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IFRS-Rechnungslegung zum 31. Dezember 2025: aktuelle Schwerpunkte und anstehende Änderungen
Für Geschäftsjahre, die nach dem 1. Januar 2025 begonnen haben, sind grundsätzlich keine signifikanten Änderungen der IFRS-Rechnungslegungsstandards zu beachten. Dennoch sind aktuelle Entwicklungen wie bspw. die Auswirkungen internationaler Zölle sowie die bevorstehende Einführung von IFRS 18 für den anstehenden Bilanzstichtag relevant und sollten daher in Diskussionen mit der Geschäftsführung Berücksichtigung finden.
Zölle und ihre Auswirkungen auf die Rechnungslegung
Die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) haben am 2. April 2025 neue Zölle auf Importe in die USA eingeführt und diese in der Zwischenzeit schrittweise ausgeweitet, teilweise pausiert sowie für ausgewählte Güter reduziert; im Gegenzug wurden EU-Gegenzölle zunächst angekündigt, teils in Kraft gesetzt und Stand September 2025 unbefristet ausgesetzt, um Verhandlungen zu ermöglichen. Aufgrund dieser andauernden Dynamik bestehen die Unsicherheit über die zukünftige Ausgestaltung der US-Zölle sowie etwaiger EU-Gegenzölle, aber auch die ökonomischen Auswirkungen bei den betroffenen Volkswirtschaften und deren Unternehmen unverändert fort.
Zölle können sich grundsätzlich auf alle Unternehmen auf folgende Weise auswirken:
- Erhöhte Lieferkosten, die sich je nach Währungsanpassung und der Fähigkeit, alternative Bezugsquellen zu finden und/oder Kosten an die Kunden weiterzugeben, auf die Gewinnmargen auswirken können
- Änderungen der Preisstrategien, was Folgen für die Verbrauchernachfrage nach preissensiblen Produkten haben könnte
- Verzögerte oder reduzierte Investitionen in neue Anlagen und Technologien oder erhöhte Investitionen aufgrund von Betriebsverlagerungen
- Höhere Logistik- und Übergangskosten, die erforderlich sind, um die Lieferketten anzupassen
- Vorübergehende Erhöhungen der Lagerbestände und der damit verbundenen Lager- und Transportkosten mit dem Ziel, Zölle zu vermeiden
- Kündigung oder Anpassung von Verträgen aufgrund von Klauseln über höhere Gewalt oder ähnlichen Vertragsbestimmungen
- Erhöhte Prozesskosten, z.B. aufgrund von Streitigkeiten zwischen Lieferanten und Kunden
Darüber hinaus trägt die aktuelle Welthandelssituation zu makroökonomischen Unsicherheiten wie Inflation, Volatilität der Wechselkurse, Veränderungen der Rohstoffpreise, Finanzmarktturbulenzen und gestiegenen Kreditzinsen bei. Infolgedessen können Unternehmen – unabhängig davon, ob sie direkt oder indirekt von den Zöllen betroffen sind – mit signifikanten Herausforderungen im Zusammenhang mit der Prognose künftiger Cashflows und anderer Schätzungen, die bei der Erstellung ihrer Abschlüsse verwendet werden, konfrontiert sein. Beispielsweise können die folgenden Aspekte der Finanzberichterstattung betroffen sein:
- Wertminderungen von nicht-finanziellen Vermögenswerten, z.B. können die Zolländerungen ein Anhaltspunkt dafür sein, dass ein Werthaltigkeitstest nach IAS 36 durchzuführen ist, oder eine Beurteilung erfordern, ob eine Abwertung von Vorräten auf deren Nettoveräußerungswert erforderlich ist.
- Wertminderung von finanziellen Vermögenswerten, da Unternehmen bei der Bestimmung der erwarteten Kreditausfälle (ECL) für Finanzinstrumente berücksichtigen müssen, dass Zölle die Fähigkeit von Kreditnehmern zur Rückzahlung ihrer Schulden beeinträchtigen und somit zu Wertminderungsaufwendungen führen können.
- Ertragsteuern, insbesondere die Werthaltigkeit latenter Steueransprüche
- Umsatzrealisierung
- Annahme der Unternehmensfortführung
- Bewertung und Anhangangaben zu beizulegenden Zeitwerten
- Anhangangaben zu signifikanten Ermessensentscheidungen und wesentlichen Ursachen für Schätzunsicherheiten
Im Folgenden werden die Auswirkungen auf die Vorratsbewertung und auf die Umsatzrealisierung vertieft dargestellt.1
Auswirkungen von Zöllen auf die Vorratsbewertung
zuSofern Einfuhrzölle nicht für den Kunden verauslagt und diesem separat in Rechnung gestellt werden, spiegeln sie sich in den Kosten der entsprechenden Lagerbestände von Vorräten wider. Nach IAS 2 sind grundsätzlich alle Kosten des Erwerbs und der Herstellung sowie sonstige Kosten einzubeziehen, die angefallen sind, um diese an ihren Ort zu bringen und in den Zustand zu versetzen, der erforderlich ist, damit diese in der vom Unternehmen beabsichtigten Weise genutzt werden können. Die Kosten des Erwerbs umfassen dabei auch Einfuhrzölle. In der Folge werden Vorräte zu Anschaffungskosten oder zum Nettoveräußerungswert („net realisable value“, NRV) bewertet, je nachdem, welcher Wert niedriger ist. Der NRV stellt dabei einen unternehmensspezifischen Wert dar, der definiert ist als „der geschätzte, im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit erzielbare Verkaufserlös abzüglich der geschätzten Kosten bis zur Fertigstellung und der geschätzten notwendigen Vertriebskosten“. Infolge neuer oder erhöhter Zölle kann der NRV eines Lagerbestandsartikels aus vielen Gründen unter seine Anschaffungskosten fallen, einschließlich eines Anstiegs der geschätzten Kosten für die Fertigstellung von Produkten oder der mangelnden Fähigkeit, die Zölle im Rahmen einer Preiserhöhung auf die Kunden überzuwälzen.
Auswirkungen von Zöllen auf die Umsatzrealisierung
Auch wenn es sich bei Zöllen um Kosten handelt, die einem Käufer auferlegt werden, der Waren importiert, können sie sich unterschiedlich darauf auswirken, wie ein Unternehmen (ein Verkäufer) Verträge mit Kunden unter Anwendung von IFRS 15 bilanziert. Dies betrifft sowohl Preisänderungen bestehender Kundenverträge als auch die Fortschrittsmessung von Leistungsverpflichtungen, die über einen Zeitraum erfüllt werden:
- Vertragsanpassung vs. variable Gegenleistung: Wenn Verträge Preisanpassungsklauseln enthalten, die einem Unternehmen zugestehen, die gestiegenen Zollkosten automatisch an seine Kunden weiter zu belasten, gelten zollbedingte Preisänderungen als variable Gegenleistung. Fehlen solche Klauseln, ist eine formale Vertragsänderung erforderlich, bevor höhere Preise bilanziell berücksichtigt werden dürfen.
- Fortschrittsmessung bei zeitraumbezogenen Leistungsverpflichtungen: Wenn eine Input-Methode auf Kostenbasis (d.h. im Verhältnis zu den erwarteten Gesamtkosten) angewendet wird, um den Fortschritt bei der Erfüllung der Leistungsverpflichtung zur Erfassung von Umsatzerlösen zu messen, können die erwarteten Auswirkungen von Zöllen (z.B. erwartete neue Zölle, Erhöhung oder Senkung bestehender Zölle oder deren vorübergehende Aussetzung) die erwarteten Gesamtkosten und damit den Fertigstellungsgrad beeinflussen. Das kann ggf. zu einer Verringerung sowohl des Fertigstellungsgrads als auch der kumulierten zu erfassenden Umsatzerlöse führen, was als Schätzungsänderung abzubilden ist.
Die aktuellen makroökonomischen Unsicherheiten aufgrund der verhängten US-Zölle und Gegenzölle können zudem die Zahlungsfähigkeit von Kunden beeinträchtigen. Unternehmen müssen aufgrund dessen prüfen, ob bestehende Kundenverträge weiterhin die Voraussetzungen für eine Umsatzrealisierung erfüllen. Falls ein Verlust im Zusammenhang mit einem Kundenvertrag erwartet wird (z.B., weil die Zölle nicht auf den Kunden überwälzt werden können), muss das Unternehmen beurteilen, ob u.U. eine Rückstellung für belastende Verträge gemäß IAS 37 zu bilden ist.
Wie andere Unsicherheiten auch, erfordern die o.g. Umstände eine detaillierte Offenlegung von wesentlichen Annahmen und Schätzungsunsicherheiten im IFRS-Abschluss, die kurzfristig zu erheblichen Anpassungen von Vermögenswerten und Schulden führen könnten. Daher müssen Unternehmen klar und transparent unternehmensspezifische Informationen bereitstellen, um Investoren eine Bewertung der Auswirkungen von Zöllen zu ermöglichen.
Umstellung auf IFRS 18 „Darstellung und Angaben im Abschluss“
IFRS 18 ersetzt für Geschäftsjahre, die nach dem 1. Januar 2027 beginnen, IAS 1 und bringt umfassende Änderungen in der Darstellung und Offenlegung von Finanzinformationen mit sich, die insbesondere die GuV sowie den Anhang betreffen.2
Die Implementierung von IFRS 18 bedingt neben den erforderlichen Analysen der Bilanzierungsregelungen auch praktische Herausforderungen für Unternehmen, insbesondere im Hinblick auf Prozesse, IT-Systeme und Steuerungsgrößen sowie in Bezug auf die Datenverfügbarkeit, wobei die unterschiedlichen Aspekte der Umsetzung ineinandergreifen.
Abb.1: Wichtige Themenfelder im Zusammenhang mit der Umsetzung von IFRS 18

Aus Sicht des Aufsichtsrats ist von Relevanz, dass die neue Struktur von GuV und Kapitalflussrechnung unter IFRS 18 zentrale Steuerungsgrößen verändern kann. Besonders betroffen sind Kennzahlen, die auf dem Betriebsergebnis basieren. So müssen Mieterträge aus Renditeimmobilien künftig außerhalb des Betriebsergebnisses ausgewiesen werden, sofern die Investition in Renditeimmobilien nicht eine Hauptgeschäftstätigkeit im Konzern darstellt. Bestimmte, bislang häufig unterhalb des Betriebsergebnisses ausgewiesene Effekte, z.B. die Neubewertung bedingter Kaufpreisverbindlichkeiten oder betrieblich bedingte Wechselkursdifferenzen, sind diesem hingegen künftig zuzuordnen, was zu einer höheren Volatilität des Betriebsergebnisses führen kann. Zur Sicherstellung konsistenter Steuerung und Kommunikation sollten Unternehmen daher prüfen, ob bestehende Steuerungsgrößen angepasst oder neue eingeführt werden müssen, wobei die neuen Angabepflichten zu von der Unternehmensleitung definierten Leistungskennzahlen zu berücksichtigen sind. Potenzielle Änderungen bei Kennzahlen können auch Auswirkungen auf finanzielle Covenants haben, sodass Unternehmen bestehende Covenants ebenfalls frühzeitig prüfen und bei Bedarf das Gespräch mit Kapitalgebern suchen sollten. Die Analyse der Auswirkungen von IFRS 18 auf Steuerungsgrößen sollte des Weiteren solche Kennzahlen einbeziehen, die in Vergütungsmodellen verwendet werden. Basieren diese auf GuV-Größen, kann IFRS 18 Anpassungsbedarf auslösen. Das Controlling sollte in solchen Fällen (ggf. in Abstimmung mit Vorstand und Aufsichtsrat) prüfen, ob bestehende Zieldefinitionen und Vorgaben weiterhin sachgerecht sind oder angepasst werden müssen, um Fehlanreize zu vermeiden.
Die erstmalige Anwendung von IFRS 18 erfordert für das Geschäftsjahr 2026 angepasste Vergleichszahlen sowie eine Überleitungsrechnung von bisherigen auf die neuen Zahlen gemäß IAS 1. Um dies technisch abbilden zu können, müssen IT-Systeme und Kontenpläne frühzeitig angepasst werden, wobei viele Unternehmen einen Go-Live der Anpassungen bereits zum 1. Januar 2026 planen.
Aufgrund der teils tiefgreifenden Veränderungen, die IFRS 18 mit sich bringt, ist eine klare Kommunikation gegenüber Stakeholdern entscheidend, um Verständnis für die Zielsetzung von IFRS 18 sowie die unternehmensindividuellen Auswirkungen zu schaffen. Auch die frühzeitige Einbindung des Abschlussprüfers sowie die Beobachtung der laufenden fachlichen Diskussionen, wie etwa beim IFRS Interpretations Committee, sind unerlässlich, um Risiken zu minimieren und regulatorische Entwicklungen rechtzeitig zu berücksichtigen.
Fragen für Aufsichtsräte
- Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die Auswirkungen von US-Zöllen auf die Finanzberichterstattung zu minimieren?
- Wie wirkt sich die Einführung von IFRS 18 auf die Prozesse und Systeme des Unternehmens aus und in welchem Umfang sind steuerungsrelevante Kennzahlen betroffen?
Ausblick
Die transparente Darstellung von Unsicherheiten hat auch für die Finanzberichterstattung 2025 aufgrund der schnelllebigen Entwicklungen in der globalen Handelspolitik unverändert hohe Relevanz. Gleichzeitig zeichnen sich mit IFRS 18 bereits strukturelle Veränderungen vor allem in der Darstellung der Ertragslage ab, die künftig wesentlichen Einfluss auf Unternehmenssteuerung und -kommunikation nehmen werden. Unternehmen sollten sich daher frühzeitig mit den Implikationen auseinandersetzen.
[1] Ausführungen zu weiteren zuvor genannten Aspekten finden Sie im Beitrag „ Unternehmensberichterstattung in kritischen Zeiten“ in der Ausgabe 01/2025 von Corporate Governance Inside (Unternehmensberichterstattung in kritischen Zeiten – Corporate Governance Inside | Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz). [2] Ein Überblick über die Änderungen ist im Beitrag „IFRS18: grundlegende Neuerungen bei der Darstellung von IFRS-Abschlüssen“ in der Ausgabe 02/2024 von Corporate Governance Inside (IFRS 18: grundlegende Neuerungen bei der Darstellung von IFRS-Abschlüssen – Corporate Governance Inside | Umsetzung der neuen Nachhaltigkeitsberichterstattung) enthalten.
Christiane Hold
Director | IFRS & Corporate Reporting Centre of Excellence | Deloitte Deutschland
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