Corporate Governance Inside

Umsetzung der neuen Nachhaltigkeitsbericht­­erstattung


Die Begleitung der Nachhaltigkeits­berichter­stattung durch den Prüfungs­ausschuss

Ein Praxisbeispiel der Aurubis AG

Die CSRD ist nicht vergleichbar mit der bisherigen nicht-finanziellen Erklärung.

Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive, RL (EU) 2022/2464 (CSRD), und den Europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, DelVO (EU) 2023/2772 (ESRS), soll ein nicht-finanzieller Bericht eines Unternehmens auf dasselbe Niveau gehoben werden wie der finanzielle Bericht. Zwar betrifft Nachhaltigkeit das gesamte Unternehmen insbesondere im Hinblick auf Strategie und Risikomanagement. Doch mit der CSRD wird für die Arbeit und die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrates ein neues Kapitel aufgeschlagen: Ab 2025 gelten dann für das vorangegangene Geschäftsjahr neue umfassende Vorschriften für die Nachhaltigkeitsberichterstattung bestimmter (zunächst großer kapitalmarktorientierter) Unternehmen, die in Europa ansässig sind. Die Verabschiedung des Umsetzungsgesetzes auf nationaler Ebene steht noch aus.

Einführung

Mit der CSRD wird sukzessive eine neue Form der Nachhaltigkeitsberichterstattung für eine Vielzahl von Unternehmen eingeführt. Quantität und Qualität der vorzunehmenden Veröffentlichungen bringen auch inhaltliche und organisatorische Veränderungen der Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrates mit sich.

Die Nachhaltigkeitsberichterstattung nach CSRD ist nicht vergleichbar mit der bisherigen nicht-finanziellen Erklärung. Mit dem Wissen um die neue Komplexität entstand bei der Aurubis AG frühzeitig das Bewusstsein, auch die Begleitung dieser Berichterstattung durch den Aufsichtsrat neu zu gestalten.

Zum einen ging es darum, die notwendigen Transparenzanforderungen für die sehr hohe Zahl von Datenpunkten bzw. Angaben in den Blick zu nehmen. Daraus ergibt sich fast zwangsläufig für einen Aufsichtsrat die Notwendigkeit einer Überprüfung des bisherigen Überwachungsumfangs. In der CSRD werden ebenso neue Erwartungen an das Aufsichtsorgan bzw. die Zuständigkeit formuliert. Der Aufsichtsrat muss deshalb prüfen, ob Unterschiede zum bisherigen Rollenverständnis und insbesondere zu etablierten Informationsformaten und -umfängen für die Überwachungstätigkeit bestehen.

Zum anderen galt und gilt es, Nachhaltigkeit in den vorgegebenen CSRD-relevanten Dimensionen Auswirkungen, Chancen und Risiken und eben auch in der sogenannten doppelten Wesentlichkeit in die Überwachungstätigkeit zu integrieren.

Es ist klar ersichtlich, dass durch die CSRD viele unternehmensinterne Kapazitäten für längere Zeiträume gebunden werden und zusätzliche finanzielle Aufwendungen erforderlich sind. Umso wichtiger ist es für Unternehmen, so auch für die Aurubis AG, die neuen Erkenntnisse, die sich aus der Befassung mit Chancen und Risiken einzelner Klima-, Umwelt-, Sozial- und Governance-Bereiche ergeben, für das Geschäftsmodell und die langfristige Zukunftsfähigkeit zu nutzen und in die Entscheidungsfindung einzubeziehen.

Neue, die Aufsichtsorgane betreffende Transparenzpflichten

Bevor der Blick darauf gerichtet wird, wie die Umsetzung der CSRD-Anforderungen vom Aufsichtsrat bei der Aurubis AG begleitet und überwacht wird, sollen zunächst drei Beispiele für die zukünftigen Transparenzpflichten, die den Aufsichtsrat betreffen, benannt werden.

  • Eine Angabepflicht für den Bereich Governance umfasst die „Rolle der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane“. Transparenz ist darüber herzustellen, welche Gremien bzw. Ausschüsse des Aufsichtsorgans oder namentlich der Personen innerhalb eines Gremiums für die Überwachung der nachhaltigkeitsbezogenen Auswirkungen, Risiken und Chancen zuständig sind.

  • Darüber hinaus ist anzugeben, wie diese Zuständigkeiten in den damit im Zusammenhang stehenden Strategien zum Ausdruck kommen und welche Rolle das Aufsichtsorgan „bei den Verfahren, Kontrollen und Vorgängen im Bereich der Governance zur Überwachung, Verwaltung und Beaufsichtigung von Auswirkungen, Risiken und Chancen“ einnimmt. Dass für diese Rollen geeignete Fähigkeiten und Fachkenntnisse notwendig sind, versteht sich fast von selbst. Aber auch hierüber ist ausdrücklich Transparenz herzustellen, ob die Fähigkeiten und Kenntnisse innerhalb des Aufsichtsorganes vorhanden sind bzw. aufgebaut werden müssen.

  • Auch die Art und Weise der „laufenden Begleitung“ der Nachhaltigkeitsberichterstattung spielt eine Rolle. Es ist u.a. anzugeben, wie der Aufsichtsrat über Nachhaltigkeitsaspekte im Berichtsjahr informiert wurde. Dazu ist als Information auch eine Liste der wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen, mit denen sich die Aufsichtsratsmitglieder bzw. die Ausschüsse befasst haben, in die Nachhaltigkeitsberichterstattung einzubeziehen.

Nachhaltigkeit als fester Bestandteil von Strategie und Risikomanagement

Die Aurubis AG hat bereits vor vielen Jahren ihren Anspruch, eine branchenweite Führungsposition im Bereich Nachhaltigkeit einzunehmen, definiert. Die erste veröffentlichte umfassende Nachhaltigkeitsstrategie betraf die Ziele für die Jahre 2013–2018. Im Geschäftsjahr 2020/21 haben Vorstand und Aufsichtsrat die aktuell gültige Konzernstrategie inklusive explizit formulierter Nachhaltigkeitsziele bis 2030 validiert und verabschiedet. Insbesondere wurden für die drei Handlungsfelder Wirtschaft, Umwelt und Mensch nicht nur qualitative Ziele, sondern insbesondere quantitative Ziele wie z.B. die Reduzierung der absoluten Scope-1- und Scope-2-Emissionen um 50 Prozent festgelegt und veröffentlicht.1

Das Risikomanagementsystem umfasst die relevanten Risiken, die mit dem Geschäft der Aurubis AG verbunden sind. Im Geschäftsbericht werden diese Risiken zwar in den „Berichtsclustern“ Versorgung und Produktion, Kriminelle Handlungen, Absatz, Nachhaltigkeit, Energie und Klima, Umweltschutz, Finanzen und Finanzierung, Informationstechnologie, Personal und Sonstiges nacheinander dargestellt. Aber schon aus den gewählten Teilüberschriften des Risiko- und Chancenberichtes2 lässt sich erkennen, wie tiefgreifend das operative Geschäft der Aurubis AG mit allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (ESG: Environmental, Social, Governance) verbunden ist. Beispielsweise im Bereich „Versorgung und Produktion“ ist die enge Verbindung zu Nachhaltigkeit gegeben: Zur Bewältigung möglicher Betriebsstörungen durch Hochwasser oder Starkregenereignisse werden regelmäßig Standortanalysen getätigt, ob sich die jeweilige Risikoeinschätzung verändern muss und neue Maßnahmen zur Minderung bzw. zum Management der Risiken initiiert werden sollten.

Nachhaltigkeit in ihren vielschichtigen Dimensionen spielt seit vielen Jahren eine große Rolle bei der Aurubis AG und somit auch bei den Überwachungsaufgaben des Aufsichtsrates.

Die Rolle des Prüfungsausschusses

Unter Berücksichtigung der Vielzahl der neuen CSRD-Transparenzpflichten, die sowohl die unmittelbare Ebene des Vorstandes und des Aufsichtsrates als auch die Unternehmensstrategie und das Risikomanagement betreffen, sind in der Aurubis AG einige Veränderungen bzw. Anpassungen in der Überwachung der Nachhaltigkeitsberichterstattung durch den Aufsichtsrat eingeführt worden.

Aufgrund der im vorherigen Abschnitt aufgeführten Verankerung von festen qualitativen und quantitativen Zielen in der Konzernstrategie sowie des mittelbaren und unmittelbaren Einflusses auf die Finanzlage der Aurubis AG hat der Prüfungsausschuss frühzeitig die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitschancen und -risiken sowie deren Grad der Zielerreichung auf die Agenda gesetzt.

Seit 2021 ist Nachhaltigkeit nunmehr ein fester Bestandteil im Rahmen der Finanz- und Risikoberichterstattung des Vorstandes bzw. der verantwortlichen Führungskräfte gegenüber den Ausschussmitgliedern.

Sie ist ein eigener Tagesordnungspunkt auf der Agenda jeder Sitzung des Prüfungsausschusses. Dieser formelle Schritt unterstreicht die Bedeutung für die Aurubis AG, Nachhaltigkeit und die (Aus-)Wirkungen auf die Finanz- und Risikolage des Unternehmens in der Gesamtheit zu betrachten.

Im Hinblick auf das Risikomanagement wird dem Aufsichtsrat und insbesondere dem Prüfungsausschuss mindestens quartalsweise berichtet. Wie oben geschrieben, sind Klima- und Umwelt- sowie Sozialaspekte Teil des Risikomanagements und unterliegen somit einer regelmäßigen Bewertung und Überwachung durch den Prüfungsausschuss bzw. Aufsichtsrat.

Aus Sicht des Prüfungsausschusses liegt durch die regelmäßige Berichterstattung und die Auseinandersetzung mit auf Nachhaltigkeit bezogenen strategischen und risikoorientierten Aspekten eine hohe Aufmerksamkeit auf diesem Bereich. Dennoch bedurfte es mit dem Inkrafttreten der CSRD noch einmal einer neuen Befassung mit der Rolle des Aufsichtsrates und seiner Ausschüsse. Der Prüfungsausschuss nahm die CSRD zum Anlass, neben den originären Nachhaltigkeitsthemen nun auch die Berichterstattung rund um die Umsetzung der CSRD-Anforderungen in alle Ausschusssitzungen zu integrieren. Seit Mitte 2023 lässt sich der Prüfungsausschuss in Bezug auf Verfahren, Methoden, Zeitpläne, Kapazitäten etc. informieren – und das, obwohl für die Aurubis AG wegen des abweichenden Geschäftsjahres vom Kalenderjahr das erste Berichtsjahr für die neue Nachhaltigkeitsberichterstattung erst am 1. Oktober 2024 beginnt.

Der Prüfungsausschuss ist auch zu dem Ergebnis gekommen, dass über die originären Sitzungstermine hinaus ein Austausch zwischen den für Nachhaltigkeit verantwortlichen Führungskräften und/oder dem Vorstand mit Mitgliedern des Ausschusses sinnvoll ist. Diese Entscheidung ist zum einen auf die Komplexität der CSRD-Anforderungen zurückzuführen. Zum anderen aber auch, um dem „Neuland“ u.a. in Bezug auf Verfahren, Methoden, Datenverfügbarkeit und -qualität Rechnung zu tragen.

Aufgrund der Vielzahl an neuen Anforderungen für diese Berichterstattung müssen vom Vorstand effiziente Prozesse, eine hohe Datenqualität und optimale Informationswege innerhalb des Unternehmens sichergestellt werden. Praktische Herausforderungen bestehen u.a. bei der Quantifizierung und Anwendung der nicht-finanziellen Wesentlichkeit, der detaillierten Analyse der Wertschöpfungskette, der systematischen Schließung der Lücken zur bisherigen Nachhaltigkeitsberichterstattung inkl. ESRS-Anforderungen sowie der Anpassung des internen Kontrollsystems für die umfangreichere Nachhaltigkeitsberichterstattung. Hierbei hilft ein offener Austausch zwischen Vorstand und Aufsichtsrat, der über das „übliche“ Rollenverständnis hinausgeht. Der Prüfungsausschuss versteht sich deshalb auch als Wegbegleiter und nicht nur als reines „Überwachungsorgan“.

Darüber hinaus unterstützt der Prüfungsausschuss der Aurubis AG zum einen die selektive Einbindung externer Beratungsleistungen und zum anderen die rechtzeitige Einbindung des Wirtschaftsprüfers. Da die CSRD bzw. die ESRS durchaus eine Reihe von Interpretationsspielräumen bzw. Ungenauigkeiten lassen, muss in diesem Zusammenhang der kontinuierliche Austausch mit dem Wirtschaftsprüfer zu Verfahren, Methoden und Inhalten im Vordergrund stehen. So kann frühzeitig zwischen allen Beteiligten, insbesondere mit dem Wirtschaftsprüfer, der die Finanzberichterstattung wie auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung prüft, ein gemeinsames Verständnis hergestellt werden.

Nachhaltigkeit erfasst das ganze Unternehmen und damit neben dem Prüfungsausschuss auch alle weiteren Ausschüsse des Aufsichtsrates. Insofern muss durch den Aufsichtsrat insgesamt sichergestellt werden, dass ESG-relevante Themen in allen wesentlichen Bereichen berücksichtigt werden. Hierfür ist eine entsprechende Informationsversorgung der jeweiligen Ausschüsse und des Gesamtaufsichtsrates sicherzustellen. Der Gesamtaufsichtsrat hat hier eine koordinierende und integrative Aufgabe wahrzunehmen. Es geht nicht nur um die Nachhaltigkeitsberichterstattung, sondern um die Berücksichtigung von ESG-Kriterien bei der strategischen und operativen Führung des Unternehmens. Dafür ist der gesamte Aufsichtsrat in der Pflicht. Vorstand und Aufsichtsrat der Aurubis AG werden die Zeit bis zum Beginn des Geschäftsjahres 2024/25 nutzen, um diese spezifischen Fragestellungen im Sinne einer guten Unternehmensführung und Überwachung zu beantworten und geeignete Informationsformate zu implementieren.

Ausblick

Sicherlich werden viele Unternehmensvertretende und Aufsichtsräte mit großem Interesse auch die Nachhaltigkeitsberichte nach CSRD, die erstmals im Frühjahr 2025 veröffentlicht werden, von anderen Unternehmen lesen. Sei es, dass es um die Art und Weise der gewählten Formulierungen, die genutzten Tools bzw. Methoden geht, sei es um den Abgleich, welche Chancen und Risiken sich innerhalb desselben Sektors bzw. im Bereich der Zulieferer, Kunden und anderen Geschäftspartnern ergeben.

Die Befassung mit diesen Themen ist ein mehrjähriger Lernprozess: Nach dem Nachhaltigkeitsbericht ist vor dem Nachhaltigkeitsbericht. Die Analysen verschiedener Berichte anderer treffen auch die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrates bzw. des Prüfungsausschusses. Verkürzt formuliert geht es um die Frage: Was lässt sich aus der Berichterstattung anderer Unternehmen für die Risiko- und Chancensituation des eigenen Unternehmens ableiten?

Interessant sind darüber hinaus verschiedene Fragestellungen, die erst im Laufe der Zeit beantwortet werden können: Wie gehen Vorstand und Aufsichtsrat insgesamt mit einer ESG-konformen Führung des Unternehmens um? Wie wird diese Gesamtverantwortung in der Praxis gelebt? Welche strategischen und wirtschaftlichen Konsequenzen ergeben sich kurz-, mittel- und langfristig aus dem Handeln? Wo stärkt nachhaltige Unternehmensführung die wirtschaftliche Positionierung und wo entstehen im internationalen Wettbewerb Nachteile?

Der Aufsichtsrat hat Nachhaltigkeitsthemen in der Begleitung der strategischen Arbeit und bei Investitionsentscheidungen seit geraumer Zeit berücksichtigt. Im Prüfungsausschuss der Aurubis AG waren Nachhaltigkeit im Allgemeinen und die Umsetzung der CSRD-Anforderungen im Besonderen frühzeitig in die Überwachungstätigkeit integriert. Vor dem Hintergrund der regulatorisch beabsichtigen engeren Verzahnung von Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung wird dies auch in Zukunft so beibehalten und zu einer stetigen Intensivierung der Auseinandersetzung mit Auswirkungen, Chancen und Risiken führen.

Es bleibt zu hoffen, dass die Chancen, die mit Nachhaltigkeitsthemen verbunden sind, die Risiken übertreffen und damit zu einer nachhaltig besseren Positionierung europäischer Unternehmen im internationalen Wettbewerb beitragen.

1 Nähere Informationen zu den Nachhaltigkeitszielen 2030 des Aurubis-Konzerns sind abrufbar unter: https://www.aurubis.com/verantwortung/nachhaltigkeitsstrategie/nachhaltigkeitsziele-2030.

2 Nähere Informationen u.a. im Geschäftsbericht 2022/23, S. 168ff.; abrufbar unter: https://www.aurubis.com/investor-relations/publikationen/konzerngeschaeftsberichte.

Dr. Stephan Krümmer Vorsitzender des Prüfungsausschusses, Aurubis AG

Dr. Sandra Reich Mitglied des Prüfungsausschusses, Aurubis AG

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