Corporate Governance Inside
Accounting & Tax
ESG und Tax
Ein unerwarteter Zusammenhang?
Kaum eine Abkürzung ist in der heutigen Zeit so präsent wie ESG, fällt sie doch in einer Vielzahl gesellschaftlicher, medialer und politischer Diskussionen sowie regelmäßig auch im unternehmerischen Umfeld. In seiner ausgeschriebenen Form umfasst der Term ESG mit Environmental, Social und Governance drei Dimensionen, innerhalb derer sich Unternehmen anhand quantitativer Kriterien messen und in Bezug auf ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten analysieren lassen können. Es lohnt sich für ein tieferes Verständnis von ESG, kurz die Entwicklungsgeschichte des Terms zu skizzieren. Da der Begriff der Nachhaltigkeit seit jeher eine große Projektionsfläche für individuelle Interpretationen besitzt, ist bis heute oft nicht eindeutig abzugrenzen, in welchem Zusammenhang er in einem bestimmten Moment verwendet wird und wie nachhaltiges Wirtschaften und eine nachhaltige Unternehmensführung zu erreichen sind. Um dieser Problematik entgegenzutreten, wurde eine Aufteilung des Begriffs in die drei Teilgebiete Ökologie, Soziologie und Ökonomie bereits vor der Jahrtausendwende im Rahmen des Konzepts der „Triple Bottom Line“ vorgenommen. Sie erleichtert die Messbarkeit des eigenen Beitrags zu mehr Nachhaltigkeit und hat sich bis in die heutige zweite Dekade des 21. Jahrhunderts hinein gehalten. So ist es für Unternehmen im aktuellen Wirtschaftsumfeld essenziell geworden, gesellschaftliche und ökologische Faktoren und Interessen in die Unternehmensstrategie zu integrieren und ein Bewusstsein für den eigenen Einfluss innerhalb dieser Dimensionen zu schaffen – gemeinhin als Corporate Social Responsibility oder CSR bekannt. So wichtig ein derartiges Konzept im Lichte der Nachhaltigkeit ist, so bleibt es qualitativer Natur und weist Schwierigkeiten bei der Quantifizierung auf. Mit der Existenz von ESG schließt sich der Kreis, sodass ein vorhandenes Bewusstsein in gezielte Aktivitäten umgesetzt werden kann, die von quantitativen ESG-Metriken flankiert werden.
Heutzutage führen ein neues Werteverständnis und -bewusstsein in der Gesellschaft dazu, dass Stakeholder eine gesteigerte Erwartungshaltung haben. Jene ESG-Metriken in Form von globalen Ratings, Rankings und Indizes werden verstärkt von Investor:innen und Anleger:innen genutzt, um ihre Entscheidungen zu fällen.
Obwohl ein Zusammenhang auf den ersten Blick nicht offensichtlich erscheint, so findet sich doch eine Vielzahl an steuerlichen Anknüpfungspunkten und Themen innerhalb von ESG wieder. Diese Zusammenhänge sind auch aus Sicht des Aufsichtsrats bzw. Prüfungsausschusses relevant, befassen die Gremien sich doch aktuell in ihrer Überwachungsarbeit mit der Umsetzung der CSRD seitens des Vorstands für 2024. Im Zuge der Pflichten zur Überwachung der zugrundeliegenden Systeme (Internes Kontrollsystem und Risikomanagementsystem) ist auch die Tax Compliance von Relevanz, gerade da, wo es ggfs. unerwartete Schnittstellen gibt:
„Environmental“ im Kontext einer nachhaltigen Steuerfunktion lässt sich durch die Lenkungsfunktion von Steuern sowie die Zunahme sogenannter „Green Taxes“ in der jüngeren Vergangenheit abbilden. Erstere zielt darauf ab, nachhaltiges und umweltfreundliches unternehmerisches Handeln zu fördern. Als Instrumente stehen dazu sowohl steuerliche Begünstigungen oder Förderungen als auch der Einbezug von Sachverhalten in eine Steuerpflicht zur Verfügung. Die Förderung energetischer Sanierungsmaßnahmen über eine Steuerermäßigung nach § 35c EStG ist ein Beispiel für eine solche Begünstigung. Die ursprünglich geplante Klimaschutz-Investitionsprämie kann in diesem Zuge ebenfalls beispielhaft genannt werden, auch wenn sie bekanntermaßen durch den Vermittlungsausschuss aus dem Wachstumschancengesetz gestrichen wurde. Weitere beispielhafte Vorschriften sind im EStG und GewStG zum Thema Elektromobilität zu finden.

Die zunehmende Implementierung von „Green Taxes“, welche auf umweltbezogene Sachverhalte Anwendung finden, stellt eine weitere Komponente der Einordnung der Steuerfunktion in ESG dar. Ein prominentes Beispiel der jüngeren Vergangenheit ist die Einführung der Plastiksteuer in der Europäischen Union, welche die Produktion von nicht recycelbarem Verpackungsmüll aus Plastik der Besteuerung unterwirft. Anknüpfungspunkt ist hierbei das Gewicht des Plastikmülls. Kritisch zu sehen ist die „EU Plastic Tax“ besonders vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Art und Weise der Einführung dieser Steuer in den jeweiligen Mitgliedsstaaten. Zudem können Staaten einen bloßen Betrag aus ihrem Haushalt an die Europäische Union abführen, ohne diesen über eine zuvor eingeführte nationale Steuer generiert zu haben.
Neben der Plastiksteuer ist auch der Carbon Border Adjustment Mechanism, kurz CBAM, ein gewichtiges Instrument der EU, welches die Arbeit in der Steuerfunktion beeinflusst. Die im CBAM enthaltene Meldepflicht während der Übergangsphase zwischen 2023 und 2025 wird dabei ab 2026 um die Abgabe von Zertifikaten ergänzt, um in der Gesamtbetrachtung eine effektive Kohlenstoffdioxidbepreisung sicherzustellen. Es bleibt abzuwarten, als wie wirksam sich dieser Mechanismus am Ende erweisen wird.
Bereits heute steht in jedem Fall fest, dass die Regelungen zum CBAM in der aktuellen Übergangsphase Ressourcen im Unternehmen binden und sich nahtlos in die Reihe der steigenden Compliance-Vorschriften der letzten Jahre einfügen.
ESG und Tax – dazu lässt sich auch in der Dimension „Social“ ein enger Zusammenhang herstellen. Die Themen „Steuergerechtigkeit“ und „Fairness im internationalen Steuerwettbewerb“ haben längst Einzug in öffentliche Debatten gehalten und im Rahmen von Pillar Two als Meilenstein des BEPS-Projekts der OECD einen ihrer Höhepunkte erreicht. Der Kampf gegen aggressive Steuervermeidung, Besteuerungsinkongruenzen sowie Verlagerungen von Steuersubstrat in niedrig besteuerte Jurisdiktionen ist damit im vollen Gange. In Deutschland findet sich neben Pillar Two unter anderem auch weiterhin der Cum-ex-Skandal in den Schlagzeilen wieder und rückt den Steuerbereich regelmäßig in den Fokus. Die gesellschaftliche Relevanz ergibt sich aus der Funktion von Steuern als essenziellem Beitrag von Unternehmen zum öffentlichen Haushalt von Staaten. Insbesondere nach der globalen Corona-Pandemie sind die Staatshaushalte mehr denn je auf Steuereinnahmen angewiesen. Die unternehmerische Steuerverantwortung überträgt sich mehr und mehr auf die wahrgenommene Verantwortung eines Unternehmens für die Gesellschaft, und eine Steuerpolitik, die in diesem Zusammenhang aus der Reihe fällt, wird in der heutigen Zeit zum möglichen Laster für die eigene Reputation.
Ergänzend zum bereits erwähnten CBAM stellt das seit 2023 aktive Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ein Beispiel dar für die Erwartung an Unternehmen, mehr soziale Verantwortung entlang der Lieferkette zu übernehmen. Es kombiniert umweltbezogene und soziale Komponenten und bildet zugleich die Brücke zur dritten Dimension von ESG (Governance), da es zusätzliche Anforderungen an die unternehmerische Berichterstattung stellt. Aufbauend auf dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz wurde darüber hinaus in diesem Jahr auf Ebene der Europäischen Union die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) verabschiedet. Sie erweitert das deutsche LkSG in bestimmten Bereichen und dürfte über eine Anpassung des LkSG bis Mitte 2026 auch national umgesetzt werden. Aus Unternehmenssicht ist in der Gesamtbetrachtung weiterhin zu betonen, dass die Menge an einschlägigen Reportingverpflichtungen und Offenlegungsvorschriften Anlass zur Sorge gibt, vor allem im Hinblick auf vorhandene Kapazitäten.

Im Allgemeinen umfasst „Governance” die Unternehmensführung als Ganzes sowie interne Abläufe und Kontrollprozesse und deren Überwachung durch Aufsichtsrat und Prüfungsausschuss. Sie sorgen bei positiver Ausgestaltung dieser Dimension dafür, dass das Unternehmen korrekt und gesetzes- beziehungsweise vorschriftenkonform agiert, es dementsprechend den Pfad der Legalität beschreitet. Auch an dieser Stelle ist der Einfluss von Tax allgegenwärtig:
Eine verantwortungsvolle Steuerpolitik geht in der heutigen Zeit einher mit deren steigender Transparenz in Form von Pflichten zur steuerlichen Berichterstattung. Dies wird gerade am Beispiel unternehmerischer Nachhaltigkeitsberichterstattung deutlich. Im Rahmen der Umsetzung der Corporate Social Responsibility Directive (CSRD) betrifft dies einen zu veröffentlichenden Nachhaltigkeitsbericht, der nun zusätzlich extern mit „limited assurance“ geprüft werden muss. Die Global Reporting Initiative (GRI) liefert seit 2021 den Standard GRI 207: Tax 2019, der unter anderem für die nicht-finanzielle Berichterstattung nach den Vorschriften des HGB genutzt werden kann. Unter anderem deckt er die Skizzierung der Steuerstrategie sowie Angaben zum internen Tax-Compliance-Managementsystem (TCMS) ab. Zu den genannten Punkten sind das Public Country-by-Country Reporting als umfangreiches Transparenzinstrument sowie die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) als europäisches Rahmenwerk zu addieren. Diverse Richtlinien über die Zusammenarbeit von Verwaltungsbehörden (DAC1–DAC8) komplettieren das zunehmend unübersichtliche Bild.
Die Steuerwelt befindet sich in einem weitreichenden Transformationsprozess, einen Teil davon bildet mehr denn je der Einbezug von Tax in das Verständnis von unternehmerischer Nachhaltigkeit und nachhaltiger unternehmerischer Entwicklung. Im Rahmen dessen definiert der prominente Term ESG drei Dimensionen, die sich allesamt auf die Steuerfunktion anwenden lassen und dabei eng miteinander verwoben sind. Ein positiver Beitrag von Tax in den vorgestellten Dimensionen zahlt auf ein positives Abschneiden des gesamten Unternehmens bei der Analyse von dessen Nachhaltigkeitsaktivitäten ein. In einer Zeit, in der Investor:innen und Anleger:innen ihre Entscheidungen verstärkt auf ESG-Faktoren sowie der Unternehmensperformance bei ESG-Kennzahlen aufbauen, ist eine Fokussierung auf das Thema ESG nicht nur in der strategischen Unternehmensführung, sondern vor allem auch in der Steuerfunktion unabdingbar.
Es ergibt sich eine wachsende Bedeutung der Steuerabteilung als interner strategischer Geschäftspartner, somit wird steuerlichen Aspekten und Effekten eine noch bedeutendere Rolle bei strategischen Geschäftsentscheidungen zuteil. Daher gehören die Themen rund um Tax auch immer wieder einmal auf die Agenda des Aufsichtsrates.
Bettina Rodenberg Head of Tax | Henkel AG & Co KGaA
Leif-Ole Baehr Junior Manager Tax | Henkel AG & Co KGaA
Hier können Sie das gesamte Magazin als PDF herunterladen:
Teilen Sie diesen Artikel: