Corporate Governance Inside
Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz
Praxis-Impuls der DCGK-Kommission
Der Aufsichtsrat als strategischer Sparringspartner
Die Kommission ist mehr als der Kodex: Hinter dieser Aussage steht der Anspruch der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK), sich nicht darauf zu beschränken, ausschließlich am Kodex zu arbeiten. Es geht auch darum, Diskussionen und Impulse zu relevanten Themen der Corporate Governance anzustoßen. Zu diesem Zweck wurde im vergangenen Jahr ein neues Format eingeführt: der Praxis-Impuls.
Ziel der Praxis-Impulse ist es, die Unternehmen mit Ideen und Gedanken zur praktischen Umsetzung von Kodex-Empfehlungen und -Anregungen zu unterstützen. Sie sollen pragmatische Vorschläge machen, die im geltenden Rechtsrahmen umsetzbar sind. Sie haben keinen bindenden Charakter und sollen auch nicht Bestandteil des Corporate Governance Kodex werden.
Bisher hat die Regierungskommission DCGK zwei Praxis-Impulse veröffentlicht: zum Thema Hauptversammlung und zum Thema Aufsichtsratsarbeit. Bei Letzterem geht es darum, wie man die Rolle von Aufsichtsräten in einem Unternehmen noch effektiver und professioneller gestalten kann.
In diesem Kontext kommt man zur Frage, welche Rolle ein Aufsichtsrat heute im Strategieprozess eines Unternehmens spielen soll. In der Kommission sind wir uns einig: Ein zeitgemäßer Aufsichtsrat sollte jederzeit fähig und bereit sein, den Vorstand bei der Strategieentwicklung aktiv zu begleiten und zu unterstützen.
Dabei sollen die Verantwortlichkeiten zwischen Vorstand und Aufsichtsrat nicht verwischt werden; sie bleiben, wie sie gesetzlich festgelegt sind. Der Aufsichtsrat ist beratender Sparringspartner für den Vorstand. Er begleitet die Strategiearbeit mit kritischen Fragen und Impulsen und unterstützt so die strategische Weiterentwicklung des Unternehmens.
Warum ist dies so wichtig geworden? Die Erwartungen an eine effektive Unternehmensführung haben sich verändert – durch die technologischen, geopolitischen und regulatorischen Entwicklungen der vergangenen Jahre. Unternehmen müssen ihre strategische Ausrichtung in immer kürzeren Zyklen überprüfen und anpassen. Das bedeutet auch, dass mehr Entscheidungsoptionen in höherer Frequenz bewertet und priorisiert werden müssen.
Die nachhaltige Sicherung des langfristigen Unternehmenserfolgs kann ein Aufsichtsrat nicht sicherstellen, wenn er sich nur auf retrospektive Kontrollaufgaben beschränkt. Zur Wahrnehmung seiner Aufgaben gehört heute vielmehr auch die begleitende und vorausschauende Beratung.
Je besser ein Aufsichtsrat Entscheidungen des Vorstands einschätzen und bewerten kann, desto besser kann er seinen klassischen Überwachungsaufgaben nachkommen. Und dem Vorstand können die vorhandenen Kompetenzen und Fähigkeiten in seinem Aufsichtsrat bei Entscheidungen im Strategieprozess helfen. Davon profitiert am Ende das Unternehmen.
In unserem Praxis-Impuls zum Thema Aufsichtsratsarbeit geben wir Empfehlungen, wie konkrete Maßnahmen die alltägliche Corporate Governance in Unternehmen verbessern oder weiterentwickeln können.
Ein gut orchestriertes Zusammenspiel zwischen Vorstand und Aufsichtsrat bringt enorme Vorteile: Der Aufsichtsrat kann eine Strategie mitentwickeln und mittragen, ohne die notwendige Distanz zu verlieren. Und er kann bessere Entscheidungen treffen – beispielsweise bei der Zustimmung zu strategischen M&A-Projekten, bei Personalentscheidungen und Vergütungsthemen.
Das setzt natürlich voraus, dass ein Aufsichtsrat strategiefähig ist. Das heißt, er braucht tiefe Kenntnisse über das Unternehmen: über seine Produkte und Dienstleistungen, Technologien, Kernprozesse, Märkte, Kunden, Zulieferer, Kapitalgeber, Wettbewerber und Regulatoren. Und er muss wichtige Megatrends verstehen und die Anforderungen an gute Corporate Governance einschätzen können. Deshalb ist die Zusammensetzung des Aufsichtsrats so wichtig – und sollte sich an den Kompetenzen orientieren, die sich aus der Strategie eines Unternehmens ergeben und gebraucht werden.
In diesem Zusammenhang kommt der fachlichen Qualifizierung und Weiterbildung von Aufsichtsräten eine ebenso zentrale Rolle zu. Ziel ist es nicht, aus den Aufsichtsräten die besten Experten zu machen. Es geht vielmehr darum, die vorhandene Expertise der Aufsichtsratsmitglieder im Sinne eines Wertbeitrags für das Unternehmen sinnvoll zu nutzen. Und da, wo Kenntnisse fehlen, sie gezielt durch interne oder externe Weiterbildungsmaßnahmen zu verbessern.
Externe Schulungen können dabei wichtige Impulse liefern. Und interne Formate haben sich für den Wissenstransfer zwischen Aufsichtsrat und Unternehmen bestens bewährt. Deshalb sind für eine erfolgreiche Arbeit in einem Aufsichtsrat Qualifikation und Weiterbildung genauso wichtig wie passende Anforderungsprofile, Nachfolgeplanungen und eine sinnvolle Mandatsdauer.
Eine wesentliche Rolle spielt sicherlich auch der Aufsichtsratsvorsitzende, wenn es darum geht, eine Vertrauenskultur zwischen Vorstand und Aufsichtsrat aufzubauen. Denn diese ist die Basis für einen kontinuierlichen Prozess des Dialogs und Austausches zwischen beiden Gremien. Und die Voraussetzung dafür, die im deutschen System angelegte Informationsasymmetrie zu überwinden.
Eine offene Kommunikation und transparente Prozesse fördern den produktiven Meinungsaustausch und können das Informationsgefälle ausgleichen. Dies schafft eine vertrauensvolle Arbeitsatmosphäre und stärkt den Zusammenhalt innerhalb des Gremiums – auch zwischen Vertretern der Kapital- und Arbeitnehmerseite.
Corporate Governance ist und bleibt ein wichtiger Standortfaktor. Wir haben hier in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren große Fortschritte gemacht. Das wird auch von internationalen Investoren gesehen und anerkannt. Aber es gibt auch kritische Punkte, die angesprochen werden. Deshalb bleibt es eine dauerhafte Aufgabe, die Qualität von Corporate Governance in deutschen Unternehmen weiter zu verbessern und an neue Herausforderungen anzupassen.
Die aktuellen disruptiven geopolitischen Umwälzungen mit ihren weitreichenden Konsequenzen für die deutsche Wirtschaft sprechen hier für sich. Gerade vor diesem Hintergrund ist eine aktivere Rolle des Aufsichtsrats als strategischer Sparringspartner für den Vorstand eine Chance, die Corporate Governance des Unternehmens zu stärken und einen wichtigen Beitrag für eine nachhaltig positive Unternehmensentwicklung zu leisten.
Den vollständigen Praxis-Impuls: Aufsichtsrat als strategischer Sparringspartner: ein Gewinn für das Unternehmen finden Sie auf der DCGK-Website unter https://dcgk.de/de/kommission/praxis-impulse.html.
Clara C. Streit Chair of the Government Commission | Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK)
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