Corporate Governance Inside
Economic Outlook
Wirtschaftsausblick: Resilienz trotz Unsicherheit und Handelskonflikten
Das Jahr 2025 war geprägt von geopolitischen Unsicherheiten, die von der Zollpolitik der neuen US-Regierung bis zu den anhaltenden Kriegen und Konflikten in der Ukraine und im Nahen Osten reichten. Trotz dieser Herausforderungen entwickelte sich die Weltwirtschaft im ersten Halbjahr überraschend robust. Zwar wurde das erste Quartal durch vorgezogene Exporte in die USA gestützt, doch auch im zweiten Quartal blieb das Wachstum stabiler als erwartet. Laut Herbstprojektion der OECD dürfte die globale Wirtschaftsleistung 2025 um 3,2 Prozent zulegen – nach 3,3 Prozent im Vorjahr. Damit bleibt das Wachstum solide, wenn auch unter dem langfristigen Durchschnitt. Alles in allem war die globale Konjunkturentwicklung damit resilienter, als Anfang des Jahres zu erwarten war. Für 2026 ist ein globales Wachstum in ähnlicher Größenordnung, wenn auch etwas niedriger – nämlich bei 2,9 Prozent – zu erwarten. Während die Dynamik in den USA und China nachlässt, zeigen europäische Länder und einige Schwellenländer eine positive Entwicklung. Wachstumsunterschiede sind hoch Hinter der globalen Stabilität verbergen sich deutliche regionale Unterschiede. Indien ist 2025 das wachstumsstärkste G20-Land, gestützt durch eine günstige demografische Entwicklung, umfangreiche öffentliche Investitionen und Reformen. Das Land gewinnt auch zunehmend an Attraktivität für ausländische Investoren. China hingegen steht weiterhin unter Druck. Die Immobilienkrise ist nicht überwunden und belastet Konsumentenvertrauen sowie -ausgaben. Der anhaltende Handelskonflikt mit den USA verschärft die Lage zusätzlich. Trotz staatlicher Stabilisierungsmaßnahmen dürfte das Wachstum 2025 4,9 Prozent betragen – und damit knapp unter dem Zielwert von 5 Prozent liegen. Die Zollpolitik und die damit einhergehende hohe Unsicherheit hinterlassen ihre Spuren in der US-Wirtschaft. Das Wachstumstempo dürfte sich daher spürbar reduzieren von 2,8 Prozent 2024 auf 1,8 Prozent im laufenden Jahr. Allerdings ist auch die niedrige Dynamik immer noch deutlich höher als das, was man für die Eurozone erwarten kann. Hier wird die Wachstumsrate wohl um die 1,2 Prozent liegen, in Deutschland aber noch erheblich niedriger bei 0,3 Prozent. Auch in Europa gibt es allerdings Lichtblicke, Länder wie Polen, Spanien oder Portugal wachsen kräftig. Die sektoralen Unterschiede zwischen Industrie und Dienstleistungen lassen nach Während das letzte Jahr von der zunehmenden Diskrepanz in der Entwicklung von Industrie und Dienstleistungen geprägt war, scheinen sich die unterschiedlichen Tendenzen seit diesem Jahr vielerorts zu reduzieren. Dies liegt daran, dass sich der Industriesektor weltweit etwas erholt hat. Am Anfang des Jahres haben die Vorzieheffekte der Exporte in die USA zur Steigerung der Industrieproduktion geführt. Danach kam es zu einer gewissen Gegenbewegung, die aber kleiner ausfiel als befürchtet. Zuletzt hat sich die Produktion in den meisten Ländern moderat expandiert. Zudem deuten die verfügbaren Vorlaufindikatoren auf eine stabile Entwicklung hin. Gleichzeitig hat der Dienstleistungssektor etwas „an Puste verloren“. Besonders in China und den USA lässt die Nachfrage nach konsumnahen Dienstleistungen nach, was sich dämpfend auf das Wachstum auswirkt. Inflation und Zinsen: Rückgang mit Unsicherheiten Die Inflationsentwicklung hat sich im Jahr 2025 stabilisiert, bleibt aber ein zentrales Thema der wirtschaftspolitischen Diskussion. In der Eurozone liegt die Preissteigerung aktuell bei 2 Prozent, in den USA knapp unter 3 Prozent. Auch die Kerninflation, also die Inflationsrate ohne die volatilen Energie- und Nahrungsmittelpreise, bewegt sich auf einem niedrigeren Niveau als in den vergangenen Jahren (Eurozone 2,3 Prozent, USA 3,1 Prozent). Gleichzeitig steigen die Risiken eines erneuten Inflationsanstiegs. Insbesondere in den USA könnten die Auswirkungen der protektionistischen Handelspolitik mittelfristig zu einem neuen Preisdruck führen. Zwar zeigen sich diese Effekte bislang nur begrenzt, könnten aber zeitverzögert eintreten. Die FED hatte im September ihre Zinspause beendet und die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte gesenkt – begründet durch schwache Arbeitsmarktdaten. Weitere Zinssenkungen sind wahrscheinlich. Die EZB hingegen nähert sich dem Ende ihres Zinssenkungszyklus; der Einlagensatz liegt aktuell bei 2 Prozent.
Geldpolitik, Arbeitsmarkt und Fiskalpakete unterstützen Erholung Die US-Importzölle bremsen das Wachstum vielerorts, doch ein noch größerer Effekt dürfte von der daraus resultierenden Unsicherheit ausgehen. Diese wirkt sich negativ auf die Investitionsentscheidungen der Unternehmen aus und bewegt oft auch Konsumenten dazu, mehr zu sparen. Jedoch gibt es auch bei diesem Thema regionale Unterschiede. In Deutschland war die Unsicherheit die letzten Jahre über besonders hoch. Hauptgründe dafür waren die Rezession der vergangenen rund 24 Monate, die räumliche Nähe zum Krieg in der Ukraine, strukturelle Herausforderungen sowie ausbleibende Wachstumsimpulse. Immerhin ist zuletzt die gemessene Unsicherheit wieder etwas gesunken, wenn sie auch auf hohem Level bleibt. Die neuen Handelsvereinbarungen haben die Lage erst einmal leicht entspannt. Somit dürfte der wachstumsbremsende Effekt etwas nachlassen, trotzdem bleiben die Umstände fragil. Die konjunkturelle Lage wird jedoch auch von anderen Faktoren beeinflusst als von der Handelspolitik der USA und deren Auswirkungen. Erstens spielt die Geldpolitik ebenfalls eine Rolle. Die Zinssenkungen dürften Investitionen und Konsumausgaben mit einer bestimmten zeitlichen Verzögerung stimulieren. Allerdings haben zuletzt die Renditen der (zehnjährigen) Staatsanleihen angezogen – wegen des erhöhten staatlichen Bedarfs an Finanzierung. Da viele Finanzierungsinstrumente an diese Größe gebunden sind, ist davon auszugehen, dass ein Teil des Zinssenkungseffekts verloren geht. Zweitens ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor relativ robust und Lohnanstiege verstärken die Kaufkraft der Haushalte. Somit werden wohl die Konsumausgaben stabilisiert und der private Konsum dürfte die wirtschaftliche Aktivität vor allem in diesem Jahr stützen. Ein dritter Faktor, der vor allem nächstes Jahr relevant sein dürfte, ist die Fiskalpolitik. Besonders in Deutschland werden staatliche Investitionen und Ausgaben für Verteidigung positiv zum Wirtschaftswachstum beitragen. Hierzulande wurden das umfangreiche Infrastrukturpaket und der „Investitionsbooster“ beschlossen, viele andere EU-Länder profitieren noch vom NextGen-Förderprogramm der EU. Ausblick 2026: Resilienz mit Risiken Nächstes Jahr dürfte sich das globale Wirtschaftswachstum etwas verlangsamen und bei knapp 3 Prozent liegen. Jedoch werden die regionalen Entwicklungen unterschiedlich sein. In den USA dürfte die Wachstumsdynamik wegen der negativen Auswirkungen der Handelspolitik und der nach wie vor hohen Unsicherheit nachlassen. Es kann eine Wachstumsrate von 1,5 Prozent erwartet werden. Auch in China wird sich wohl die wirtschaftliche Aktivität, belastet durch die Handelsstreitigkeiten und durch die ungelösten Probleme im Immobiliensektor, etwas weiter auf 4,4 Prozent verlangsamen. Optimistischer als 2025 sieht es in Teilen Europas aus. Im Euroraum dürfte sich das Wachstum moderat fortsetzen, getragen von den staatlichen Investitionen und einer stabilen Beschäftigungslage. Deutschland könnte hier eine tragende Rolle spielen, sofern die Investitionsprogramme effizient umgesetzt werden. In den Schwellenländern bleibt der Ausblick gemischt. Indien dürfte sein Wachstum mit 6,2 Prozent fortsetzen, sofern die Reformen im Bildungs- und Arbeitsmarktbereich voranschreiten. Auch Indonesien dürfte die Wachstumsdynamik halten können und weiter mit knapp 5 Prozent expandieren. Chancen und Risiken sind bei diesen Prognosen nicht zu vernachlässigen. Auf der positiven Seite könnte die Entwicklung der Produktivität durch den verstärkten Einsatz von künstlicher Intelligenz weltweit beschleunigt werden. Auch weitere Handelsverträge könnten den Welthandel stärker als erwartet expandieren lassen. Interessanterweise hat die Zollpolitik der USA im Rest der Welt zu einer Reihe von neuen Handelsabkommen geführt. Das Abkommen der Vereinigten Königreichs mit Indien sowie Mercosur sind Beispiele. Die EU plant ebenfalls, ihr Abkommen mit Indien bis Ende 2025 unter Dach und Fach zu haben. Auf der negativen Seite könnten sich einige der aktuellen geo- und handelspolitischen Konflikte verschärfen. Mögliche Folgen davon wären der Anstieg der Unsicherheit sowie der Energiepreise und/oder Lieferkettenprobleme. Auch ein Wiederaufflammen der Inflation ist durchaus ein Risiko. Dies könnte die Kaufkraft der Konsumenten und somit die Kauflust reduzieren und die Notenbanken wieder zu höheren Zinsen zwingen. Für Aufsichtsräte empfiehlt es sich, die makroökonomischen Entwicklungen im Jahr 2026 sowie potenzielle geopolitische Störfaktoren strukturiert zu verfolgen. Dabei sollten die möglichen Auswirkungen auf das eigene Unternehmen und die relevanten Märkte sorgfältig analysiert werden. Eine vorausschauende Positionierung auf mögliche Disruptionen ist unerlässlich – denn die makroökonomische Volatilität wird auch im kommenden Jahr und vermutlich darüber hinaus bestehen bleiben.
Dr. Pauliina Sandqvist Manager | Research | Deloitte Deutschland
Dr. Alexander Börsch Chefökonom & Director Research | Deloitte Deutschland
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