Corporate Governance Inside
Umsetzung der neuen Nachhaltigkeitsberichterstattung
Erwartungen von Investoren an die Umsetzung der CSRD-Anforderungen
Einleitung
Mit Inkrafttreten und Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) erreicht die Unternehmensberichterstattung innerhalb der Europäischen Union (EU) einen Wendepunkt. Die CSRD soll die bisher noch bestehende Lücke in der Nachhaltigkeitsberichterstattung zwischen institutionellen Investoren einerseits und Emittenten andererseits schließen und endlich eine normierte und dadurch harmonisierte Beurteilung der Auswirkungen der Unternehmensaktivitäten auf die drei Säulen Umwelt (Environment, „E“), Gesellschaft (Social, „S“) und Unternehmensführung (Governance, „G“) ermöglichen. Im Folgenden soll aus der Brille eines institutionellen Investors auf die Erwartungen an die weitere Umsetzung geblickt werden. Es erscheint zu kurz gegriffen, die CSRD-Umsetzung nur auf den Berichtsaufwand zu reduzieren. Entscheidender ist, wie die künftig zur Verfügung stehenden Daten zielgerichtet ausgewertet und in strategische Entscheidungsprozesse, Budgetdiskussionen und Investitionspläne integriert werden können. Die Berichterstattung komplettiert vor diesem Hintergrund das Unternehmensprofil und erlaubt tiefergehende und umfangreichere interne und externe Analysen. Für Investoren stehen damit künftig weitere wesentliche Informationen für die Investment-Analyse zur Verfügung.
Hintergrund
Die CSRD löst die 2014 in Kraft getretene und ab 2016 per CSR-RUG in Deutschland umgesetzte Non-Financial Reporting Directive (NFDR, 2014/95/EU) ab. Diese formulierte erstmals Vorgaben zur Berichterstattung über wesentliche Nachhaltigkeitsaspekte, darunter u.a. Umweltangelegenheiten, Umgang mit sozialen Belangen und Schutz der Arbeitnehmerrechte, Einhaltung der Menschenrechte sowie Bekämpfung und Vermeidung von Korruption. Die CSRD erweitert die bereits bestehenden Berichtspflichten nun, u.a. um die Offenlegung von Nachhaltigkeitsstrategien und zugehörigen Maßnahmen. Diese erweiterten Anforderungen zielen darauf ab, Investoren und weiteren Stakeholdern ein besseres Verständnis von unternehmensspezifischen ESG-Risiken und -Chancen zu vermitteln. Allerdings hat der europäische Gesetzgeber nicht nur die Emittentenseite zu entsprechender Offenlegung verpflichtet, sondern im Zuge der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR, (EU) 2019/2088) auch die Investorenseite. Deren Inkrafttreten Anfang 2021 hat zu einem zeitlichen Versatz zwischen Verfügbarkeit der Datenbasis der Emittenten und der Gültigkeit der Regelungen für Investoren und damit zu einer Unausgewogenheit zwischen den beiden Seiten des Kapitalmarkts geführt. Mit der ab 2025 für das Geschäftsjahr 2024 erstmals gültigen Berichtspflicht für Unternehmen von öffentlichem Interesse und mit mehr als 500 Mitarbeitenden soll nun ein Gleichlauf hergestellt werden. In den Folgejahren wird der Kreis berichtspflichtiger Unternehmen stufenweise bis 2026 bzw. 2028 deutlich ausgeweitet.
Hauptbestandteile
Die Kritik an Umfang und Ausmaß der durch die CSRD adressierten Themen kann auf den ersten Blick gerechtfertigt erscheinen, schließlich hat nicht nur der geforderte Detailgrad, sondern auch der Umfang der Themen zugenommen. Hauptbestandteile der Berichterstattung bleiben:
- Umwelt mit Klimawandel, Ressourceneffizienz, Biodiversität, Wasser und Umweltverschmutzung
- Soziale bzw. gesellschaftliche Aspekte mit Arbeitnehmerrechten, Gleichstellung, Gesundheit, Arbeitssicherheit und Menschenrechte (auch entlang der Lieferkette), sowie Kunden
- Unternehmensführung bzw. Governance in den Bereichen Unternehmensethik, Korruptionsbekämpfung sowie Transparenz in der Unternehmensführung
Um hierzu eine normierte Form der Berichterstattung zu ermöglichen, verweist die Richtlinie auf die von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) erarbeiteten European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Verteilt auf insgesamt zwölf Bereiche, darunter zwei Querschnittsstandards, fünf im Bereich Umwelt, vier im Bereich Soziales und ein Standard im Bereich Governance, summieren sich insgesamt ca. 1.100 einzelne Datenpunkte, die für Unternehmen potenziell angabepflichtig werden können. Diese schiere Anzahl mag zunächst abschrecken, entscheidend ist hier aber das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit („Double Materiality“). Unternehmen haben also nur zu solchen ESRS zu berichten, die sich nach dem Verständnis der doppelten Materialität als wesentlich qualifizieren – also sowohl die tatsächlichen und potenziellen positiven und negativen Auswirkungen („Impacts“) des Unternehmens auf verschiedene Nachhaltigkeitsthemen als auch die Risiken („Risks“) und Chancen („Opportunities“) von Nachhaltigkeitsthemen für die finanzielle Lage eines Unternehmens sowie die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells (auch „finanzielle Wesentlichkeit“). Als einzige Ausnahme haben Unternehmen zu sämtlichen Aspekten des European Sustainability Reporting Standard 2 zu berichten, der damit eine Querschnittsfunktion erfüllt und zu einer gewissen Vergleichbarkeit führen soll.
Erwartungen der Investoren
Die Wesentlichkeitsanalyse ist bereits der erste Schritt, in dessen Umsetzung Investoren erwarten, dass Unternehmen einerseits transparent und nachvollziehbar festlegen, welche Bereiche aus ihrer Perspektive für eine entsprechende Berichterstattung qualifizieren, und andererseits die Kapitalmarktperspektive miteinbezogen wird. Die EFRAG hat einen Leitfaden („Implementation Guidance“) veröffentlicht, der Unternehmen bei der Vorbereitung und Durchführung von Wesentlichkeitsanalysen helfen soll. Für Investor.innen steht außerdem die Befassung auf Ebene des Aufsichtsrats mit den Ergebnissen im besonderen Fokus.
Grundsätzlich stellen Investoren die gleichen Anforderungen an diese wie auch an die rein finanzielle Berichterstattung:
1. Transparenz und Glaubwürdigkeit
Als Entscheidungsgrundlage benötigen Investoren transparente und glaubwürdige Informationen. Diese müssen klar, nachvollziehbar und überprüfbar sein. Einhaltung und Befolgung international anerkannter Standards und Rahmenwerke sind hierbei unerlässlich und geben gleichzeitig auch den Unternehmen Sicherheit. Eine Prüfung durch den Abschlussprüfer anhand etablierter Prüfungsstandards stellt die Belastbarkeit und Verlässlichkeit der bereitgestellten Informationen sicher. Die zunächst nur mit begrenzter Sicherheit („Limited Assurance“) vorzunehmende Prüfung, also eine Bestätigung, „dass keine Kenntnisse darüber erlangt wurden, dass die Informationen nicht in allen wesentlichen Belangen in Übereinstimmung mit den angewendeten Kriterien aufgestellt wurden“, dürfte aus Sicht des Kapitalmarkts und im eigenen Interesse der Gremien, insbesondere des Aufsichtsrats, perspektivisch mit hinreichender („reasonable“) Sicherheit vorgenommen werden. Diese Prüfung sähe vor, ausreichende Nachweise zu sammeln, um mit der entsprechenden Sicherheit zu dem Schluss zu kommen, dass der Prüfungsgegenstand in allen angewendeten Kriterien übereinstimmt.
2. Konsistenz und Vergleichbarkeit
Ebenso ist eine konsistente und vergleichbare Berichterstattung für Investoren von zentraler Bedeutung. Hierzu sind Nachhaltigkeitsberichte so zu gestalten, dass diese auch über Zeiträume hinweg einem konsistenten Aufbau und Muster folgen, um belastbare Vergleiche mit anderen Unternehmen innerhalb eines Sektors zu ermöglichen.

3. Ganzheitliche Risikoanalyse und Maßnahmen
Weitere wesentliche Bestandteile der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach CSRD sind umfassende Analysen der ESG-bezogenen Risiken, die nach der doppelten Wesentlichkeit zu erfassen und transparent darzustellen sind. Insbesondere die Identifikation von physischen und transformativen Klima- sowie gesellschaftlichen und regulatorischen Risiken ist hierbei darzulegen. Daraus sind weiterhin entsprechende Maßnahmen abzuleiten, wie mit diesen Risiken umgegangen werden soll.
4. Zielsetzungen und Berichte über Fortschritte
Unternehmen haben dann klare Zielsetzungen zu formulieren, wie sie welche Nachhaltigkeitsziele erreichen wollen, und regelmäßig über ihre Fortschritte zu berichten. Für Investoren ist insbesondere interessant, wie Unternehmen diese Ziele erreichen und welche Maßnahmen zur Umsetzung der Unternehmensstrategie ergriffen werden.
5. Integration in die Unternehmensstrategie
Mit der Integration dieser Nachhaltigkeitsaspekte in die Unternehmensstrategie und die entsprechenden Prozesse erreichen Unternehmen die Glaubwürdigkeit gegenüber Investoren, dass ESG-Faktoren integraler Bestandteil der langfristigen, strategischen Planung und operativen Umsetzung sind.
6. Engagement und Dialog mit Stakeholdern
Schließlich erwarten Investoren ein aktives Engagement mit Stakeholdern und einen kontinuierlichen Dialog, der zum Ausdruck bringt, wie Unternehmen die Anliegen und Erwartungen ihrer Stakeholder – inklusive der Aktionär:innen in ihrer Eigentümerrolle – in ihre nachhaltige Unternehmensstrategie einfließen lassen. Die Interviews zur Erstellung der Wesentlichkeitsanalyse können hierbei einen guten Startpunkt bieten.
Herausforderungen
Neben dem zu Beginn beschriebenen Umfang der Datenpunkte gibt es aus Investorensicht noch weitere Herausforderungen für Unternehmen in der Umsetzung der CSRD.
1. Datenbeschaffung und -management
Eine der größten und vielfach bereits antizipierten Herausforderungen besteht sicherlich in der verlässlichen Erhebung und Beschaffung der benötigten Daten. Dies dürfte zunächst zu einem erhöhten Aufwand führen. Bereits bestehende Datenerfassungssysteme müssen entsprechend erweitert und angepasst werden. Allerdings steht die Erhebung nur ganz am Anfang und Unternehmen sollten diese zusätzlichen Informationen als das betrachten, was sie sind: ein Datenschatz, der künftige Abläufe, Kalkulationen und Diskussionen besser strukturiert und anreichert und dadurch einen Mehrwert für das Unternehmen und seine Entscheidungsträger:innen stiftet.
Hier sollten insbesondere Vorstand und Aufsichtsrat im Dialog mit dem Kapitalmarkt deutlich machen, welche neuen Möglichkeiten und Perspektiven ermöglicht werden. Gleichzeitig steht mit dem European Single Access Point (ESAP) ein robustes Instrument zur Verfügung, um diese Daten entsprechend zentral verfügbar zu machen.
2. Kapazitäten und Ressourcen
Mit Implementierung der CSRD werden voraussichtlich erhebliche Kapazitäten und Ressourcen erforderlich werden. Unternehmen werden in neue Technologien und Schulungen investieren müssen. Möglicherweise zeigen sich auch weitere Lücken entlang der Wertschöpfungskette und Unternehmensorganisation, die geschlossen werden müssen. Dies sollte aber insgesamt dazu führen, dass das Unternehmen künftig resilienter aufgestellt sein werden, die Integration von Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie erfolgreich ist und deren Umsetzung belastbar erfolgt.
3. Kultureller Wandel
Unternehmen sollten nicht unterschätzen, dass der kulturelle Wandel innerhalb der Organisation mit entscheidend ist für den Erfolg. Hier haben Vorstand und Aufsichtsrat mit dafür zu sorgen, dass die Berichterstattung als Mittel zum Zweck verstanden wird. Die erfolgreiche Integration der Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie setzt ein Umdenken auf allen Ebenen der Organisation voraus.
Fazit/Ausblick
Die Erwartungen von Investoren an die Umsetzung der CSRD-Pflichten sind hoch und vielfältig. Als zentrale Elemente sind besonders Konsistenz und Transparenz, umfassende Risikoanalysen, klare und transparente Zielsetzungen, Integration in die Unternehmensstrategie sowie aktives und kontinuierliches Stakeholder-Engagement hervorzuheben. Auch wenn die Umsetzung mit gewissen Herausforderungen einhergeht, sind diese einerseits nicht zu unterschätzen, andererseits sollten diese Berichtspflichten als Chance gesehen werden, die eigenen Nachhaltigkeitsaktivitäten zuverlässiger messbar zu machen.
Die CSRD bietet die Chance, die Unternehmensberichterstattung grundlegend zu transformieren und einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten. Investor.innen sind im Laufe der letzten Jahre auch durch regulatorische Initiativen dazu verpflichtet worden, stärker auf die Nachhaltigkeitsaktivitäten und -leistungen ihrer Portfoliounternehmen zu achten. Mit der Umsetzung der CSRD wird die Berichterstattung von Unternehmen mit den Offenlegungspflichten für Investoren nun synchronisiert. Die Verfügbarkeit via ESAP sollte dem Kapitalmarkt insgesamt ein besseres Bild ermöglichen und als verlässliche Quelle für transparente und vergleichbare Analysen dienen.
Das bisher auf die bilanziell-finanzielle Lage eines Unternehmens bezogene „Going concern“-Prinzip dürfte mit der Verfügbarkeit der im Vorstehenden beschriebenen Informationen ebenfalls ausgeweitet werden. Für eine robuste und im Unternehmens- und Aktionärsinteresse verlässliche Beurteilung der Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells werden Nachhaltigkeitsfaktoren künftig eine deutlich stärkere Rolle spielen. Spätestens mit dieser Perspektive dürfte klar sein, dass Unternehmen und Investoren in ihrem eigenen Interesse eine ernsthafte und ehrliche Umsetzung dieser Anforderungen verfolgen müssen.
Hendrik Schmidt Vice-President & Senior Investment Stewardship Specialist | DWS Investment GmbH
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