Erwartungen und Anfor­derungen seitens des CFO und der Geschäfts­führung – die Liste der Einflussfaktoren auf die Treasury-Funktion der Unternehmen ist lang und noch nie waren die Problemstellungen so groß und vielfältig wie in den letzten Jahren. Wandel und Veränderung sind zum neuen Imperativ geworden und stellen das Treasury vor massive Heraus­forderungen, eröffnen gleich­zeitig aber auch den Weg zu einem leistungs­fähigeren, effizienteren und flexibleren Funktionsbereich, der sich zukunftsfähig aufstellt und erweiterten Mehrwert für die Gesamtorganisation schaffen kann. Bevor wir die aktuellen Entwicklungen im Kontext der möglichen Auswirkungen für den Aufsichts­rat einwerten wollen, schauen wir uns zunächst ausgewählte Trends im Treasury-Bereich etwas genauer an. Geopolitische Unsicherheiten und veränderte Marktbedingungen Schon in der Corona-Pandemie mit ihren massiven negativen Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und einer nachhaltigen Destabilisierung, teilweise sogar dem Zusammen­bruch ganzer Lieferketten und dem Wegfall von Geschäftspartnern, musste die Treasury-Funktion mit signifikant erhöhten Anforderungen an das Cash- und Liquiditäts­management sowie an das finanzielle Risikomanagement umgehen. Der Trend zur erforderlichen Professionalisierung und Steigerung der Leistungsfähigkeit gerade im Bereich Cash- und Liquiditäts­management, aber auch im finanziellen Risikomanagement, wurde durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und seine teils extremen Auswirkungen auf die Stabilität und Preise an den interna­tionalen Energie- und Rohstoffmärkten noch weiter forciert. Durch die angeheizte Inflation und das gestiegene Zinsniveau ist es für die Gesamt­unternehmung noch wichtiger geworden, dass die Treasury-Funktion jederzeit einen vollständigen und verlässlichen Blick auf die aktuelle Cash- und Liquiditätssituation des Unterneh­mens hat (Schaffung von Transparenz), deren zukünftige Entwicklung ermitteln und bereitstellen kann und diese Informa­tionen auch konsequent zur aktiven Steuerung der Finanzierungs­bedarfe sowie einer Optimierung der Zinsbelastung und -erträge nutzt. Hiermit sollte zudem eine Professionalisierung des Reportings zur Cash- und Liquiditätssituation einhergehen, die auch dem CFO, der Geschäftsführung und den verschiedenen Unternehmensbereichen zur Verfügung steht, um die Transparenz zu erhöhen und geschäftspolitische Entscheidungen fundiert zu unterstützen. Technologischer Fortschritt und Digitalisierung Der anhaltende technologische Fortschritt und die zunehmende Dynamik im Bereich der Digitalisierung stellen an Treasury-Funktionen große Herausforderungen in Bezug auf ihre Fähig­keiten, flexibler agieren und reagieren zu können und ihre Organisationsstrukturen nachhaltig zu verbessern. Gleichzeitig sind technologischer Fortschritt und Digitalisierung aber auch wesent­liche Bausteine und Erfolgs­faktoren auf dem Weg zu einer effizien­teren, flexibleren, leistungsfähigeren und zukunftssicheren Treasury-Organisation. Ein Beispiel für wesentliche Herausforderungen im Technologie­umfeld ist die derzeit bei vielen Unternehmen laufende Transformation im Bereich der ERP-Systeme (insb. auch Umstellung auf SAP S/4 HANA). Hierbei ist das Treasury zum einen als fachlicher Ansprechpartner und Inputgeber für das Gesamtprojekt gefordert und muss auf der anderen Seite dafür Sorge tragen, dass die eigenen funktionalen und fachlichen Anfor­derungen auch in einer veränderten IT-Landschaft noch vollumfänglich unterstützt und abgedeckt werden. Gerade im Rahmen einer ERP-Umstellung werden oft nicht alle vorhan­denen Spezialsysteme weiter unterstützt; selbst wenn dies doch der Fall ist, sind dennoch in der Regel Anpassungen in den Systemen und Prozessen erforderlich. In vielen Fällen sind derartige Umstellungen auch Auslöser für Anpassungen am Treasury Operating Model, da bisherige Prozesse und Methodiken nicht weiter unterstützt werden, die neue technologische Plattform andere prozessuale Abläufe erfordert, um bisherige Funktionalitäten auch zukünftig bereitstellen zu können, aber auch neue Prozesse für erweiterte Funktionalitäten etabliert werden müssen. Zudem geht es für die Treasury-Organisation in solchen Situationen oft auch darum, Interims­lösungen zu etablieren, die – meist mit deutlich erhöhtem manuellem Aufwand – sicherstellen sollen, dass zentrale Funktionalitäten im Zeitraum zwischen der Abschaltung bisheriger Spezialsysteme und der Verfügbarkeit einer neuen IT-Infrastruktur weiterhin zur Verfügung stehen. Wie oben bereits erwähnt, sind technologischer Fortschritt und der Einsatz von digitalen Techno­logien aber auch wesentliche Wegbereiter und Erfolgsfaktoren bei der Modernisierung und Professionalisierung des Treasury. Traditionell aufgestellte Funktionen verwenden häufig einen großen Teil ihrer Kapazitäten auf die Erbringung von Basisdienstleistungen, oft im Bereich der transaktionalen Tätigkeiten (bspw. Zahlungs­verkehr), im Rahmen des Zusammen­tragens und Konsolidierens von Daten und Informationen zur Ermittlung von Finanzpositionen (wie bspw. Cash-Status, Liquiditätsposition, Währungs­position, finanzielle Risikopositionen etc.) sowie für deren interne Berichterstattung (Reporting). Hier können weitgehende Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen maßgeblich dazu beitragen, dass Treasury-Ressourcen von einfachen, repetitiven Tätigkeiten signifikant entlastet werden und somit Kapazitäten für neue und erweiterte Leistungen mit hohem Wert­potenzial zur Verfügung stehen. Hiermit schafft man zudem die Möglichkeit, dass den vordis­kutierten vielfältigen Herausforderungen und Anforderungen maßgeblich Rechnung getragen wird und die oft sehr knappe Personal­ausstattung effizienter und wert­stiftender für die Gesamtorganisation nutzbar gemacht werden kann. Gleichzeitig eröffnet der Einsatz von neuen Technologien die Möglichkeit, das Leistungs­spektrum der Treasury-Funktion nachhaltig auszuweiten und insbesondere durch flexible, fundierte Analysen und maßgeschneiderte Berichte dem CFO und den Entscheidungs­trägern im Unternehmen wesentliche Mehrwerte zu liefern. Im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung und mit zunehmen­dem Einsatz von neuen Technologien muss sich zwangsweise aber auch das Treasury Operating Model mit entwickeln und verändern. Alte, traditionelle Strukturen, wie bspw. die strikte Trennung in Front, Middle und Back Office, werden aufgebrochen und weichen moderneren, prozess- und aufgabenorientierten Ansätzen.

Interne Anforderungen und regulatorische Vorgaben Eine Veränderung des Treasury Operating Model und der bereitgestellten Dienstleistungen wird aber nicht nur durch exogene Faktoren gefordert und durch den technologischen Fortschritt erst ermöglicht. Vielmehr steigt gleichzeitig auch die interne Erwartungshaltung an die Leistungs­fähigkeit und Struktur einer modernen Treasury-Organisation. Viele CFOs erwarten beispiels­weise, dass diese ihr Leistungsspektrum hin zum proaktiven Berater und Unterstützer des CFO weiterentwickelt – dies oft unter gleichzeitigem Kostendruck und klaren Anforderungen im Bereich der Effizienzsteigerung. Aber auch die zunehmende Regulatorik im Finanzbereich ist seit einigen Jahren ein weiterer Aufwandstreiber. Zentrale Beispiele sind hier zum einen die European Market Infrastructure Regulation (EMIR), die in 2012 eingeführt wurde und durch den EMIR Refit 2019 sowie EMIR 3.0 Ende 2024 wesentliche Anpassungen und Änderungen erfahren hat. Die Treasury-Funktion ist hier sowohl bei der Umsetzung der regula­torischen Anforderungen als auch bei deren regelmäßiger Erfüllung bspw. im Bereich der Transaktionsregistermeldungen und Clearing­schwellenwert­berechnung mit zusätzlichen Aufgaben und zeitlichem Aufwand belastet. Zudem ist ein Unternehmen verpflichtet, bei der Überschreitung festgelegter Schwellwerte jährlich eine Prüfung des EMIR-Systems durch einen Wirtschaftsprüfer durchführen zu lassen. Weitere Beispiele für regulatorische Anfor­derungen mit Auswirkungen auf die Unter­nehmen und deren Treasury-Funktionen sind die EU Instant Payment Regulation und hier insbesondere die zum 9. Oktober eingeführten Regelungen zur Verification of Payee (VoP) mit verpflichtendem Abgleich des Empfängernamens mit der IBAN bei Zahlungsaufträgen. Zusammenfassend kann man feststellen, dass technologischer Fortschritt, geopolitische Unsicher­heiten, steigende regulatorische Anforderungen und veränderte Marktbe­dingungen, aber auch ein gestiegenes internes Anforderungslevel den Handlungsdruck hin zu einer weiteren Automatisierung, Flexibilisierung und Professio­nalisierung der Treasury-Funkti­onen massiv erhöht haben. Diese tragen dieser Entwicklung unter anderem durch den vermehr­ten Einsatz von neuen Technologien und eine weitere Digitalisierung von Standard­prozessen Rechnung. Gleichzeitig wandelt sich aber auch das Leistungsportfolio in diesem Bereich und das Treasury Operating Model wird weitreichend modernisiert und neu ausgerichtet. Aus dieser zunehmenden Komplexität sowie steigenden Dynamik und Geschwindigkeit der Veränderung im Treasury-Bereich ergeben sich auch für den Aufsichtsrat mögliche Handlungsfelder. Einerseits kann es hilfreich sein, sich über aktuelle Entwicklungen und Trends regelmäßig Bericht erstatten zu lassen, um hier stets auf dem Laufenden zu bleiben. Andererseits erscheint es durchaus überlegenswert, der Treasury-Funktion grundsätzlich etwas mehr Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen. Gerade durch die sehr speziellen Themen und fachlich herausfordernden Aufgaben­stellungen sowie ihre meist personell überschaubare Größe ist die Treasury-Funktion in den vollgepackten Agenden vieler Aufsichtsräte und Prüfungsausschüsse derzeit oft noch ein mehr oder weniger geliebtes Randthema. Schaut man sich aber die Bedeutung der Funktion als Herzkammer der Unter­nehmens­finanzen an, die unter anderem die jederzeitige Zahlungsfähigkeit des Unter­nehmens sicherzustellen hat und die Finanzie­rungsfähigkeit des Unternehmens steuert, und verbindet man dies mit den skizzierten, mannigfaltigen Herausforderungen und der modernen Rolle des Treasury als vertrauens­würdiger Berater des CFO, wird schnell deutlich, dass die Qualität, Professionalität und Leistungs­fähigkeit der eigenen Treasury-Funktion oft von entscheidender Bedeutung für den Erfolg und Fortbestand eines Unternehmens sind. Hier obliegt es dem Aufsichtsrat und dem Prüfungsausschuss zu entscheiden, welche Bedeutung und Aufmerk­samkeit sie dem Treasury in ihrer Tätigkeit zukünftig beimessen wollen.

Volker Linde Partner | Global Treasury Advisory | Deloitte Deutschland

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