Corporate Governance Inside
Beitrag von Univ.-Prof. Dr. Annette G. Köhler
Audit Quality Indicators
Frau Univ.-Prof. Dr. Annette Köhler ist Inhaberin des Lehrstuhls für Rechnungswesen, Wirtschaftsprüfung und Controlling an der Universität Duisburg-Essen und Vorsitzende mehrerer Prüfungsausschüsse.
Spätestens seit der im Regierungsentwurf des Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetzes (FISG) verankerten Anforderung an Prüfungsausschüsse, sich u.a. mit der Qualität der Abschlussprüfung befassen zu müssen, nimmt die Diskussion um die Qualität der Abschlussprüfung bzw. des Abschlussprüfers und deren Messung wieder Fahrt auf. Das Thema ist nicht neu. Bereits seit der Einführung der Pflichtrotation des Abschlussprüfers und der Formalisierung des Auswahlprozesses des Abschlussprüfers durch die jüngste Audit-Reform auf europäischer Ebene haben sich Prüfungsausschüsse dezidiert mit den alternativen Angeboten von Abschlussprüfern in Reaktion auf die Ausschreibung von Prüfungsmandaten auseinanderzusetzen. Im Mittelpunkt stehen dabei üblicherweise die Beurteilung der Prüfungsgesellschaft und insbesondere des Prüfungsteams sowie das geplante prüferische Vorgehen. Daneben enthält der Deutsche Corporate Governance Kodex in Ziffer D.11. eine Empfehlung, wonach der Prüfungsausschuss regelmäßig eine Beurteilung der Qualität der Abschlussprüfung vornehmen solle. Hier wird also auf den tatsächlich durchgeführten Prüfungsauftrag abgestellt.
Prüfungsausschüsse sind daher mittlerweile aus mindestens zwei Gründen dazu angehalten, sich mit Prüfungsqualität zu beschäftigen:
- Vor dem Hintergrund der Verpflichtung des Aufsichtsrats, den Abschluss selbst zu prüfen, und des üblichen Rückgriffs auf die gesetzliche Abschlussprüfung zur Erfüllung dieser Pflicht kann es nur im Interesse des Aufsichtsrats und insbesondere des Prüfungsausschusses in seiner vorbereitenden Funktion sein, auf eine hohe Prüfungsqualität hinzuwirken.
- Die zunehmende (berechtigte) Sensibilität der Abschlussadressaten und des Gesetzgebers für Prüfungsqualität mit den oben beschriebenen Anforderungen bringt Prüfungsausschüsse zunehmend in eine Rechenschaftsposition.
Bezugsrahmen
Abschlussprüfung ist für Außenstehende grundsätzlich unbeobachtbar und damit ein Vertrauensgut. Anders ausgedrückt können Prüfungsausschüsse über einen schriftlichen und persönlichen Austausch zwar einen Eindruck über das Prüfungsteam und das prüferische Vorgehen erlangen, uneingeschränkt und direkt zugänglich sind aber lediglich der Prüfungsbericht und der Bestätigungsvermerk – und damit das Ergebnis der Abschlussprüfung. Daneben unterliegen Prüfungsausschüsse zusätzlichen Restriktionen durch eine systematisch bedingte asymmetrische Informationsverteilung zwischen dem Ersteller (vereinfacht repräsentiert durch den CFO), dem Abschlussprüfer und dem Prüfungsausschuss selbst. Diese Informationsasymmetrie wiegt umso schwerer, als die zumindest kurzfristigen Ziele der drei Parteien durchaus divergieren können. Zur Erinnerung: Ziel bzw. Gegenstand der Abschlussprüfung ist die Abgabe eines Prüfungsurteils auf Basis sog. ausreichender und angemessener Prüfungsnachweise, die durch Art und Umfang der Prüfungshandlungen determiniert werden. Mit jeder Prüfungshandlung geht folglich ein positiver Beitrag zur Erreichung von Prüfungssicherheit einher; gleichzeitig ist damit ein z.T. nicht unerheblicher Ressourceneinsatz verbunden. Und mehr noch: Je niedriger die Glaubwürdigkeit der vom Management bereitgestellten Informationen und je konfliktträchtiger die Beobachtungen des Prüfers in Krisensituationen, desto mehr Ressourcen hat der Prüfer bei der Prüfung einzusetzen. Wirtschaftlichkeitsgründe werden also stets gerade in denjenigen Situationen, in denen der Prüfer besonders gefordert ist, darauf hinwirken, dass er diese Situationen möglichst unbeschadet und schnell hinter sich lässt. Verstärkt werden dürfte dieser Anreiz in der dargestellten Situation durch das gleichgerichtete Interesse des Managements – allerdings im Widerspruch zum Interesse des Aufsichtsrats bzw. Prüfungsausschusses, der naturgemäß besonders in diesen Situationen auf den ausgeweiteten Einsatz des Prüfers angewiesen ist.
Die beschriebene Befassung mit der Prüfungsqualität durch den Prüfungsausschuss muss demzufolge bereits prozessual an Grenzen stoßen. Darüber hinaus gibt es kein einheitliches Verständnis von Prüfungsqualität. Vielmehr hängen die Merkmale, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen, deren Gewichtung sowie deren gewünschte Ausprägung davon ab, wer diese Befassung vornimmt, d.h. welche Interessenlagen und Verantwortlichkeiten vorherrschen. Folglich sind auch Audit Quality Indicators (AQI) stakeholderspezifisch.
Schließlich führt die Verdichtung qualitativer zu quantitativen Informationen zwingend zu Informationsverlusten. Folglich muss festgestellt werden, dass AQI zwar zur Objektivierung und damit Vergleichbarkeit von prüfungsqualitätsspezifischen Faktoren beitragen, aber weder notwendig noch hinreichend sind, um Prüfungsqualität generell zu beschreiben oder zu evaluieren.
Kategorien und Beispiele
Im Einklang mit einer mittlerweile weit verbreitenden Sichtweise auf Prüfungsqualität als sog. Konstrukt mit mehreren Dimensionen lässt sich Prüfungsqualität anhand von Merkmalsgruppen charakterisieren. So unterscheidet z.B. das International Auditing and Assurance Standards Board (IAASB) zwischen
- Input: u.a. Werte und Kompetenz des Prüfungsteams,
- Prüfungsprozess: u.a. Übereinstimmung der Prüfungsdurchführung mit den einschlägigen Prüfungs- und Qualitätsstandards,
- Output: u.a. Prüfungsbericht und Bestätigungsvermerk,
- Interaktion: u.a. Kooperation mit dem Management und dem Prüfungsausschuss, aber auch Kommunikation mit Investoren und Regulatoren, und
- Kontext: regulatorischen Rahmenbedingungen insbesondere im Bereich Corporate Governance und Rechnungslegung.¹
Dies zeigt, dass Prüfungsausschüsse gut beraten sind, einen Prozess für die Herleitung und Anwendung von AQI zu definieren und dabei explizit sowohl den CFO als auch den Abschlussprüfer mit einzubeziehen. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass AQI nicht als Misstrauenssignal oder mechanistische Kontrollinstrumente verstanden, sondern vielmehr als Instrument zur Förderung von Prüfungsqualität genutzt werden.
Seit Jahren haben sich verschiedene Organisationen des Berufsstands der Wirtschaftsprüfer, aber auch Prüfungsgesellschaften und die Wissenschaft mit der Identifikation von AQI befasst, d.h., das Thema ist auch konzeptionell nicht neu. Es fällt allerdings auf, dass AQI nicht nur unterschiedliche Aggregationsniveaus aufweisen, sondern dass auch die konkrete Formulierung von Benchmarks unterbleibt. Beispielhaft und keineswegs als abschließende Handreichung seien im Folgenden auszugsweise Indikatoren u.a. des Center for Audit Quality (CAQ)², der Chartered Professional Accountants (CPA) Canada³, des Audit Committee Institute⁴ und des IDW PH 1/2018⁵ aufgeführt:
- (Branchen-)Expertise und Erfahrung des Prüfungsteams, differenziert nach Prüfungsleiter und Manager
- Betriebszugehörigkeit und Teamzugehörigkeit/Fluktuation der Mitglieder des Prüfungsteams
- Fortbildung der Mitglieder des Prüfungsteams
- Zeiteinsatz der Mitglieder des Prüfungsteams (absolut und relativ), differenziert nach Prüfungsleiter, Manager und Prüfungsassistenten – auch im Vergleich zum Vorjahr
- Definition von Meilensteinen sowie Beschreibung des Prüfungsplans und -budgets
- Abweichungsanalysen bei Plan- und Budgetabweichungen
- Zuordnung des Zeiteinsatzes zu signifikanten Risiken und Prüfungsschwerpunkten – auch im Vergleich zum Vorjahr
- Einsatz von Experten, auch im Vergleich zum Vorjahr
- Einsatz von Forensikern, auch im Vergleich zum Vorjahr
- Auslagerung von Prüfungshandlungen an Netzwerkmitglieder, auch im Vergleich zum Vorjahr
- Auslagerung von Prüfungshandlungen an Shared Service Center, auch im Vergleich zum Vorjahr
- Einsatz von Prüfungssoftware und datenanalytischen Verfahren
- Kommunikation bei unerwarteten Problemen während der Prüfung und in Bezug auf bedeutsame Sachverhalte, die mit dem Management besprochen werden
- Kommunikation bei Feststellungen und bedeutsamen Schwächen im IKS
- Kommunikation in Bezug auf Prüfungshandlungen zur Aufdeckung von Fraud
- (Branchen-)Expertise und Erfahrung des Engagement Quality Review Partner (EQCR); Qualitätssicherungsmaßnahmen
- Feststellungen aus internen Qualitätsreviews und Gegenmaßnahmen
- Feststellungen aus DPR-Feststellungen, den Peer Reviews und den Inspektionen der Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS) und Gegenmaßnahmen
- Festgestellte Unabhängigkeitsverstöße
- Kommunikation aktueller regulatorischer Entwicklungen
Vor dem Hintergrund der beschriebenen Interessenlagen und Informationsasymmetrien ist es empfehlenswert, den Prozess der Herleitung und die Anwendung von AQI regelmäßig zu reflektieren und zu dokumentieren. Nur so kann vermieden werden, dass auf Basis von AQI voreilige oder verzerrte Entscheidungen gefällt oder unangemessene Erwartungen an die Beurteilung der Prüfungsqualität durch Prüfungsausschüsse gerichtet werden.
Im zweiten Schritt ist es angezeigt, im Austausch mit Stakeholdern, aber auch anderen Prüfungsausschüssen das eigene Vorgehen weiterzuentwickeln und von Erfahrungen aller Beteiligten zu lernen. AQI sind work in progress – und Erwartungsmanagement tut not.
Referenzen
¹ A Framework for Audit Quality | IFAC (iaasb.org); abgerufen am 30.04.2021.
² CAQ (2014): CAQ Approach to Audit Quality Indicators, URL: https://www.thecaq.org/wp-content/uploads/2019/03/caq-approach-to-audit-quality-indicators-april-2014.pdf; abgerufen am 30.04.2021.
³ CPA Canada (2018): Audit Committee Guide to Audit Quality Indicators, URL: https://www.cpacanada.ca/en/business-and-accounting-resources/audit-and-assurance/enhancing-audit-quality/publications/guide-to-audit-quality-indicators; abgerufen am 30.04.2021.
⁴ Der Navigator: Audit Quality Insights für den Aufsichtsrat (Audit Committee Institute e.V.) 2019.
⁵ IDW Praxishinweis: Zielorientierte Ableitung von Indikatoren zur Steuerung und Überwachung der Prüfungs-qualität im Rahmen des Qualitätsmanagement-Prozesses nach IDW QS 1 (IDW Praxishinweis 1/2018).