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Smart Audit

"Big Data" – Potenziale für innovative Abschlussprüfungen

Die Digitalisierung erzeugt Daten in einem bisher nicht gekannten Ausmaß. „Big Data“ ist zum Schlagwort geworden, große Datenmengen in Mehrwerte zu verwandeln. Das gilt auch für die Abschlussprüfung. Innovative Abschlussprüfungen nutzen digitale Informationen für ein umfassendes Verständnis vom zu prüfenden Unternehmen und der möglichen Fehlerrisiken. So lassen sich Prüfungshandlungen zielgenau gestalten und durchführen.

Wodurch zeichnet sich eine gute Abschlussprüfung aus? Sie kommt schnell und geräuschlos zu ihrem Ziel, eine verlässliche Aussage über die Qualität der Rechnungslegung zu treffen. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei, wie der Abschlussprüfer Daten über das und aus dem Unternehmen erlangt und wie er diese für seine Zwecke nutzt, indem er sie auswertet und daraus Folgerungen für sein Prüfungsvorgehen ableitet.

Sprechen wir von Informationen über das zu prüfende Unternehmen, so bedeutet „Big Data“ bessere Verfügbarkeit von Informationsquellen in kürzerer Zeit, steigende Granularität der verfügbaren Daten sowie komplexere für die Prüfung nutzbare Erkenntnisse. Innovative Abschlussprüfer greifen automatisiert und „real time“ auf verfügbare Branchen- und Marktdaten zu und nutzen sie z.B. zur Bildung von Referenzwerten. Diese stehen im Rahmen der Prüfung für diverse Soll/Ist-Vergleiche zur Verfügung, z.B. im Bereich der Bewertungsprüfung liquider Vermögensgegenstände, die so voll-automatisiert und kontinuierlich ausgestaltet werden kann.

Einheitliche Strukturen und laufende Verfügbarkeit von Daten aus dem Unternehmen sind eine wesentliche Basis der modernen Prüfungsdurchführung. Darum steht die kontrollierte und vor allem sichere Datenextraktion im Fokus diverser technischer Innovationen. Cloudbasierte „Audit Data Lakes“ unterstützen mittlerweile viele Mandanten und Prüfungsteams während der Prüfungsdurchführung, um eine reibungslose Zusammenarbeit sicherzustellen. Anwendungsbeispiele reichen dabei von der workflowgestützten Nutzung elektronischer Datenräume für den Datenaustausch zwischen Prüfer und Mandant bis zum permanenten und jederzeit geschützten Zugriff auf für die Prüfung relevante Transaktionsdaten mittels sogenannter Secure Agents, die den Prüfer nahtlos in die unternehmensinternen Informationssysteme integrieren und ein „Continuous Auditing“ ermöglichen.

Einheitliche Strukturen und laufende Verfügbarkeit von Daten aus dem Unternehmen sind eine wesentliche Basis der modernen Prüfungsdurchführung.
Durch "Big Data" liegen für die Prüfung relevante Informationen in digitaler Form vor und ermöglichen innovative Analysen.

Sobald Daten erlangt und aufbereitet sind, können ihre Potenziale für die Prüfung erschlossen werden. Am Anfang stehen dabei im Rahmen vorbereitender analytischer Prüfungshandlungen sogenannte Predictive Analytics. Der Prüfer analysiert relevante Unternehmenskennzahlen und nutzt dazu Prognosemodelle, die z.B. auf potenzielle Risiken für materielle Falschdarstellungen hindeuten. Diese Prognosemodelle sind mit Verfahren künstlicher Intelligenz auf Basis umfassender länder- und branchenspezifischer Datenbasen zu Unternehmensinsolvenzen und Rechnungslegungsfehlern trainiert worden und werden fortlaufend weiterentwickelt.

Diese übergreifende, auf verdichteten Unternehmenskennzahlen beruhende Risikoanalyse wird ergänzt um Transaction Analytics der in digitaler Form vorliegenden Transaktionsdaten. Hierbei fokussiert der Prüfer regelmäßig und ebenfalls KI-gestützt auf die Entdeckung von Anomalien in der Transaktionsverarbeitung, die sich aus absichtlichen und unabsichtlichen Abweichungen zu vorgegebenen Verarbeitungsregeln ergeben. Liegen Transaktionsdaten ausnahmsweise nicht strukturiert, sondern z.B. in Form von papierbasierten Dokumenten vor, kommen Methoden der optischen Bilderkennung in Kombination mit Methoden des Natural Language Processing zum Einsatz, um z.B. in Papierform vorliegende Standardverträge auf Abweichungen hin zu untersuchen.

Die umfassende Analyse möglicher Fehlerrisiken wird im Kanon moderner Prüfungsmethoden durch sogenannte Process Analytics abgeschlossen. Mit deren Hilfe werden Informations- und Werteflüsse ganzheitlich analysiert: Ausgehend von erfassten Buchungen auf den relevanten Konten nutzt der Prüfer die digitalen Spuren der zugrunde liegenden Transaktionen. Er rekonstruiert den Pfad der Geschäftsvorfälle durch die IT-Systeme und wertet aus, wie die Prozesse durchgeführt wurden, wer involviert war und in welchem Umfang sich Korrekturen oder Abweichungen ergaben. Diese Prozessdatenanalyse schafft durch die Komplettbetrachtung aller Prozessschritte vollständige Transparenz über die Ist-Prozesse. Durch Abgleich mit vordefinierten Soll-Zuständen werden Inkonsistenzen in Prozessabläufen sichtbar.

Durch „Big Data“ liegen für die Prüfung relevante Informationen über das und aus dem Unternehmen in digitaler Form vor und ermöglichen innovative Analysen, deren Ergebnis ein umfassendes Risikoverständnis des Prüfers ist. Die sich anschließenden Prüfungshandlungen zur Prüfung interner Kontrollen und von Einzelfällen können sehr genau auf die Risikolage angepasst und auf das erforderliche Maß an Prüfungssicherheit zugeschnitten werden. Prüferische Fokussierung in Kombination mit automatisierten Datenextraktionsmethoden ist weniger belastend für die zu prüfende Organisation. Darüber hinaus steigert die digitale Transformation der Abschlussprüfung ihre Transparenz und schafft somit die Datenbasis für die Formulierung zuverlässiger „Audit Quality Indicators“ zur Überwachung der Qualität der Abschlussprüfung für den Prüfungsausschuss.

Andreas Wermelt Partner & Leiter Audit Transformation, Deloitte Deutschland

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