Corporate Governance Inside Legislation & Jurisdiction
Überwachungspflichten bei der CSRD Umsetzung
Die im Dezember 2022 verabschiedete und noch im selben Monat im EU-Amtsblatt veröffentlichte „Corporate Sustainability Reporting Directive“ (CSRD) zielt darauf ab, die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen zu fördern.
Diese EU-Richtlinie soll die seit 2014 bestehenden Berichtspflichten der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) inhaltlich erheblich erweitern und auf weitere Unternehmen ausdehnen. Die Umsetzung durch die Mitgliedsstaaten verpflichtet die Unternehmen, die in den Anwendungsbereich fallen, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen, prüfen zu lassen und zu veröffentlichen. In der Folge müssen Unternehmen auch über die Nutzung von immateriellen Ressourcen berichten.
Die CSRD hätte bis Anfang Juli 2024 in nationales Recht umgesetzt sein müssen, erfolgt ist dies bisher noch nicht. Aktuell befindet sich das erforderliche deutsche Umsetzungsgesetz im parlamentarischen Verfahren. Konkret liegt seit dem 24. Juli 2024 ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung vor, nachdem im März 2024 ein Referentenentwurf eines CSRD-Umsetzungsgesetzes veröffentlicht worden war. Der Gesetzesentwurf zielt auf eine 1:1-Umsetzung der Richtlinie ab.
Mittelpunkt der Neuregelung ist die Einführung eines Nachhaltigkeitsberichts nach dem ESG-Konzept (Environmental, Social, Governance). Dieser Nachhaltigkeitsbericht bildet einen eigenen Teil des Lageberichts und ist vom Abschlussprüfer oder einem anderen Wirtschaftsprüfer zu prüfen. Der Entwurf enthält ferner unter anderem auch Vorgaben zu Angaben zu den wichtigsten im Unternehmen genutzten immateriellen Ressourcen.
Das Bundesjustizministerium konzediert, dass der Aufwand hoch ist, der für die Unternehmen mit der CSRD-Umsetzung verbunden ist. Entsprechend ist der Anwendungsbereich der Reportingpflichten gemäß CSRD und CSRD-Umsetzungsgesetz von erheblicher Bedeutung. Denn auch wenn der Anwendungsbereich sehr weit ist, müssen nicht alle Unternehmen gemäß CSRD berichten – jedenfalls nicht sofort. So sind einige Unternehmen bereits für das Geschäftsjahr 2024 verpflichtet, andere trifft dies erst später, gestaffelt über mehrere Jahre.
In diesem Kontext rückt auch die Tätigkeit des Aufsichtsrats in den Fokus, da dieser für die Überwachung der Geschäftsleitung und die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften verantwortlich ist. Die CSRD erweitert diese Verantwortung in den betroffenen Unternehmen um eine umfangreiche Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten, was Rolle und Aufgaben des Aufsichtsrats in Bezug auf Risikomanagement, Compliance und strategische Ausrichtung neu definiert.
Anwendungsbereich
Der genaue Zeitpunkt, ab dem die neuen Berichtspflichten Anwendung finden, richtet sich nach Größe und Bedeutung der Organisationen. Je größer also das Unternehmen und das öffentliche Interesse an ihm sind, desto früher muss es die Richtlinie umsetzen.
Nach dem aktuellen Entwurf sind die folgenden Kapital- und Personenhandelsgesellschaften mit ausschließlich haftungsbeschränkten Gesellschaftern von der CSRD betroffen:
- Bilanzrechtlich große Unternehmen i.S.v. § 267 HGB und entsprechende Mutterunternehmen großer Konzerne
- Bilanzrechtlich kleine und mittlere Unternehmen, die kapitalmarktorientiert sind
- Drittstaatenunternehmen mit mehr als 150 Mio. Euro Umsatz in der EU, sofern sie mit einem großen oder kapitalmarktorientierten Tochterunternehmen oder einer Zweigniederlassung mindestens einen Nettoumsatz von 40 Mio. Euro erreichen
- Bestimmte kleine, mittelgroße und große Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen
Diese vorstehend genannten Organisationen haben die CSRD-Berichtspflichten zeitlich wie folgt erstmalig anzuwenden:
- Ab 1.1.2024: große Unternehmen und Mutterunternehmen großer Konzerne von öffentlichem Interesse mit mehr als 500 Arbeitnehmern (also die Unternehmen, die bereits bisher die nicht-finanzielle Erklärung veröffentlichen müssen)
- Ab 1.1.2025: sonstige große Unternehmen und Mutterunternehmen großer Konzerne
- Ab 1.1.2026: kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen sowie bestimmte Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen (teilweise besteht für diese die Möglichkeit eines Opt-out bis 2028)
- Ab 1.1.2028: Unternehmen außerhalb der EU nach den oben genannten Kriterien
Die Pflicht zur Berichterstattung greift dabei sowohl auf Ebene der Einzelgesellschaften als auch bei der konsolidierten Konzernberichterstattung. Entsprechend des bereits bisher bestehenden Konzeptes können Tochterunternehmen unter bestimmten Voraussetzungen von den Berichtspflichten befreit werden. Dasselbe gilt für Mutterunternehmen, die einen entsprechenden Konzernbericht aufstellen.
Inhaltliche Ausgestaltung
Die bisher aus den §§ 289b ff., 315b ff. HGB folgende nicht-finanzielle Berichterstattung börsennotierter Gesellschaften wird nunmehr durch einen Nachhaltigkeitsbericht ersetzt, bei dem es sich um einen gesonderten, klar abgegrenzten Abschnitt des Lageberichts handelt.
Nach dem Regierungsentwurf des CSRD-Umsetzungsgesetzes muss der Nachhaltigkeitsbericht künftig etwa neben Ausführungen zu Chancen und Risiken des Unternehmens im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten auch erläutern, auf welche Art und Weise die Gesellschaft ihr Geschäftsmodell und die Unternehmensstrategie im Hinblick auf die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens anpasst. Darüber hinaus müssen auch generelle Angaben zu Umwelt-, Sozial-, Menschenrechts- und Governance-Faktoren gemacht werden. Der Bericht soll dabei auch Angaben enthalten sowohl über die Auswirkungen des eigenen Geschäftsbetriebs auf die ESG-Faktoren als auch die Auswirkungen von ESG-Faktoren auf das Unternehmen. Die im Nachhaltigkeitsbericht aufzuführenden Angaben müssen dabei, soweit geeignet, sowohl kurz- als auch mittel- und langfristige Zeiträume umfassen. Bei seiner Erstellung sind die European Sustainable Reporting Standards (ESRS) einzuhalten.
Darüber hinaus sieht der Regierungsentwurf sowohl für große als auch für kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften, die nicht Kleinstkapitalgesellschaften sind, vor, dass der von ihnen zu erstellende Lagebericht um eine Angabe bezüglich der wichtigsten immateriellen Ressourcen zu ergänzen ist (§§ 289 Abs. 3a, 315 Abs. 3a HGB-E). Hierbei handelt es sich um Ressourcen ohne physische Substanz, von denen das Geschäftsmodell der Gesellschaft grundlegend abhängt und die eine Wertschöpfungsquelle für die Gesellschaft darstellen. Im Vergleich zu dem bereits im März veröffentlichten Referentenentwurf des Gesetzes wurde nunmehr das Wort „wichtigsten“ ergänzt.
Eine Differenzierung zwischen immateriellen Ressourcen und den im Nachhaltigkeitsbericht anzugebenden ESG-Faktoren hat der Gesetzgeber hingegen nicht vorgenommen und damit die Gelegenheit versäumt, künftigen Abgrenzungsschwierigkeiten vorzubeugen.
Um möglichst Doppelungen in der Berichterstattung zu vermeiden, soll die CSRD-Berichterstattung etwa Berichte nach dem nationalen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ersetzen, soweit die Angaben im Rahmen der CSRD berichtet werden. Um den Unternehmen Gelegenheit zu geben, dies im Detail zu prüfen, soll die Pflicht zur erstmaligen Veröffentlichung des Berichts gemäß Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz um ein Jahr auf 2025 verschoben werden.
Verantwortlichkeiten
Für die Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts ist der Vorstand verantwortlich. Dieser hat den Bericht unverzüglich nach seiner Aufstellung als Teil des Lageberichts zusammen mit dem Jahresabschluss dem Aufsichtsrat zur Prüfung vorzulegen – nachdem der Nachhaltigkeitsbericht vom Abschlussprüfer oder von einem anderen Wirtschaftsprüfer geprüft wurde.
Aus Synergieerwägungen wird überwiegend die Prüfung durch den Abschlussprüfer empfohlen – zumal der Gesetzgeber einen gesonderten Bericht über die Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts nicht vorschreibt, da dieser unionsrechtlich nicht vorgesehen ist. Die Prüfungsstandards dazu werden von der EU festgelegt.
Dem Aufsichtsrat obliegt dann die umfassende Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts. Genaue Vorgaben über Intensität und Umfang der Prüfungspflicht sieht der Gesetzentwurf nicht vor. Sofern man an die Prüfung dieselben Sorgfaltsmaßstäbe anwenden möchte, die das Gesetz an die Prüfung des Jahresabschlusses sowie des restlichen Jahresberichts stellt, begründet dies für Aufsichtsratsmitglieder – nicht zuletzt sowohl wegen des damit verbundenen Mehraufwands als auch der inhaltlichen Themen – eine erhebliche Herausforderung. Denn die Anforderungen an die Aufsichtsratsmitglieder sind in diesem Zusammenhang hoch. Die Rechtsprechung fordert in Bezug auf „alle normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge“, wozu danach neben der Prüfung von Jahresabschluss und Lagebericht nunmehr auch die Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts gehört, eine so umfangreiche Sachkunde, dass die Durchsicht der Unterlagen sachgerecht und ohne fremde Hilfe erfolgen kann.
Es ist daher entscheidend, dass sich auch die Aufsichtsräte mit den Anforderungen der CSRD vertraut machen und sicherstellen, dass das Unternehmen konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der CSRD ergreift.
Um den hohen Sorgfaltsanforderungen gerecht zu werden, kann der Aufsichtsrat einen Prüfungsausschuss bestellen, der sich explizit neben der Überwachung von Rechnungslegungsprozessen auch mit der Aufsicht der Nachhaltigkeitsberichterstattung befasst, § 107 Abs. 3 S. 2 AktG-E. Auch mit der Qualität der Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts durch den bestellten Prüfer hat sich der Prüfungsausschuss zu befassen.
Ob dies ausreicht, um dem erhöhten Prüfungsaufwand angemessen Rechnung zu tragen, der mit der Detailliertheit und Komplexität des Nachhaltigkeitsberichts einhergeht, und wie andernfalls damit umzugehen ist, bleibt jedoch abzuwarten. Die Aufgaben des Prüfungsausschusses auch auf die Überwachung der CSR-Berichterstattung zu erstrecken, ist jedenfalls bereits gängige Praxis. Die Neufassung des § 107 AktG ist daher eher formaler Natur und dürfte voraussichtlich nicht zu einer weiteren nennenswerten Entlastung des Aufsichtsrats führen.
Haftungsregime
Der mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung erheblich gesteigerte Überwachungs- und Prüfungsaufwand wirft unweigerlich die Frage auf, welche Konsequenzen dem Aufsichtsrat insgesamt und/oder seinen einzelnen Mitgliedern etwa bei einer fehlerhaften oder nur unzureichenden Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts drohen.
Spezielle Haftungsregelungen hierfür ergeben sich weder aus der CSRD selbst noch aus dem Entwurf des Umsetzungsgesetzes. In Ermangelung spezieller Vorschriften kann und muss daher auf die allgemein geltenden Grundsätze zurückgegriffen werden. Neben einer Verweigerung der Entlastung wären bei der Verletzung der gebotenen Sorgfaltspflicht entsprechend auch Schadensersatzansprüche denkbar, wenn die Aufsichtsratsmitglieder im Zuge ihrer Überwachungstätigkeit die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtspflichtigen verletzen. Ob ein solcher Sorgfaltspflichtverstoß vorliegt, ist immer einzelfallbezogen und hängt von den konkreten Umständen ab. In Fällen, in denen die Prüfungsergebnisse vorsätzlich unrichtig oder verschleiert dargestellt werden, kommt sogar eine Strafbarkeit in Betracht.
Zusammenfassung
Die CSRD stellt Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen, wollen sie ihren Nachhaltigkeitsberichtspflichten genügen. Entsprechend führen die CSRD-Berichtspflichten und der detailliert zu überprüfende Nachhaltigkeitsbericht dazu, dass sich auch für den Aufsichtsrat und seine – zumindest einzelne – Mitglieder der Arbeitsaufwand signifikant erhöht.
Im Zuge ihrer Überwachungstätigkeit haben die Aufsichtsratsmitglieder die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtspflichtigen zu übernehmen. Kommen sie diesem Sorgfaltsmaßstab im Rahmen der Überprüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht angemessen nach und entsteht der Gesellschaft hierdurch ein Schaden, machen sich die einzelnen Mitglieder des Aufsichtsrates schadensersatzpflichtig.
Es ist daher entscheidend, dass sich auch die Aufsichtsräte mit den Anforderungen der CSRD vertraut machen und sicherstellen, dass das Unternehmen konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der CSRD ergreift.
Dr. Volker Schulenburg Partner | Corporate/M&A| Deloitte Legal Deutschland
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