Corporate Governance Inside

Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz


Einschätzung zur aktuellen wirtschaftlichen Lage im CFO Survey Frühjahr 2025 und Auswirkungen auf die Aufsichtsrats­tätigkeit

Eine der Hauptaufgaben von Aufsichtsräten ist die Überwachung der Geschäftsführung des Vorstandes, die hauptsächlich auf der Basis der Regelberichterstattung des Vorstandes nach § 90 AktG erfolgt. Für die Einordnung dieser Berichte können weitere vorstandsunabhängige Informationen hilfreich sein, wie zum Beispiel die Ergebnisse des Deloitte CFO Survey aus dem Frühjahr 2025. Dieser reflektiert die Einschätzungen und Erwartungen von CFOs deutscher Großunternehmen zu makroökonomischen, unternehmensstrategischen und finanzwirtschaftlichen Themen. An der Umfrage, die vom 20. März bis 10. April 2025 durchgeführt wurde, nahmen 216 Finanzvorstände deutscher Großunternehmen teil.

Geschäftsaussichten schwenken um

Die Ergebnisse des aktuellen CFO Survey für das Frühjahr 2025 zeigen, dass der Optimismus der deutschen Unternehmen infolge der Zollankündigungen deutlich sank. Die Verkündung der Zölle durch die US-Administration am 2. April 2025 hat den bis dato leichten konjunkturellen Aufwärtstrend in Deutschland umgekehrt. Während sich die Geschäftsaussichten der befragten Unternehmen bis zum 2. April 2025 noch leicht erholt hatten – der Indexwert, also die Differenz aus positiven und negativen Einschätzungen, lag bei 4 Prozent und damit sehr deutlich über den Geschäftsaussichten des Herbst CFO Surveys (s. Abb. 1) –, ließ die Neuigkeit von potenziell hohen Zöllen aus den USA die Erwartungen scharf abfallen: Nach dem 2. April fiel der Index für die Befragten auf - 25 Prozent.

Abb. 1: Geschäftsaussichten

Insbesondere die Großunternehmen (> 1 Mrd. € Umsatz) schätzen die Aussichten seit dem 2. April schlechter ein (Index - 27%). Nur noch 9 Prozent der großen Unternehmen geben seitdem an, dass sich ihre Aussichten verbessert haben.

Über den gesamten Befragungszeitraum betrachtet gibt es auch zwischen den Sektoren deutliche Unterschiede. Nachdem sich der Dienstleistungssektor im letzten Jahr noch positiver entwickeln konnte, liegen die Erwartungen nun mit einem Indexwert von - 16 Prozent deutlich unter dem insgesamten Durchschnitt. Weiterhin schlecht ist die Situation in der Konsumgüterindustrie (Index: - 47%) und der Automobilbranche (Index: - 20%). Überraschend positiv entwickelt sich dagegen der Maschinenbau. Nach schlechten Aussichten im Herbst letzten Jahres steigt hier der Index in diesem Frühjahr leicht ins Positive (9%).

Geopolitik dominiert Risiken zunehmend

Geopolitische Risiken sind in der Risikowahrnehmung der Unternehmen noch einmal deutlich gestiegen, nur die Gefahr einer schwächelnden Inlandsnachfrage wird insgesamt als noch wichtiger gesehen. Diese Risikoeinschätzung spiegelt das schwierige geo- und handelspolitische Umfeld wider. Über den gesamten Befragungszeitraum hinweg bleibt die schwache Inlandsnachfrage der wichtigste Risikofaktor für die deutschen Unternehmen – 64 Prozent der Teilnehmenden schätzen dies als wichtiges Risiko ein. Im Vergleich zum Herbst 2024 haben geopolitische Risiken aber deutlich an Bedeutung gewonnen. Mittlerweile sehen 60 Prozent der CFOs in den geopolitischen Veränderungen einen wichtigen Risikofaktor für ihr Unternehmen.

Abb. 2 – Risiken

Aber auch hier haben sich die Prioritäten seit dem 2. April 2025 verschoben. In den Antworten seit der Verkündung der Zölle sind die geopolitischen Risiken an die erste Stelle der Risikofaktoren gerückt.

Auch für Groß- und exportorientierte Unternehmen, die mehr als zwei Drittel ihres Umsatzes im Ausland erwirtschaften, sind geopolitische Risiken über den gesamten Befragungszeitraum hinweg der wichtigste Faktor. Im verarbeitenden Gewerbe ist die Geopolitik ebenfalls der kritischste Risikofaktor. Dagegen hat der Fachkräftemangel im Durchschnitt deutlich an Bedeutung verloren. Lediglich in der Technologie- und der Real-Estate-Branche bleibt dieses Risiko nach wie vor relevant.

Auch das Inflationsrisiko wird weniger wichtig bei den Unternehmen. Im Durchschnitt rechnen die CFOs für die kommenden zwölf Monate mit einer Preissteigerung von 2,7 Prozent. Damit steigen die Preise zwar stärker als das 2-Prozent-Ziel der EZB, aber wesentlich moderater und erwartbarer als noch in den Vorjahren.

Die Unsicherheit infolge der geopolitischen Spannungen spiegelt sich auch in den Kennzahlen der Unternehmen. Während die Erwartungen für die Entwicklung der Margen vor der Verkündung der Zölle noch positiv waren, fiel der Index in den Antworten nach der Ankündigung deutlich ins Negative. Die Erwartungen für Umsätze blieben dagegen stabil.

Schub für Investitionen

Auf die Investitionsneigung hatten die Zölle einen überraschenden Effekt: Die Teilnehmenden, die nach dem 2. April 2025 befragt wurden, wollten tendenziell mehr investieren. Dies könnte mit erhöhten Ausgaben für Resilienz zusammenhängen, aber auch mit einer Neuaufstellung der Wertschöpfungskette. Bereits vor dem 2. April wollten die deutschen Unternehmen im Durchschnitt wieder mehr investieren. Abbildung 3 zeigt, dass diese Absicht seit dem 2. April 2025 noch einmal wuchs, der Indexwert für Investitionen stieg von 8 auf 13 Prozent.

Abb. 3 – Investitionsplanung

Vor allem die Großunternehmen planen seit dem 2. April 2025 expansiver. Während sie vor dem „Liberation Day“ zwar überdurchschnittlich, aber noch verhalten investieren wollten, sind ihre Pläne im Zuge der Verkündigung der Zölle wesentlich ambitionierter geworden.

Über den gesamten Befragungszeitraum gesehen sollen aus Industrieperspektive Investitionen vor allem in der Technologie- sowie in der Transport- und Logistik-Branche verstärkt werden. Beschäftigung soll außerdem im Bankenwesen aufgebaut werden. Nach wie vor defensiv sind die Pläne in der Automobilbranche. Fast 50 Prozent der Befragten wollen hier weniger investieren und 73 Prozent wollen weniger einstellen. Damit sind die schweren Zeiten für diesen Industriezweig noch nicht überstanden.

Keine kurzfristige Erholung

Die weiter zunehmenden geopolitischen Spannungen treffen die deutsche Wirtschaft in einer nach zwei Rezessionsjahren weiterhin schwierigen konjunkturellen Situation. Kernindustrien wie der Automobilsektor leiden schon länger unter der schwachen Nachfrage und härterem Wettbewerb im In- und Ausland. Die Zölle verschlechtern die Aussichten für das laufende Jahr entsprechend weiter.

Zwei Faktoren geben jedoch Anlass zur Hoffnung. Zum einen die Erholung der Geschäftsaussichten vor dem 2. April. Diese dürften mit der Aussicht auf eine baldige Regierungsbildung und die beschlossenen Fiskalpakete zu erklären sein. Geringere innenpolitische Unsicherheit und fiskalische Impulse dürften der Konjunktur helfen. Zum anderen haben sich die Investitionsabsichten der Unternehmen trotz der schwierigen wirtschaftlichen und geopolitischen Lage gebessert. Insofern dürfte die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland davon abhängen, ob diese positiven Faktoren die negativen Effekte der Handelskonflikte überlagern können.

Auswirkungen auf die Aufsichtsratstätigkeit

Die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen sowie die veränderte Risikolage stellen Unternehmen, Vorstände und Aufsichtsräte vor große Herausforderungen. Unternehmen und Aufsichtsräte können folgende Aspekte überdenken:

  • Inwieweit sind die von den CFOs im Frühjahr 2025 genannten Risikoarten und deren Risikopriorisierung auf das konkrete Unternehmen zutreffend, welche konkreten Gegenmaßnahmen können und müssen getroffen werden? Welche Maßnahmen sind geeignet, um die Resilienz der Organisation zu stärken?
  • Wie weit ist das Unternehmen von der schwachen Inlandsnachfrage betroffen und welche Gegenmaßnahmen (z.B. Preis-, Produktions- oder Kapazitätsanpassungen) können oder müssen ergriffen werden?
  • Welche Auswirkungen können geopolitische Risiken im Allgemeinen und die tatsächliche Einführung von US-Zöllen sowie mögliche EU-Gegenmaßnahmen im Speziellen auf das Unternehmen haben? Sind die Wertschöpfungskette, die Supply Chain und/oder die geografische Verteilung der Produktion neu aufzustellen? Führt der Vorstand entsprechende Szenarioanalysen durch und berichtet er dem Aufsichtsrat darüber? Besteht die Notwendigkeit, Risikomanagementsysteme an die neuen Herausforderungen anzupassen?
  • Welche konkrete Herausforderung bedeutet die weiterhin schwierige konjunkturelle Situation für das Unternehmen und welche kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen sind zu ergreifen? Welche Auswirkungen ergeben sich auf die erwartete Geschäftsentwicklung des laufenden Jahres und ist eine Anpassung oder Überarbeitung der Unternehmensstrategie notwendig?

Dr. Claus Buhleier Partner | Center für Corporate Governance | Deloitte Deutschland

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Dr. Alexander Börsch Chefökonom & Director Research

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