Corporate Governance Inside
Umsetzung der neuen Nachhaltigkeitsberichterstattung
Der Aufsichtsrat und die CSRD
Gestalten statt verwalten
Seit der Umsetzung der europäischen Non-Financial Reporting Directive (NFRD) in nationales Recht im Jahre 2017 sind viele Unternehmen bereits zu einer Nachhaltigkeitsberichterstattung im Rahmen der nicht-finanziellen Erklärung (NFE) verpflichtet. Diese mittlerweile geübte Berichterstattung wird ab 2025 durch die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) nochmals deutlich und im Ergebnis grundlegend auf neue Füße gestellt und durch die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) konkretisiert.
So weit, so gut und hoffentlich auch bereits bekannt. In den betroffenen Unternehmen laufen derzeit die Vorbereitungen auf Hochtouren, um die erhöhten Anforderungen an die Berichterstattung im nächsten Jahr auch tatsächlich umsetzen und damit leisten zu können.
Dominanz und Relevanz der Wesentlichkeitsanalyse
Im Zentrum steht dabei die Wesentlichkeitsanalyse, die – richtig verstanden und umgesetzt – den Dschungel aus unzähligen berichtspflichtigen Datenpunkten auf ein verträgliches und vor allen Dingen konstruktives, individuell relevantes Maß beschränkt.
Bereits im Rahmen dieser Wesentlichkeitsanalyse muss der Aufsichtsrat intensiv eingebunden sein. Auch sollte der Aufsichtsrat in Gänze oder aber zumindest ein zuständiger Ausschuss diese Analyse eng begleiten. Dies gilt nicht nur für die Konzeption und die Vorauswahl der unternehmensspezifisch ausschlaggebenden Aspekte, sondern auch für die späteren Interviews mit relevanten Stakeholdern sowie deren Analyse.
Kompetenzen im Aufsichtsrat
Die Einbindung in die Wesentlichkeitsanalyse konfrontiert den Aufsichtsrat mit der Frage, welche Kompetenzen im Aufsichts- und Beratungsgremium tatsächlich im Bereich der Nachhaltigkeit und des Nachhaltigkeitsreportings vorhanden sind.
Wer sich allerdings erst jetzt mit dieser Frage auseinandersetzt, hat in der Vergangenheit bereits den ein oder anderen Stockfehler begangen. Denn schon seit einiger Zeit heißt es in der Empfehlung D.3 des Deutschen Corporate Governance Kodex, dass „zur Rechnungslegung und Abschlussprüfung auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung und deren Prüfung gehören“. Aufsichtsräte müssten sich also schon längst mit der Frage beschäftigt haben, wer in dem Gremium beim Thema Nachhaltigkeit und insbesondere beim Nachhaltigkeitsreporting ausreichende Expertise und Kompetenzen mitbringt.
Allerdings ist die Kodex-Empfehlung zunächst auf den Prüfungsausschuss und damit auf die Rechnungslegung und eben die Abschlussprüfung bezogen. Das nimmt natürlich auch direkt Bezug auf die anstehende CSRD-Berichterstattung und sollte zunächst für entsprechende Entspannung sorgen.
Wer das Thema CSRD jedoch allein auf die Berichterstattung und Abschlussprüfung reduziert, hat von Beginn an einen Nachteil und ein Verständnisproblem. So geht es bei der CSRD – wie auch bei der Taxonomie oder der nicht-finanziellen Erklärung – selbstverständlich um eine richtige und vollständige Darstellung der unternehmensspezifisch relevanten Aspekte und Daten im Bereich Umwelt, Soziales und Governance. Deutlich wichtiger ist aber die Auseinandersetzung auch des Aufsichtsrats mit der strategischen Relevanz und dem entsprechenden Impact all dieser Daten auf die zukünftige Ausrichtung und das zukünftige Wirken des Unternehmens.
Wann gehört das aufs Tapet?
Dabei stellt sich die konkrete Frage, wann eine solche Diskussion in den Gremien und damit auch im Aufsichtsrat stattfinden soll. Die einfache Antwort lautet, dass dies bereits schon längst der Fall sein sollte. Tatsächlich wird es sich dabei aber um einen langen und vor allen Dingen fortwährenden Prozess handeln, in dessen Verlauf durch immer mehr Daten, die durch die Berichtspflichten zutage gefördert werden, die Qualität und damit die Tiefe der Diskussion deutlich gewinnen werden.
Wo gehört das diskutiert?
Eine ganz andere Frage betrifft den Aspekt, wo eine solche Diskussion stattfinden soll und letztendlich tatsächlich stattfindet. Viele Unternehmen haben in der Vergangenheit spezielle EGS-Ausschüsse implementiert, andere Aufsichtsräte benennen ESG-Beauftragte oder verorten alles rund um das Thema Nachhaltigkeit im bereits thematisch arg strapazierten Prüfungssauschuss.

CSRD – der Blick in die Zukunft
Dabei dürfen die Relevanz und auch die Rolle des gesamten Themas nicht aus dem Auge verloren werden. Denn die erhöhte Transparenz via CSRD-Berichterstattung dient keinem Selbstzweck und ist nicht solitär zu betrachten. Der Mehrwert resultiert aus einer bewusst geführten Diskussion im Unternehmen und damit im Vorstand sowie auch im Aufsichtsrat über die Chancen und Risiken weit über die Rechnungslegung hinaus. Es geht um Resilienz, Risikotragfähigkeit und damit Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells und somit um die Strategie des Unternehmens.
Nur wenn es die Organe gemeinsam und ernsthaft schaffen, mit dieser Zielrichtung in eine Diskussion über eine zukünftige, nachhaltige und zugleich umsetzbare Unternehmensstrategie einzutauchen, werden sie für sich einen Mehrwert aus den teilweise als sehr belastend empfundenen Berichtspflichten ziehen können. Wer nur rückwärtsgerichtet auf das Reporting schaut, wird gerade keinen Nutzen für die Zukunft schaffen. Erst das intensive Auseinandersetzen mit den zahlreichen unternehmensrelevanten Datenpunkten wird das Unternehmen für die Zukunft besser, da resilienter und nachhaltiger aufstellen können.
Plenum einbinden
Aus alldem folgt, dass eine intensive Befassung mit dem Thema Nachhaltigkeit und der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der CSRD (allein) in einem speziell eingerichteten Ausschuss oder im Prüfungsausschuss nicht ausreichen wird. Auch das Plenum und damit der gesamte Aufsichtsrat müssen sich mit diesen Themen auseinandersetzen und in eine tiefe Diskussion einsteigen.
Dass das nicht immer einfach ist, zeigen die Erfahrungen bei den die Bilanz feststellenden Sitzungen. Auch hier sollte eine detaillierte Auseinandersetzung aller Mitglieder des Aufsichtsrats mit den Abschlüssen eigentlich selbstverständlich sein. Oftmals ist dies aber nicht mit der notwendigen Tiefe und Breite der Fall.
Starker Einfluss auf das Risikomanagementsystem
Nicht unterschätzen darf man zudem die Relevanz der CSRD für das Risikomanagement, die internen Kontrollsysteme und die interne Revision. Der Deutsche Corporate Governance Kodex sieht in Empfehlung A.3 bereits seit 2022 vor, dass nachhaltigkeitsbezogene Risiken im Risikomanagement zu berücksichtigen sind. Die Corporate Sustainability Reporting Directive wirkt hier im Hinblick auf Faktoren aus Umwelt, Sozialem und Governance deutlich verschärfend. Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) konkretisieren dabei die Implementierung von ESG-Risiken im Risikomanagement und ergänzen sie um die Ebene der Chancen.
Höchst relevant ist dabei die zwingende Notwendigkeit, die Risikokontroll- und Managementsysteme – wenn nicht schon längst geschehen – endlich einer Neuaufstellung zu unterziehen. Wichtig ist hierbei die Integration der Nachhaltigkeitsrisiken in das bestehende Managementsystem oder die Integration aller Risiken in eine neue Einheit. Bei vielen Gesellschaften werden die Nachhaltigkeitsrisiken bis heute gar nicht identifiziert und bewertet oder aber es bestehen zwei Risikokreise. Dies ist spätestens ab jetzt nicht mehr haltbar und gehört daher angepasst. Die Diskussion hierüber wäre klassischerweise im Prüfungsausschuss richtig verortet.
Expertise und Kompetenzen im Aufsichtsrat
Unabhängig von all den genannten Aspekten ist ein Parameter aber besonders relevant. Dabei geht es um die Frage, wer im Aufsichtsrat über die entsprechende Expertise und Kompetenz verfügt, um all diese Themen sachgerecht zu analysieren, zu bewerten und auch in das Gesamtgremium zu transportieren. Dabei gilt wie so oft, dass nicht nur ein oder zwei Mitglieder des Aufsichtsrates über die entsprechende Kompetenz verfügen sollten. Ähnlich wie im Vorstand sollte das Thema Nachhaltigkeit auch im Aufsichtsrat als Querschnittsthema gesehen werden. Daher ist es umso wichtiger, alle Mitglieder des Gremiums mit auf die Nachhaltigkeitsreise zu nehmen und über Schulungen sowie Qualifizierungen dafür Sorge zu tragen, dass das Thema bei allen Mitgliedern nicht nur ankommt, sondern auch verstanden wird. Dies ist auch deswegen so wichtig, da die ESG-Faktoren und damit das Thema Nachhaltigkeit unmittelbar auf die strategische Ausrichtung wirken. Und dies gilt nicht erst in fünf oder zehn Jahren, sondern bereits heute.
Ausreichend Raum und Zeit zuordnen
Um dem Thema ausreichend Raum und Aufmerksamkeit zuzuweisen, gilt es mitunter, dies außerhalb der klassischen Aufsichtsrats- oder Ausschusssitzungen anzugehen. Ein gut funktionierendes Tool sind dabei sog. Deep Dives, in denen interne und externe Referenten sehr konzentriert allein zu einem Thema vortragen und an dem konkret betroffenen Unternehmen erläutern, wie die CSRD und die damit verknüpften Aspekte wirken.
Selbstverständlich gehören die Themen auch in die Aufsichtsratssitzungen und in die relevanten Ausschüsse. Man wird aber wohl nicht umhinkommen, dies alles deutlich breiter zu adressieren und alle Mitglieder des Aufsichtsrats in die Pflicht zu nehmen.
Mehrwert generieren
Insofern sind die CSRD und deren Umsetzung als Startpunkt für eine veränderte, vor allen Dingen aber tiefere Diskussion im Aufsichtsrat über die Risiken, die Chancen und eben die nachhaltige Strategie des Unternehmens zu sehen. Wer die CSRD derart versteht und lebt, wird gestaltend tätig und verfällt nicht nur in einen passiven Verwaltungsmodus in Bezug auf die neuen Pflichten.
Marc Tüngler
Hauptgeschäftsführer | Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW)
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