Corporate Governance Inside
Accounting & Tax
Die „Omnibusvorschläge“ der Europäischen Kommission zur Nachhaltigkeitsberichterstattung
Ein Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit?
Am 26. Februar 2025 hat die Europäische Kommission Vorschläge veröffentlicht, die u.a. darauf abzielen, den Aufwand für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen erheblich zu reduzieren und somit deren Wettbewerbsfähigkeit in der EU zu stärken. Vorgeschlagen werden dabei Änderungen an den Vorschriften zur Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), zur Berichterstattung gemäß der EU-Taxonomie-Verordnung sowie zur Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD). Die Vorschläge, die eine deutliche Reduktion des Anwendungsbereichs der zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichteten Unternehmen, Erleichterungen bei den Berichtsinhalten sowie eine Verschiebung der Erstanwendungszeitpunkte vorsehen, bilden den Auftakt des Gesetzgebungsverfahrens auf Ebene der Europäischen Union (EU).
Hintergrund: Wettbewerbsfähigkeit als Leitmotiv
Ausgehend von der sich rasant verändernden globalen politischen und wirtschaftlichen Lage hat die Europäische Kommission die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen – neben der Verteidigungspolitik – als zentrales Thema der kommenden Jahre identifiziert. Prägend war für die vorbereitenden Überlegungen insbesondere der Bericht von Mario Draghi zur Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit der EU.¹ Als eine der Stellschrauben zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit wurde der Faktor „Vereinfachung“ – unter dem Leitmotiv „simpler, lighter, faster“ – ausgemacht. Insbesondere im Hinblick auf die Vorschriften zur Nachhaltigkeitsberichterstattung ist aus Sicht der Kommission die „hohe Regulierungslast“ ein Hindernis für die Wettbewerbsfähigkeit, was auch immer wieder von deutschen Unternehmen moniert wird. Der Berichterstattungsaufwand soll daher um mindestens 25 Prozent für alle Unternehmen und um mindestens 35 Prozent für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) reduziert werden. An den Grundfesten des European Green Deal und des Sustainable Finance Action Plan soll gleichwohl festgehalten werden.
In diesem Zusammenhang plant die Kommission, eine Reihe von sog. Omnibusvorschlägen zu veröffentlichen. Hierbei handelt es sich grundsätzlich um legislative Akte, die Änderungen an einer Reihe von bestehenden Vorschriften vornehmen. Die ersten dieser Omnibusvorschläge, die sich gleichwohl nicht ausschließlich mit Themen der Nachhaltigkeitsberichterstattung befassen, wurden am 26. Februar 2025 veröffentlicht.² Die Vorschläge, die nach Schätzungen der Europäischen Kommission zu Kosteneinsparungen in Höhe von jährlich 6,3 Mrd. EUR führen könnten, bestehen aus den folgenden Bausteinen:
Omnibus-Paket I
- Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Abschlussprüferrichtlinie, der Bilanzrichtlinie, der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) (sog. „Inhaltsrichtlinie“)
- Vorschlag für eine Richtlinie zur Verschiebung der Erstanwendung im Hinblick auf bestimmte Unternehmen im Anwendungsbereich der CSRD (sog. „Welle 2“- und „Welle 3“-Unternehmen) und der Erstanwendung der CSDDD (sog. „Stop the clock“-Richtlinie)
- Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der CO2-Grenzausgleichssystem-Verordnung (Carbon Adjustment Border Mechanism, CBAM)
Omnibus-Paket II
- Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der InvestEU-Verordnung
Ebenfalls veröffentlichte die Kommission am 26. Februar 2025 den Entwurf einer delegierten Verordnung zur Änderung der EU-Taxonomie-Berichterstattung. In diesem Zusammenhang wurde auch eine öffentliche Konsultation angestoßen, im Rahmen derer bis zum 26. März 2025 Stellungnahmen eingereicht werden konnten.
Anwendungsbereich der CSRD soll um 80 Prozent reduziert werden
Die Vorschläge der Kommission sehen durch Aufnahme eines zusätzlichen Kriteriums hinsichtlich der Beschäftigtenanzahl eine deutliche Reduktion des Anwendungsbereichs der zur Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß CSRD verpflichteten Unternehmen vor. Demnach soll eine Pflicht zur Berichterstattung nur noch dann vorliegen, wenn das Unternehmen oder der Konzern bilanzrechtlich groß ist und im Durchschnitt mehr als 1.000 Beschäftigte aufweist. Unternehmen bzw. Konzerne mit mehr als 1.000 Beschäftigten gelten in diesem Kontext grundsätzlich als bilanzrechtlich groß, wenn sie über einen Umsatz von mehr als 50 Mio. EUR und/oder über eine Bilanzsumme von mehr als 25 Mio. EUR verfügen. Nach Schätzungen der Kommission würden die Vorschläge zu einer Reduktion der berichtspflichtigen Unternehmen um etwa 80 Prozent führen.
Die in der CSRD enthaltene Berichtspflicht für bestimmte Drittstaatenunternehmen mit signifikanten Geschäftsaktivitäten in der EU bleibt grundsätzlich bestehen, auch für diese Unternehmen wird allerdings vorgeschlagen, die Schwellenwerte anzupassen. So soll etwa das für die Berichtspflicht erforderliche Kriterium von 150 Mio. EUR Umsatz in der EU auf 450 Mio. EUR ausgeweitet werden.
Ein weiterer Vorschlag betrifft die zeitliche Verschiebung der Berichterstattungspflichten für Unternehmen der sog. zweiten und dritten Welle der CSRD³ (d.h. die Geschäftsjahre 2025 und 2026 betreffend) um zwei Jahre. Dies soll einerseits sicherstellen, dass Unternehmen ausreichend Zeit zur Vorbereitung auf die neuen Berichtspflichten haben bzw. auch etwaige Änderungen im Hinblick auf die Berichtsinhalte abwarten können (s.u.). Außerdem sollen unnötige Kosten vermieden werden, falls Unternehmen – aufgrund der vorgeschlagenen Änderungen des Anwendungsbereichs – später aus dem Anwendungsbereich fallen würden und somit nur für eine kurze „Übergangszeit“ vollständig hätten berichten müssen.
Ein weiterer Änderungsvorschlag betrifft die Prüfungspflicht der Nachhaltigkeitsberichte. Zwar wird an einer solchen grundsätzlich festgehalten, der in der CSRD angelegte Auftrag an die Kommission zur Überprüfung der künftigen Ausweitung der Prüfungstiefe von begrenzter Sicherheit (sog. limited assurance) zu einer hinreichenden Sicherheit (sog. reasonable assurance) ab dem Jahr 2028 soll jedoch nicht weiter verfolgt werden. Es bliebe daher bei der Pflicht zu Prüfung mit begrenzter Sicherheit. Auch sollen bis zum Jahr 2026 gezielte Prüfungsrichtlinien (targeted assurance guidelines) entwickelt werden. Die bislang bis zum Jahr 2026 vorgesehene Annahme von Standards zur Prüfung mit begrenzter Sicherheit wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.

ESRS: Überarbeitung der „brandneuen“ Standards
In den Omnibusvorschlägen ist bereits angelegt, dass auch der erste Satz der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) umfassend überarbeitet werden soll. Nach dem Willen der Kommission soll die EFRAG – bereits verantwortlich für die inhaltliche Vorbereitung von Set 1 der ESRS, das erst im Dezember 2023 von der Kommission per delegiertem Rechtsakt angenommen wurde⁴ – mit dieser Aufgabe betraut werden. In diesem Zuge sollen die Berichterstattungspflichten deutlich vereinfacht werden, um die Belastung für Unternehmen signifikant zu reduzieren. Konkrete Vorschläge, welche spezifischen Änderungen an den ESRS vorgenommen werden sollen, enthalten die Omnibusvorschläge zwar noch nicht. Gleichwohl kündigt die Kommission an, dass durch die Änderungen die Anzahl der Datenpunkte signifikant verringert werden soll. Hierzu soll auf Datenpunkte verzichtet werden, die als weniger wichtig angesehen, quantitative Datenpunkte gegenüber qualitativen Datenpunkten priorisiert und auch das Verhältnis von verpflichtenden und freiwilligen Datenpunkten auf den Prüfstand gestellt werden. Die Überarbeitung soll die Interoperabilität mit globalen Berichtsstandards – z.B. mit denen des International Sustainability Standards Board (ISSB) – nicht beeinträchtigen und gleichzeitig die Klarheit der Standards verbessern. Ferner sollen die Konsistenz mit anderen EU-Regularien verbessert und klarere Vorgaben zur Anwendung des Wesentlichkeitskonzepts erarbeitet werden. Klargestellt wird allerdings auch, dass das Konzept der sog. doppelten Wesentlichkeit (also finanzielle Wesentlichkeit und „Impact“-Wesentlichkeit) beibehalten werden soll.
Die Vorschläge sehen zudem die Entwicklung von freiwillig anzuwendenden ESRS für KMU (sog. VSME ESRS) vor. Diese sollen KMU ein Instrument zur Verfügung stellen, mit dem sie Nachhaltigkeitsinformationen strukturiert an ihre Adressaten – z.B. Banken, große Unternehmen und andere Stakeholder – liefern können. Der freiwillige Standard soll in diesem Zusammenhang explizit als Begrenzung für die Informationsanforderungen in der Wertschöpfungskette dienen („value chain cap“) und verhindern, dass Unternehmen Informationen von KMU in ihrer Wertschöpfungskette anfordern, die über die im VSME ESRS geforderten Informationen hinausgehen. Es wird vorgeschlagen, dass die Kommission den von der EFRAG bereits erstellten Entwurf eines VSME ESRS als Basis für die vorgesehene Entwicklung des freiwilligen Standards nutzt. Der endgültige Standard soll dann im Wege eines delegierten Rechtsakts von der Europäischen Kommission erlassen werden.
Die Kommission plant außerdem, die Entwicklung sektorspezifischer ESRS, auf die auch in Set 1 der ESRS vorausblickend Bezug genommen wird, zu streichen. Bislang war vorgesehen, dass die EFRAG ungefähr 40 ESRS-Sektorstandards inhaltlich vorbereitet und diese von der Europäischen Kommission im Wege delegierter Rechtsakte angenommen werden.
EU-Taxonomie: Erleichterungen in Aussicht
Die Pflicht zur Berichterstattung gemäß Art. 8 der EU-Taxonomie-Verordnung – als Klassifizierungssystem für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten – ist grundsätzlich gekoppelt an die Pflicht zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts gemäß der CSRD. Demnach wirken sich die vorgeschlagenen Änderungen zur Reduktion des Anwendungsbereichs (s.o.) auch unmittelbar auf die Berichterstattungspflicht gemäß EU-Taxonomie-Verordnung aus. In der Folge müssten Unternehmen, die nicht in den neu definierten Anwendungsbereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung fallen, auch keine Angaben zur EU-Taxonomie machen. Die Vorschläge sehen darüber hinaus vor, dass große Unternehmen bzw. Konzerne im Anwendungsbereich, deren Nettoumsatz 450 Mio. EUR nicht übersteigt, von der Pflicht zur Taxonomie-Berichterstattung befreit werden. Für diese Unternehmen wird allerdings ein sog. „Opt-in“-Regime vorgeschlagen, d.h., eine Berichterstattung kann grundsätzlich auf freiwilliger Basis erfolgen, z.B. für Finanzierungszwecke. In diesem Fall müssten bei der Berichterstattung über die Taxonomiekonformität der Wirtschaftstätigkeiten allerdings zumindest die Umsatz- und CapEx-Kennzahlen offengelegt werden. Eine grundsätzlich verpflichtende Taxonomie-Berichterstattung verbliebe in der Folge dann nur noch für große Unternehmen bzw. Konzerne mit mehr als 1.000 Beschäftigten, deren Nettoumsatz 450 Mio. EUR übersteigt.
Im Rahmen der Konsultation zur Änderung der delegierten Taxonomie-Rechtsakte werden ferner bestimmte Erleichterungen vorgeschlagen. So soll ein qualitativer Wesentlichkeitsgrundsatz (i.d.R. 10%) für die Berichterstattung über die Taxonomiekonformität eingeführt werden. Auch sollen die verpflichtend zu nutzenden Meldebögen (Templates) verschlankt werden, die Rede ist von schätzungsweise ca. 70 Prozent Reduktion. Ebenso sollen die Kriterien für die Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen (sog. „Do no signifikant harm (DNSH)“-Prüfung) vereinfacht werden.
Fazit und Ausblick: politischer Prozess und „Neustart“ als Chance?
Die Vorschläge der Kommission zur Reduktion der Berichtspflichten über Nachhaltigkeitsaspekte setzen im Wesentlichen bei drei Stellschrauben an:
a) Wer muss berichten? Vorgeschlagen wird eine deutliche Reduktion des Anwendungsbereichs um etwa 80 Prozent der bislang betroffenen Unternehmen.
b) Was muss berichtet werden? Die gegenwärtigen Vorschläge beinhalten noch keine konkreten Änderungen an den ESRS, stoßen allerdings eine umfassende Überarbeitung mit dem klaren Ziel der Datenpunktreduktion an. Die Anforderungen zur Taxonomie-Berichterstattung sollen ebenfalls erleichtert werden.
c) Wann muss berichtet werden? Für die Unternehmen, die nach den Regelungen der CSRD für die Geschäftsjahre 2025 und 2026 berichtspflichtig wären, wird eine Verschiebung um zwei Jahre vorgeschlagen.
Durchaus bemerkenswert: Bei den Anforderungen der CSRD zur Nachhaltigkeitsberichterstattung handelt es sich um vergleichsweise neue Berichtspflichten, die erstmals für das Geschäftsjahr 2024 angewendet werden mussten. Die überwiegende Anzahl der von der CSRD betroffenen Unternehmen hätte gar erst für das Geschäftsjahr 2025 berichten müssen. In Deutschland kommen die Regelungen mangels nationaler Umsetzung der Richtlinie bislang noch gar nicht verpflichtend zur Anwendung. Erste Analysen der Berichtssaison 2024 zeigen, dass rund zwei Drittel der analysierten Unternehmen ihre nicht-finanzielle Erklärung (NFE) freiwillig unter vollständiger Anwendung der ESRS erstellt haben – die übrigen Unternehmen berichteten in Anlehnung an die ESRS.⁵
Die Omnibusvorschläge durchlaufen nun das übliche Gesetzgebungsverfahren der EU, wenn auch mit klarer Aufforderung zur Priorisierung. Während sich für die Vorschläge zur Verschiebung der Zeitachsen („stop the clock“) ein vergleichsweise schneller Prozess abzeichnet (die Vorschläge sollen nach dem Willen der Kommission bereits bis Ende des Jahres national umgesetzt sein), könnte es angesichts der politischen Gemengelage in den EU-Organen bei den inhaltlichen Vorschlägen schwieriger werden, einen Kompromiss im Trilog zwischen Kommission, Europäischem Parlament und Rat der EU zu finden – welcher dann, einschließlich der geänderten CSRD, in Deutschland auch erst noch umgesetzt werden muss.
Bei aller wahrnehmbaren Kritik an den Vorschlägen von „zu viel“ bis „zu wenig“ Entlastung können die Änderungen auch als Chance für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gesehen werden. Hierzu muss der Balanceakt aus spürbarer Entlastung und Fokussierung auf das Wesentliche gelingen: Es braucht schließlich relevante und fokussierte Informationen mit Blick auf das Wesentliche, die es den Adressaten ermöglichen, informierte Entscheidungen zu treffen. Ein wesentlicher Hebel kann daher das „was“ (s.o.) sein, d.h. die anstehende konkrete inhaltliche Überarbeitung der Berichtsstandards. Nur wenn Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht als reine „Compliance-Übung“ verstanden wird, sondern Anreize schafft, Nachhaltigkeitsaspekte besser mit der Unternehmensstrategie und -steuerung zu verzahnen, können die berichteten Informationen ihre transformative Wirkung entfalten. Ein nachhaltig agierendes Unternehmen, resilient gegenüber nachhaltigkeitsbezogenen Auswirkungen von außen und innen, ist zukunfts- und somit wettbewerbsfähig.
¹ Vgl. https://commission.europa.eu/topics/eu-competitiveness/draghi-report_en, September 2024, abgerufen am 09.04.2025.
² Vgl. https://commission.europa.eu/news/commission-proposes-cut-red-tape-and-simplify-business-environment-2025-02-26_en, Februar 2025, abgerufen am 09.04.2025.
³ Die sog. zweite Welle der CSRD betrifft alle bilanzrechtlich großen Unternehmen, die nicht bereits in der ersten Welle enthalten sind, also bislang nicht dem CSR-RUG unterlegen haben. Die dritte Welle betrifft insbesondere kapitalmarktorientierte KMU.
⁴ Vgl. delegierte Verordnung (EU) 2023/2772 der Kommission, ABl. L 2772 vom 22.12.2023, S. 1.
⁵ Vgl. Deloitte/DRSC, Praxis der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach CSRD/ESRS, https://www.drsc.de/projekte/studie-zur-nachhaltigkeitsberichterstattung-2024/, abgerufen am 09.04.2025.
Partner | Corporate Reporting Leader und Leiter des IFRS and Corporate Reporting Centre of Excellence | Deloitte Deutschland
Dr. Daniel Worret
Director | Professional Practice Director Sustainability Reporting im IFRS and Corporate Reporting Centre of Excellence | Deloitte Deutschland
Hier können Sie das gesamte Magazin als PDF herunterladen:
Teilen Sie diesen Artikel: