Corporate Governance Inside
Umsetzung der neuen Nachhaltigkeitsberichterstattung
Praktische Umsetzung der CSRD
Ideale vs. Praxis – wichtige Erkenntnisse
Die Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz CSRD, ist ein grundlegender Rechtsakt, der eine umfassende Reform der Transparenz- und Rechenschaftspflichten für Unternehmen in der Europäischen Union (EU) einleitet. Die CSRD ersetzt die bereits bestehende Richtlinie über die nicht-finanzielle Berichterstattung (NFRD) und führt zu einer wesentlichen Erweiterung des Umfangs und der Tiefe der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Über die verpflichtende Anwendung der European Sustainability Reporting Standards, kurz ESRS, werden die Unternehmen verpflichtet, ausgehend von 94 Themenfeldern detaillierte Informationen über ihre Leistung in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) offenzulegen.
Seitens des Aufsichtsrates sollte die Implementierung der CSRD intensiv begleitet und überwacht werden. Dies entspricht nicht nur den Anforderungen der ESRS, die unter anderem die Verantwortung der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane sowie die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die Unternehmensführung umfassen, sondern auch die Einbeziehung nachhaltigkeitsbezogener Leistungen in Anreizsysteme und die Erklärung zur Sorgfaltspflicht. Zudem sind das Risikomanagement und die internen Kontrollen im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Bedeutung. Es gibt in der Praxis viele Erkenntnisse aus den bisherigen Erfahrungen mit Transformationsprozessen und den einzelnen Phasen der Implementierung, die es mit dem Management zu diskutieren gilt. Dieser Beitrag soll dazu eine Hilfestellung geben.
Durch die umfangreichen und standardisierten Angaben sollen insbesondere die Transparenz sowie die Vergleichbarkeit zwischen den Unternehmen erhöht werden. Nachhaltigkeit soll in das Kerngeschäft integriert, nachhaltiges Wachstum für eine verantwortungsvolle und widerstandsfähige Wirtschaft gefördert werden und nicht zuletzt soll die CSRD einen Beitrag zu den Zielen des Green Deal der EU leisten. Mit ihrem zentralen Konzept der doppelten Wesentlichkeitsbewertung als Grundlage einer zielgerichteten und stakeholdergerechten Nachhaltigkeitsberichterstattung verfolgt die CSRD das Ziel, das Vertrauen der Berichtsleser – darunter Investoren, Verbraucher und andere relevante Stakeholder – zu stärken. Diese Methodik schafft die Voraussetzungen für fundierte Entscheidungen, z.B. zu Kapitalallokation, Ressourcen- und Kosteneffizienz, indem sie eine differenzierte Analyse der ökologischen, sozialen und unternehmensbezogenen Auswirkungen gewährleistet.
Bis 2028 wird die CSRD-Berichtspflicht etappenweise ausgeweitet: In Deutschland sind rund 15.000 Unternehmen von der CSRD-Nachhaltigkeitsberichterstattung betroffen.1 Im Folgenden werden die bisherigen Beobachtungen in der Praxis sowie die Herausforderungen, mit denen Unternehmen konfrontiert sind, kurativ dargestellt.
Abb. 1 – Im Rahmen der Implementierung der CSRD ist eine besondere Berücksichtigung dieser Punkte erforderlich

Durch die sorgfältige Auseinandersetzung mit diesen Aspekten wird die Grundlage für eine erfolgreiche CSRD-Implementierung gelegt.
1. Stakeholder-Identifikation
Dabei ist die frühzeitige Einbindung der wesentlichen Fachbereiche und Spezialist:innen im Unternehmen essenziell für den Erfolg der CSRD-Implementierung. Die richtigen Fachpersonen von Anfang an zu identifizieren und einzubinden, spart langfristig Zeit. Sind diese nicht von Anfang einbezogen, können später zusätzliche Überprüfungsrunden und Beiträge erforderlich sein, was Zeit und Kosten über den ganzen Prozess erhöht. Die umfangreiche Themenabdeckung bedingt zudem, dass eine Vielzahl von Themen bestimmten Fachbereichen nicht eindeutig zugeordnet werden kann. Die Umsetzung erfordert somit ein hohes Maß an interdisziplinärer Arbeit und auch die Datenerhebung im Konsolidierungskreis sollte nicht unterschätzt werden. Dies führt zu Herausforderungen bei der Zuweisung von Verantwortlichkeiten, Prozessen und beim Bearbeitungsablauf. Die vorliegende Informationsdichte, welche sich aus der Zusammenführung qualitativer und quantitativer Datenpunkte ergibt, bedingt eine Aufteilung der Informationshoheit auf mehrere Organisationseinheiten. Diese müssen im Rahmen der Umsetzung zu einem Ganzen gefügt werden, wobei eine koordinierte Vorgehensweise unabdingbar ist. Dies betrifft sowohl die Erarbeitung der entsprechenden Prozesse und Dokumentationen als auch die Sicherstellung einer langfristigen und prüfsicheren Berichterstattung. Klare Richtlinien und Schulungsprogramme für Mitarbeitende sind entscheidend für eine erfolgreiche Umsetzung. Die Praxis zeigt, dass bei der Auswahl der Stakeholder Qualität vor Quantität geht.
2. Konsolidierungskreis und Wertschöpfungskette
Die frühzeitige Überprüfung des Konsolidierungskreises zur Frage der Betroffenheit entlang der CSRD-Anforderungen ist von entscheidender Bedeutung, um nachträgliche Datenerhebungen, Prozessanalysen und Stakeholder-Onboarding zu vermeiden. Es ist besonders wichtig, das Geschäftsmodell und die Wertschöpfungskette eines Unternehmens so früh wie möglich im Prozess darzustellen, um ein einheitliches Verständnis zu schaffen. Die Darstellungsweise des Geschäftsmodells in Jahresberichten ist bei den Unternehmen gängige Praxis. Allerdings findet eine Einbeziehung der Wertschöpfungskette in diese Darstellung in der Regel bisher selten statt. Eine detaillierte Analyse der Wertschöpfungskette bildet jedoch die Grundlage für eine klare Definition der Auswirkungen, Risiken und Chancen, der betroffenen Stakeholder-Gruppen, der internen Verantwortlichkeiten und Datenquellen.
3. Wesentlichkeitsbewertung
Für die Prüfung der doppelten Wesentlichkeit im Rahmen der CSRD ist die klare Aufschlüsselung der Wertschöpfungskette einer der maßgeblichen Schritte, um alle Stakeholder frühzeitig zu identifizieren, die bei der Wesentlichkeitsbewertung zu involvieren sind. Die Definition der Wertschöpfungskette hilft auch bei der Identifizierung von Stakeholdern und Spezialist:innen, die bei der Wesentlichkeitsbewertung einbezogen werden müssen. Letztere müssen mit dem Konzept der doppelten Wesentlichkeit vertraut gemacht werden. Da es sich um ein Konzept handelt, das bisher nicht im Lagebericht verpflichtend war, ist es sinnvoll, den Vorstand, das Management und die Stakeholder über die CSRD und ihre Anforderungen zu schulen. Dies trägt dazu bei, Fehlinformationen oder veralteten Informationen entgegenzuwirken, auf die Stakeholder möglicherweise gestoßen sind, um die Bedeutung der doppelten Wesentlichkeitsbewertung für das ESG-Programm des Unternehmens und die CSRD-Berichterstattung zu vermitteln. Denn bei der Beurteilung der doppelten Wesentlichkeit, die sich an der CSRD orientiert, müssen die Unternehmen über die Ebene des Themas hinausgehen und sich mit den damit verbundenen Auswirkungen, Risiken und Chancen auseinandersetzen. Es kann weit über hundert Auswirkungen, Risiken und Chancen geben, die die Betroffenen diskutieren und bewerten müssen. Bei umfangreichen Diskussionen kann es mitunter sehr anspruchsvoll sein, alle Aspekte durchzugehen, sodass zusätzliche Zeit für weitere Überprüfungen und Folgemaßnahmen erforderlich ist. In einigen Fällen bedeutete dies, dass mit neuen Stakeholdern gesprochen werden muss, um unterstützende Daten und Unterlagen zu sammeln. Die Bewertung der Auswirkungen, Risiken und Chancen kann je nach den am Bewertungsprozess beteiligten Personen unterschiedlich ausfallen. Schließlich vermag nicht jeder interne und externe Stakeholder über das Wissen und die Erfahrung verfügen, die Auswirkungen, Risiken und Chancen über alle Themen zu bewerten. Dies führt dazu, unterschiedliche Personengruppen für verschiedene Themenkomplexe zu definieren und in den Prozess zu integrieren.
Individuelle Risikotoleranz und persönliche Voreingenommenheit können die Anwendung der Bewertungsskalen bei der Entwicklung des endgültigen Datensatzes der Auswirkungen, Risiken und Chancen beeinflussen. Wesentlichkeit ist sowohl eine Kunst als auch eine Wissenschaft. Ein binäres System von „wesentlich“ und „nicht wesentlich“ reicht aufgrund der Subjektivität, die mit der Bewertung der Auswirkungen, Risiken und Chancen verbunden ist, für die Klassifizierung nicht aus. Aus diesem Grund ist es hilfreich, frühzeitig eine quantitative Analyse durchzuführen, um mögliche Quellen von Verzerrungen zu identifizieren und die Schwellenwerte anzupassen. Die Verwendung eines abgestuften Systems zur Klassifizierung von Auswirkungen, Risiken und Chancen ermöglicht es den Unternehmen, Punkte zu berücksichtigen, die für die externe Berichterstattung vielleicht noch nicht wesentlich sind, aber für die interne Überwachung und Strategie identifiziert werden müssen. Die Konsistenzprüfung von Strategien und Risikoanalysen ist dabei von zentraler Bedeutung und sollte kontinuierlich erfasst und reflektiert werden. Die Dokumentation ist in dieser Phase entscheidend, da für die Wirtschaftsprüfer die transparente Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen über die Wesentlichkeit sicherzustellen ist und wie sich die verschiedenen Impulse in der Bewertung niedergeschlagen haben.

4. Gap-Assessment
Die Gap-Analyse ist eine wichtige Orientierung, welche Datenpunkte die Unternehmen bereits berichten und wo Lücken bestehen, sowie eine Grundlage für die Identifikation der richtigen Stakeholder für die Wesentlichkeitsbewertung. Durch die systematische Erfassung und Überprüfung von Verantwortlichkeiten und (Dokumentations-)Lücken zwischen den aktuellen Prozessen und den neuen Anforderungen können Unternehmen gezielt Maßnahmen ergreifen, die notwendigen Anpassungen vorzunehmen. Dies erleichtert nicht nur die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen, sondern verbessert auch die Datenqualität und -konsistenz, was letztlich die Prüfbarkeit der Berichte erhöht. Ein Schätzen der Gaps hinsichtlich des Aufwands der Schließung ist ein guter Indikator, die zahlreichen Anforderungen auf die verfügbare Zeitleiste zu verteilen. Wichtig hierbei ist es, die Zusammenhänge der thematischen und übergeordneten ESRS zu beachten, um Synergien zu heben.
5. Verantwortlichkeiten und Feinplanung
Die umfangreiche Themenabdeckung bedingt, dass vieles den einzelnen Fachbereichen nicht eindeutig zugeordnet werden kann. Dies erschwert Verteilung und Zuordnung der Verantwortlichkeiten, das Prozessmanagement und die Bearbeitung insgesamt. Die Entwicklung eines Detail-Implementierungsplanes hilft, die erforderlichen Schritte und Meilensteine zu definieren. Dies unterstützt zudem die interne Kommunikation des Fortschritts und bei Eskalationen. Eine strukturierte und detaillierte Planung stellt sicher, dass alle relevanten Aspekte berücksichtigt werden und die Umsetzung der CSRD-Anforderungen erfolgreich voranschreitet. Verantwortlichkeiten müssen definiert und Ressourcen effizient zugewiesen werden. Um flexibel auf Veränderungen und neue Anforderungen reagieren zu können, müssen die Projektpläne regelmäßig überprüft und angepasst werden. Eine flexible Ressourcenplanung ist entscheidend, um auf unvorhergesehene Anforderungen und Veränderungen reagieren zu können. Sorgfältige Planung und kontinuierliches Monitoring sind für den Projekterfolg von zentraler Bedeutung. Führungskräfte müssen zwingend als Sponsoren und Wegbereiter in den Transformationsprozess eingebunden werden. Nur durch ihre aktive Verantwortungsübernahme in Form von fortlaufender Unterstützung und Teilnahme kann der langfristige Aufbau robuster Reportingstrukturen und -inhalte gewährleistet werden.
6. Datenmanagement und Prozesse
Beim Thema Datenmanagement stehen viele Unternehmen vor der Herausforderung, die notwendigen ESG-Daten stichtagsbezogen in der erforderlichen Qualität und Quantität zu erheben. Manuelle und veraltete Prozesse sowie siloartige Datenstrukturen erschweren die Konsolidierung relevanter Informationen. Eine der größten Hürden ist die Integration neuer IT-Systeme und die Anpassung bestehender Prozesse, um die erweiterten Berichtspflichten zu erfüllen. Viele Unternehmen müssen erhebliche Änderungen an ihrer Dateninfrastruktur vornehmen, um die erforderlichen Daten zuverlässig und konsistent über den Konsolidierungskreis hinweg erfassen und verarbeiten zu können. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass vieles von dem, was ein Unternehmen heute in Bezug auf ESG tut, auch in Zukunft nützlich und anwendbar sein wird. Es geht darum, bestehende Praktiken und Prozesse zu verbessern, anstatt völlig neue zu entwickeln. Gleichzeitig müssen Unternehmen die Vollständigkeit und Richtigkeit der erforderlichen ESG-Daten sicherstellen. Die komplexe Aufgabe kann jedoch als Katalysator für Innovation wirken. Automatisierte Datenmanagementtools können dabei helfen und die Integration von unterschiedlichen Datenquellen vereinfachen. Zusätzlich können Künstliche-Intelligenz- oder Machine-Learning-Technologien genutzt werden, um unstrukturierte Daten zu bereinigen und den Weg zur automatisierten Berichterstattung zu ebnen. Der Einsatz von Natural Language Processing (NLP) ermöglicht die Extraktion relevanter Informationen und deren Überführung in standardisierte Berichtsformate. Diese Technologien tragen nicht nur zur Datenvalidität und -vollständigkeit bei, sondern unterstützen auch die Risikoanalyse und -prognose. Insgesamt ermöglichen diese Lösungen eine effizientere und genauere ESG-Berichterstattung, die den Anforderungen der CSRD gerecht wird.
Im Zuge der Erfahrungen, die im ersten Jahr der CSRD-Implementierung gewonnen werden, ist die Dokumentation der Datenpunkte von der Erhebung bis hin zur Erfassung im Nachhaltigkeitsbericht, sowie die damit verbundene Nachweispflege, über alle Definitionen, Prozesse und den Konsolidierungskreises hinweg unbedingt zu beachten. Zusätzlich sollte ausreichend Zeit für die Rückkopplung zwischen insbesondere qualitativen Daten und prüfungssicher Dokumentation eingeplant werden, da diese oft zeitaufwändig ist und zukünftig sicherlich noch Optimierungspotenzial mit sich bringt.
Zusammenfassung
Die kritische Auseinandersetzung mit den aktuellen Transparenz- und Offenlegungsanforderungen zeigt: Die Implementierung der CSRD stellt Unternehmen vor diverse Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf Datenmanagement, Ressourcenaufwand und die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Durch die frühzeitige Identifikation von Stakeholdern, eine detaillierte Analyse der Wertschöpfungskette sowie intensive Kommunikation und Schulungsmaßnahmen in Bezug auf die Anforderungen und neuen Begrifflichkeiten der CSRD können sich Unternehmen gut aufstellen, um der neuen Regulierung gerecht zu werden. Automatisierte Datenmanagementtools und klare Richtlinien können unterstützend zu einer erfolgreichen Umsetzung der neuen Berichtsstrukturen beitragen. Die gewonnene Transparenz bietet aber auch Chancen für Unternehmen, Synergien im Unternehmen zu erkennen und neue Innovationen einzuführen. Der gesamte Prozess sollte unbedingt seitens des Aufsichtsrates bzw. Prüfungsausschusses begleitet werden. Die Transformation ist Teil der Strategie, die Berichterstattung unterliegt der gesetzlichen Prüfungspflicht durch den Aufsichtsrat bzw. Prüfungsausschuss und erfordert eine intensive Auseinandersetzung auch mit der Wirtschaftsprüfung.
1 Deutsches Aktieninstitut, 2024: Die Umsetzung der europäischen Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Sophie Lehmann
Managerin | Sustainable Finance | Deloitte Deutschland
Vera Jänsch
Senior Consultant | Sustainable Finance | Deloitte Deutschland
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