Corporate Governance Inside
Umsetzung der neuen Nachhaltigkeitsberichterstattung
Makrotrends
Resiliente Weltwirtschaft mit starken Gegensätzen
Die wirtschaftliche Stimmung am Anfang des Jahres 2024 war höchst angespannt, die Zahl der Risikofaktoren hoch. Sie reichten von Ukrainekrieg und Nahostkonflikt über den Handelskonflikt zwischen China und den USA bis hin zu jeder Menge politischer Unsicherheiten im Superwahljahr 2024 und konjunktureller Sorgen um die Weltwirtschaft. Vor diesem Hintergrund hat sich Letztere dennoch resilient entwickelt. Das Wachstum 2024 dürfte laut der OECD bei 3,2 Prozent liegen, merklich niedriger als in den 2010er-Jahren, aber doch robust positiv.
Allerdings ist diese resiliente Entwicklung nicht gleichmäßig verteilt. Sowohl zwischen Ländern als auch zwischen Industrien existieren stark unterschiedliche Wachstumspfade. Gleichzeitig gibt es einen allgemein positiven Trend, nämlich die rückläufige Inflation. Der resultierende Zinssenkungszyklus ist im Gang und sollte zumindest auf mittlere Sicht Investitionen und Konsum unterstützen. In Deutschland ist es die Konsumzurückhaltung, die den Aufschwung bremst – trotz eigentlich guter Ausgangsbedingungen. Hohe Unsicherheit spielt hier eine große Rolle. Das gilt ebenso für die Investitionen, die das Sorgenkind der deutschen Wirtschaft sind.
2025 dürfte für die Weltwirtschaft ähnliche Wachstumsraten wie das laufende Jahr bringen, allerdings mit langsameren Werten für die USA und China und etwas höheren Raten für Deutschland und die Eurozone.
Unterschiedliche Wachstumspfade
Insgesamt dürfte die Weltwirtschaft 2024 um etwas über 3 Prozent wachsen. Die großen Volkswirtschaften zeigen dabei allerdings erhebliche Unterschiede. Das am schnellsten wachsende Land der G20 im laufenden Jahr ist Indien. Damit setzt sich ein Trend fort, Indien hielt diese Position schon in den vergangenen Jahren und dürfte sie auch 2025 innehaben. Das Land profitiert vor allem von einer günstigen demografischen Entwicklung, aber auch von steigender Attraktivität für ausländische Investitionen. Das andere Schwergewicht der Emerging Markets, China, tut sich schwerer. Die Immobilienkrise ist alles andere als vorüber, tatsächlich sind im August die Hauspreise in den 70 größten Städten des Landes deutlich gefallen. Dieser seit Längerem anhaltende Rückgang drückt auf die Konsumentenstimmung und -ausgaben. Das neue Stimuluspaket der chinesischen Regierung legt deswegen den Schwerpunkt auf die Stabilisierung der Immobilienpreise. Ob die Wirtschaft das anvisierte Ziel von 5 Prozent Wachstum 2024 erreicht, ist dennoch fraglich.
Die US-Wirtschaft erweist sich als erstaunlich resilient. Trotz der hohen Zinsen ist das Wachstum mit geschätzten 2,5 Prozent sehr robust. Dies steht im starken Gegensatz zu Europa, vor allem zu Deutschland. Die Eurozone wächst sehr moderat (0,7%), die deutsche Wirtschaft stagniert mit einem voraussichtlichen Wachstum von 0,1 Prozent und liegt damit auf einem der letzten Plätze im G20-Vergleich.
Die Spaltung zwischen Industrie und Dienstleistungen
Ein wichtiger Treiber für die unterschiedliche Performance der Länder ist die Auseinanderentwicklung von Industrie und Dienstleistungssektor. Letzterer befindet sich in guter Verfassung und trägt die Konjunktur in den meisten Ländern. Dies hat einerseits mit Nachholeffekten, beispielsweise im Tourismusbereich, aus der Corona-Pandemie zu tun, aber auch mit verändertem Konsumverhalten und dem Trend Richtung digitaler Dienstleistungen. Gleichzeitig hat die Industrie mit starkem Gegenwind zu kämpfen. So liegt der Einkaufsmanagerindex für die Industrie in Deutschland seit zwei Jahren im kontraktiven Bereich und die Industrieproduktion 2024 dürfte deutlich nicht nur unter der des Vorjahres, sondern auch unter dem Vor-Corona-Niveau liegen. Insgesamt entwickeln sich damit eher dienstleistungsbasierte Volkswirtschaften wie Spanien deutlich dynamischer als industriebasierte wie Deutschland.
Inflation und Zinsen im Rückwärtsgang
Eine definitiv positive Entwicklung zeigt sich bei der Inflation. Die restriktive Geldpolitik der Zentralbanken hat Wirkung gezeigt: Die Inflation in der Eurozone im September 2024 bewegt sich erstmals seit Jahren unter dem Zwei-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank, in den USA lag sie bei 2,5 Prozent. Ein Wermutstropfen ist, dass die Kerninflation, also die entsprechende Rate ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise, nach wie vor deutlich höher liegt (2,7% in der Eurozone, 3,2% in den USA). Vor allem die Dienstleistungsinflation zeigt sich hartnäckig.
Insofern wäre es auch verfrüht, den Kaufkraftverlust als besiegt anzusehen. Der Inflationsdruck aus dem Arbeitsmarkt und dem Dienstleistungssektor bleibt vorerst bestehen. Das zeigt sich auch daran, dass die Zentralbanken im begonnenen Zinssenkungszyklus sehr vorsichtig mit ihrem Ausblick auf den weiteren Verlauf sind und in hohem Maße datenabhängig vorgehen wollen. Immerhin hat der Zyklus in der Eurozone begonnen und nach zwei Senkungen im Juni und September ist mindestens eine weitere Senkung in diesem Jahr wahrscheinlich.
Unsicherheit als Wachstumsbremse für Investitionen und Konsum
Die Zinssenkungen in der Eurozone dürften Investitionen und Konsum unterstützen. Letzterer war schon im laufenden Jahr der Hoffnungsträger für die Konjunktur. In der Tat sind die Ausgangsbedingungen für einen konsumgetriebenen Aufschwung günstig. Die Kaufkraft steigt durch die sinkende Inflation und hohe Lohnabschlüsse, während sinkende Zinsen das Sparen weniger attraktiv machen. Gleichzeitig zeigt sich der Arbeitsmarkt bemerkenswert stabil. Allerdings kam der Konsum vor allem in Deutschland nicht recht in Schwung. Dies liegt vor allem am mangelnden Sicherheitsgefühl. Der Unsicherheitsindex, der von Forschern der Stanford-Universität entwickelt wurde, zeigt für Deutschland extrem hohe Werte, vor allem im internationalen Vergleich.
Abb. 1: Unsicherheitsindex der Stanford-Universität

Die Unsicherheit speziell in Deutschland wird von verschiedenen Faktoren getrieben. Die geopolitischen Konflikte in der Welt und in Europa, die mehrjährige wirtschaftliche Stagnation sowie wenig Hoffnung auf strukturelle Reformen und Wachstumsimpulse sind plausible Erklärungen. Im Ergebnis konsumieren die Verbraucher:innen vorsichtiger, als es die Kaufkraftentwicklung vermuten lässt, und sind auch wenig an langlebigen Konsumgütern interessiert. Allerdings gibt es auch erste Hoffnungsschimmer, was das Konsumentenvertrauen angeht. Der GfK-Konsumklimaindex liegt zwar noch im deutlich negativen Bereich, ist aber immerhin seit dem Frühjahr gestiegen.
Die Investitionszurückhaltung in Deutschland ist noch wesentlich ausgeprägter als die Konsumzurückhaltung. Die Ausrüstungsinvestitionen sind seit zwei Jahren rückläufig, im zweiten Quartal 2024 sind sie um über 4 Prozent im Vergleich zum Vorquartal gefallen. Hier spiegeln sich die Unsicherheit und die konjunkturelle Entwicklung wider, ebenso wie die industrielle Rezession, bei der eine schwache Auslandsnachfrage und wachsende geopolitische Spannungen eine große Rolle spielen. Allerdings verbindet sich die konjunkturelle Schwäche mit strukturellen einheimischen Herausforderungen; hohe Energiepreise, eine intensive Regulierung, Fachkräftemangel sowie die Steuer- und Abgabenlast erhöhen die Produktionskosten erheblich, was die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen beeinträchtigt.
Ausblick 2025
2025 dürfte sich die konjunkturelle Lage trotz dieser Herausforderungen leicht bessern, wenn der private Konsum anspringt und die Zinssenkungen Wirkung auf die Investitionsbereitschaft zeigen. Allerdings wird sich der Aufschwung in einem eng gesteckten Rahmen bewegen, ein Prozent Wachstum für Deutschland ist aktuell die Obergrenze der Projektionen, womit Deutschland nach wie vor am Ende der G20-Länder liegen würde. Die Eurozone dürfte etwas schneller wachsen, wobei Spanien unter den großen europäischen Ländern weiterhin die beste Wachstumsperformance aufweisen dürfte. China und die USA dürften beide eine leichte Abkühlung der Wirtschaft im Vergleich zu 2024 sehen, während Indien Wachstumsführer bleibt, gefolgt von Indonesien. Für die Weltwirtschaft als Ganzes geht die OECD von derselben Wachstumsrate wie 2024 aus (3,2%).
An Auf- und Abwärts-Risiken für diese Prognose mangelt es nicht. Auf der positiven Seite könnte der Siegeszug der künstlichen Intelligenz die Entwicklung der Produktivität und damit das Wirtschaftswachstum beschleunigen. Die meisten Analysten erwarten diesen Effekt, die Frage ist nur, wann, in welchem Ausmaß und ob er schon im nächsten Jahr auf gesamtwirtschaftlicher Ebene sichtbar werden wird.
Gleichzeitig dauern die geopolitischen Konflikte an, von der Ukraine über den Nahen Osten bis zum chinesisch-amerikanischen Handelskrieg, ebenso sind die Transportwege des Welthandels dadurch unter Stress. Politisch könnte der Ausgang der US-Präsidentschaftswahl weitreichende Folgen haben. Vor allem die handelspolitische Agenda einer Trump-2.0-Administration hätte disruptive Folgen. Die Einführung eines zehnprozentigen Zolls auf alle Importe und von 60 Prozent auf chinesische Importe würde Handelsverflechtungen und Lieferketten vor enorme Herausforderungen stellen.
Insgesamt ist es für Aufsichtsräte ratsam, die makroökonomischen Entwicklungen 2025 und die möglichen geopolitischen Disruptoren sehr genau und systematisch zu beobachten, die Einflusskanäle auf das eigene Unternehmen und die Märkte abzuschätzen und sich auf entsprechende Schwierigkeiten vorzubereiten. Die Volatilität auf der Makroebene wird auch im nächsten Jahr nicht verschwinden.
Dr. Alexander Börsch Chefökonom & Director Research
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