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Generative künstliche Intelligenz im Corporate Reporting: Eine Revolution im Finanzbereich?
Die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung haben nahezu alle Bereiche der Wirtschaft erfasst. Auch in den Abläufen der Unternehmen führt dies zu großen Veränderungen – der Finanzbereich bildet da keine Ausnahme. Eine der faszinierendsten Entwicklungen in diesem Zusammenhang ist der Einsatz generativer künstlicher Intelligenz (KI) im Corporate Reporting, was hierbei durchaus alle Prozessschritte von der ersten Erfassung einer Transaktion bis hin zur internen sowie externen Berichterstattung umfasst. Diese Technologie hat das Potenzial, die Art und Weise, wie Unternehmen ihre Berichtsdaten verarbeiten und präsentieren, grundlegend zu verändern.
In Folgenden soll kurz skizziert werden, wie generative KI in das Corporate Reporting Einzug halten wird, in welchen Bereichen sie Vorteile bietet und welche Herausforderungen noch bestehen.
Grundlagen
Die Entwicklung generativer künstlicher Intelligenz (KI) hat die Art und Weise, wie wir maschinelles Lernen und die Verarbeitung natürlicher Sprache verstehen, grundlegend verändert.
In den letzten zehn Jahren haben sich tiefe neuronale Netzwerke, insbesondere die sogenannten „Deep Learning“-Modelle, als äußerst effektiv erwiesen. Diese sind in der Lage, komplexe Muster und Beziehungen in großen Datensätzen zu erkennen. Dabei haben Modelle wie BERT (Bidirectional Encoder Representations from Transformers) und GPT-3 (Generative Pretrained Transformer 3) die natürliche Sprachverarbeitung revolutioniert. Insbesondere GPT-3 ist ein Beispiel für ein generatives Modell, das natürliche Sprache verstehen und Texte generieren kann. Mittlerweile liegt mit GPT-4 sogar eine noch leistungsfähigere und verbesserte Architektur vor.
Ein weiterer entscheidender Treiber für den Erfolg generativer KI ist der Zugang zu immer größeren Datensätzen. In den letzten zehn Jahren sind die verfügbaren Datenmengen exponentiell gewachsen. Dies ermöglicht es generativen Modellen, bessere und vielfältigere Ergebnisse zu erzielen.
Dabei darf nicht vergessen werden, dass diese gesamte Entwicklung nur aufgrund der Fortschritte im Bereich der Hardware und der Leistungsfähigkeit heutiger Rechner möglich ist.
Abb. 1 – Prognose zum Umsatz mit Unternehmensanwendungen im Bereich künstliche Intelligenz in Europa von 2016 bis 2025 (in Millionen US-Dollar)

Quelle: Generative KI – weltweit, n.d., https://de.statista.com/statistik/daten/studie/620513/umfrage/umsatz-mit-anwendungen-im-bereich-kuenstliche-intelligenz-in-europa/
Welche (potenziellen) Anwendungsbereiche bietet die generative KI in der Rechnungslegung?
Die (potenziellen) Anwendungsbereiche der GenAI in der Rechnungslegung sind vielfältig:
1. Automatisierung der Buchführung
Generative KI kann dazu verwendet werden, Transaktionen automatisch zu verarbeiten und in den ERP-Systemen zu erfassen. Diese Automatisierung minimiert menschliche Fehler und beschleunigt den Prozess erheblich. Zwar kann auch die künstliche Intelligenz Fehler produzieren, jedoch werden diese häufig überschätzt, weil die menschliche Verarbeitung zu einer höheren statistischen Fehlerquote führt. Allerdings sind die sich anschließenden Fragestellungen zu Haftung bzw. Verantwortlichkeit nicht trivial und stellen ein grundsätzliches Problem in diesem Bereich dar.
2. Erstellung von Unternehmensberichten
Generative KI kann den zeitaufwendigen Prozess der Erstellung von Unternehmensberichten (in Teilen) übernehmen und deutlich verkürzen, indem sie Daten analysiert und automatisch Berichte erstellt. Gerade im Auffinden von Informationen sowie auch von Zusammenhängen in großen Dokumenten, vernetzt mit weiteren Informationsquellen, zeigt sich die Stärke der KI. So können moderne KI-Systeme unterschiedliche Vorschläge für Analysen bis hin zum voll automatisierten Bericht erarbeiten.
3. Betrugserkennung
Die Identifizierung von Betrug (Fraud) erfordert oft die Analyse großer Datenmengen. Generative KI kann dabei helfen, verdächtige Muster und Abweichungen aufzuspüren, die von Menschen möglicherweise übersehen werden.
4. Forecasting und Budgetierung
Die Vorhersage zukünftiger finanzieller Entwicklungen ist entscheidend für die Unternehmensplanung. GenAI kann Modelle entwickeln, die auf historischen Daten basieren und Prognosen erstellen. Damit liefern diese Modelle eine Grundlage für den im Controlling notwendigen und in der Regel zeitintensiven Planungsprozess. Gleichzeitig können durch eine Aggregation der Daten in Echtzeit eine laufende Überwachung von Plan/Ist-Abweichungen und deren Analyse erfolgen. KI-gestützt stehen dadurch unmittelbar Reaktionsszenarien zur Strategieanpassung zur Verfügung.
5. Wissensmanagement
Gerade im Bereich der Unternehmensberichterstattung existieren vielfältige, unterschiedliche Quellen externer, aber auch unternehmensinterner Informationen. Durch das Zusammenführen dieser Quellen und das automatische Erkennen von Zusammenhängen kann generative KI bei der Beantwortung von Bilanzierungs- bzw. Berichterstattungsfragen wertvolle Unterstützung leisten.

Vorteile des Einsatzes von generativer KI im Corporate Reporting
Der Einsatz von generativer KI im Corporate Reporting bietet eine Vielzahl von Vorteilen. Einer der wichtigsten – vor allem auch vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels – ist die Effizienzsteigerung: Durch die Automatisierung von Aufgaben können Unternehmen Zeit und Ressourcen sparen, die anderweitig für manuelle Aufgaben sinnvoll eingesetzt werden können. Übrig bleiben ggf. Reviewtätigkeiten, die jedoch auch gezielt zum Training der Systeme eingesetzt werden können, sodass sich diese stetig selbst optimieren. Diese Fähigkeit der KI-Systeme, ohne weitere Programmierung selbstständig zu lernen und sich zu verbessern, ist dabei einer der wesentlichen Vorteile gegenüber klassischen Systemen.
Gleichzeitig arbeitet eine KI mit hoher Präzision und minimiert menschliche Fehler. Natürlich führen diese Vorteile der Automatisierung von Buchführungsaufgaben und der Reduzierung des Bedarfs an menschlichem Personal zu einer Senkung der Betriebskosten bzw. ermöglichen es, dass sich die bestehenden Mitarbeiter:innen auf höherwertige Aufgaben konzentrieren können, die (bislang) von einer KI nicht ausreichend abgearbeitet werden können.
Herausforderungen des Einsatzes generativer KI
Trotz der oben dargestellten Vorteile gibt es auch diverse Herausforderungen und Bedenken im Zusammenhang mit dem Einsatz von generativer KI in der Rechnungslegung:
Datenschutz und Sicherheit
Der Umgang mit sensiblen Daten erfordert robuste Datenschutz und Sicherheitsvorkehrungen, um Missbrauch oder Datenlecks zu verhindern. Dieser Bereich kann dabei auch böswillige Manipulationen einschließen.
Abhängigkeit von Technologie
Die vollständige Automatisierung der Rechnungslegung kann dazu führen, dass Unternehmen zu stark von den technologischen Systemen abhängig werden und menschliche Expertise, einschließlich der Ermessensausübung, vernachlässigen. Hinzu kommt auch eine potenzielle Abhängigkeit von einzelnen großen Technologiekonzernen.
Ethische Fragen und/oder juristische Fragestellungen
Die Entscheidungsfindung von generativer KI kann intransparent sein, was ethische Fragen bezüglich der Verantwortung und Transparenz aufwirft: Wer haftet am Ende für fehlerhafte Buchungen oder einen fehlerhaften Finanzbericht? Kann die Letztverantwortung auf einen Algorithmus übertragen werden? Diese Fragestellungen würden sich noch verschärfen, wenn auch aufseiten der Abschlussprüfer und Regulatoren nur noch KI-Systeme zum Einsatz kämen.
Regulierung
Gerade wurde in der EU der AI Act verabschiedet, welcher den Einsatz von generativer KI regelt. Andere Staaten werden diesem Beispiel folgen. Je nach Ausgestaltung setzen die gesetzgeberischen Vorgaben dem Einsatz generativer KI Grenzen. Dies dürfte dann bspw. auch eine Rolle bei der Auswahl von Standorten im Rahmen von Off- oder Nearshoring-Überlegungen spielen.
Fazit
Der Einsatz von generativer KI in der Rechnungslegung markiert einen bedeutenden Meilenstein – auch im Finanzbereich von Unternehmen. Die Vorteile in Bezug auf Effizienz, Genauigkeit und Kostenreduktion sind vielversprechend, dürfen jedoch nicht ohne kritische Überlegungen hinsichtlich Datenschutz, Ethik und Abhängigkeit von Technologie betrachtet werden. Die Zukunft dieses aufstrebenden Bereichs verspricht eine spannende Zeit für Finanzexperten und Technologieenthusiasten gleichermaßen, während wir Zeuge einer Revolution in der Art und Weise werden, wie Daten verwaltet und genutzt werden.
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass nicht nur die Experten des Finanzbereichs, sondern auch Vorstand und Aufsichtsräte sich intensiv mit diesem Thema befassen und auf kommende Entwicklungen vorbereitet sind. Die Integration generativer KI in die Rechnungslegung erfordert eine strategische Vision und ein tiefes Verständnis für die Potenziale und Herausforderungen dieser Technologie. Die Führungsebene muss sich aktiv mit den Auswirkungen auf die Unternehmensführung und die Unternehmensstrategie auseinandersetzen, um sicherzustellen, dass die Implementierung von generativer KI die langfristigen Ziele und Werte des Unternehmens unterstützt.
In einer Welt, in der Daten immer wertvoller werden und die Geschwindigkeit der Veränderungen exponentiell zunimmt, ist die aktive Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken der generativen KI in der Rechnungslegung ein Schlüssel zur erfolgreichen und nachhaltigen Unternehmensführung. Organisationen, die sich rechtzeitig darauf einstellen und ihre Führungsebene entsprechend qualifizieren, werden die Vorreiter in dieser aufregenden neuen Ära der Finanzwelt sein.
NB: Dieser Artikel wurde unter teilweiser Nutzung von generativer KI erstellt.
Partner & Leiter IFRS and Corporate Reporting | Deloitte Deutschland
Partnerin & Head of Accounting & Reporting Advisory Services | Deloitte Deutschland
Dr. Felix Fischer
Director | Deloitte Deutschland
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